Predigt 523 zum Erntedank

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Predigt vom 06.10.1985 - Pastor Schnabel - Erntedank - Lukas 12, 15-21

Predigttext:

"Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: "Es war ein reicher Mann, dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott."

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! AMEN!

Liebe Gemeinde!

Wir haben - alle auf verschiedene Weise - wieder ein Jahr lang geerntet. Keiner von uns musste hungern oder frieren. Jeder hatte ein Dach über dem Kopf. Und wir hatten alle mehr als nur das Notwendige.

Warum haben wir uns also im letzten Jahr so viele Sorgen gemacht? Warum haben wir so viel schöne Lebenszeit damit vertan, über Geld und Anschaffungen nachzudenken und zu planen? Wir sorgen uns viel zu sehr. Wir könnten alle leichter und liebevoller leben, wenn wir uns weniger Sorgen machten. Wer sich Sorgen macht, betet zu wenig und hat zu wenig Vertrauen zu Gott.

Hört, was unser Herr Jesus Christus sagt. Einmal hatten nämlich Leute Streit um viel Geld; sie sorgten sich. Und da haben sie Jesus gebeten, er solle doch vermitteln. Und Jesus hat gesagt: Wie ihr euch auch einigt ist mir egal, aber eins will ich euch sagen: Hütet euch vor aller Habgier, denn niemand lebt davon, dass er viel besitzt. Das haben die Leute nicht gleich verstanden. Wieso? Haben sie gesagt, reich sein ist doch schön! Im Lotto würden wir alle gern gewinnen. Viel Geld haben ist doch gut. Da hat man keine Sorgen mehr und kann sich alles kaufen. Da kann einem nichts mehr passieren.

Da hat Jesus gesagt: Ihr irrt euch gewaltig, wenn ihr das meint. Und er hat das Gleichnis vom reichen Kornbauer erzählt. Und das haben wir vorhin im Evangelium gehört.

Der reiche Kornbauer hatte besonders gute Ernten über die Jahre hinweg gehabt. Er hatte auch viel mehr, als er brauchte. Und darum sagte er eines Tages zu sich selbst: Ich werde riesige Scheunen bauen. Einen Schatz werde ich mir anlegen, dann habe ich Sicherheit und lass es mir gut gehen. Ja, mein Lieber, sagte er zu sich selbst, ruhe dich aus, iss und trinkt und sei guter Dinge.

Merkt ihr? Der Kornbauer redet zu sich selbst. Er sagt zu sich selbst: mein Lieber! Er sagt zu sich selbst: Ich mache das so, ich lege Schätze an und dann wird mein Leben sicher und gut. Und das scheint so in sich seine Richtigkeit zu haben, aber da kommt plötzlich Gott und sagt: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern, und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? Und Jesus schließt mit den Worten: So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.

Der reiche Kornbauer hat nie gebetet zu Gott. Er hat nie gedankt für das Korn, das Gott ihm wachsen ließ. Er hat nie gedankt für das Leben und die Fähigkeiten, die Gott ihm gab. Er hat immer nur mit sich selbst geredet. Du Narr, sagt Gott zu ihm, du bist dumm, denn du irrst dich, wenn du denkst, du hättest dein Leben selbst in der Hand. Du kannst dein Leben nicht sichern, mit allen Schätzen dieser Welt nicht. Darum warnt Jesus: Lebt nicht so, wie der reiche Kornbauer und sammelt keine Schätze, sonst verliert ihr nämlich euer Leben an diese Schätze. Sammelt lieber Schätze im Himmel und werdet reich bei Gott.

Wisst ihr, wie man Schätze im Himmel sammelt und reich wird bei Gott? Indem man Gott vertraut, indem man Menschen liebt, indem man mit sich selbst Geduld hat, indem man auch mit anderen Geduld hat. Indem man tüchtig arbeitet und verdient, aber auch teilt und barmherzig ist. Indem man sich immer darüber im Klaren ist, dass Gott uns durch’s Leben führt und dass Gott uns gegeben hat, was wir sind und haben und was wir können. Vergesst nicht: unsere Schätze können uns keine Zukunft kaufen, unsere Schätze sind nur Zahlungsmittel, die im Laden gelten. Da sind die wichtig, aber weiter reichen sie nicht.

Und wenn wir einmal sterben, dann werden wir - eine alte Binsenwahrheit und trotzdem leben wir danach - dann wird das letzte Hemd keine Taschen haben. Am Ende, wenn wir vor Gott treten, werden wir leere Hände haben - der reiche Mann und der arme Mann, wir werden am Ende alle leere Hände haben. Und vor Gott wird es dann auf unser Herz ankommen. Gott wird uns fragen, ob wir geliebt haben, ob wir gegeben haben, von dem; was Gott uns mit auf den Weg gegeben hat, abgegeben haben. Ob wir barmherzig waren und ob wir glaubten.

Ihr Lieben! Gestern kam ich mit dem Auto aus Lüneburg und fuhr über Kaltenmoor. In Kaltenmoor in Höhe der Hochhäuser war gerade die Ampel auf Rot und ich musste halten. Ich schaute zu den Hochhäusern und musste an die Geschichte von dem Goldschatz denken: Vor zwei Monaten stand das in der Zeitung. In eine der Wohnungen dort waren neue Mieter eingezogen. Diese neuen Mieter hatten vom Vormieter eine eingebaute Garderobe im Flur übernommen. Der neue Mieter hat die Wohnung tapeziert und hat an der Garderobe ein loses Brett gefunden. Er hat das Brett abgehebelt und da rein geguckt und fand einen kleinen Koffer. In dem Koffer war eine verschlossene Kassette. Dann hat er mit einem Stahlhebel die Kassette aufgebrochen und bekam beinahe einen Schreck, denn da waren nämlich Goldbarren und -Münzen drin.

Der neue Mieter wusste nicht, was das wert war und ein bisschen naiv war er wohl auch. Er hat einen der vielen Goldbarren in Zeitungspapier eingewickelt und zur Sparkasse am Markt gegangen. Er hat den eingewickelten Goldbarren auf den Tresen gelegt und gesagt: Ich will mal wissen, was das so wert ist. Das war natürlich so komisch, dass der Kassierer die Polizei verständigt hat. Und dann stellte sich heraus, dass dieser Schatz eine viertel Million wert war. Untersuchungen ergaben, dass da vorher ein alter Mann mit seiner Frau in dieser Wohnung gewohnt hatte, die beide kärglich gelebt hatten. Sie hatten keine Freunde.

Sein Leben lang hatte dieser alte Mann den Schatz heimlich angelegt. Die beiden gönnten sich nichts und teilten mit keinem. Und als der Mann starb, zog seine Frau aus. Die Wohnung war zu teuer geworden und die Frau wusste nichts von dem Goldschatz in der Garderobe. Die Sache war dann Stadtgespräch. Worüber natürlich am meisten geredet wurde bei der Geschichte war: Was hätte ich gemacht, wenn ich den Schatz gefunden hätte?

Das soll uns heute in Zusammenhang mit dem reichen Kornbauern aber nicht so sehr interessieren. Mir geht es vielmehr so, dass, wenn ich da an der Ampel in Kaltenmoor halten muss, ich an diesen Mann denke und ich mir vorstelle: Hier hat er vielleicht die Straße überquert; vielleicht habe ich ihn mal gesehen. Und ich stelle mir vor: Allein mit sich selbst hat er das Gold gesammelt und sich darum gesorgt. Und das war das Wichtigste in seinem Leben. Und dann ist er gestorben. Die Kriminalpolizei hat übrigens festgestellt, dass der Mann den Schatz ehrlich erworben hatte. Er hat tüchtig gearbeitet und gut verdient.

Und, ihr Lieben, dagegen hätte Jesus auch nichts gehabt. Aber dieser Mann hatte Schätze gesammelt zu seiner Sicherheit, und das war sein Irrtum, das war seine Sünde. Ein Schatz ist immer das, was man mehr hat, als man braucht. Schätze sammelt nur jemand, der ängstlich ist, der sich sorgt, der die Zukunft sichern will. Schätze für alle Fälle, dahinter steht immer die Angst, es könnte nicht reichen. Und vielleicht kennt ihr das selbst. Als ihr noch arm wart und gar kein Geld hattet, dachtet ihr: Es wäre ja schön, mal etwas auf der Kante zu haben. Und dann seid ihr vielleicht zu Geld gekommen und hattet tausend Mark auf dem Konto. Aber dann war’s plötzlich nicht genug, da haben wir noch tausend Mark dazu gelegt und so weiter und so weiter.

Ihr sollt ja alle Reserven haben, aber merkt ihr? Wenn man Schätze sammelt für alle Fälle, dann wird es so leicht nie genug. Und wenn man erst mal Schätze hat, dann muss man die auch absichern. Und so wird das eine Kette ohne Ende. Damit kann man sein Leben zubringen und sein Leben verlieren.

Ihr Lieben!

Die Geschichte vom reichen Kornbauer soll uns eine Lehre sein. Und so ein reicher Kornbauer hat eben auch in Kaltenmoor gelebt und ein armseliges Ende gehabt.

Wes wird sein was du besitzest? Spricht Gott, heute Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Und was wird bleiben? Das Gold bleibt da liegen, das finden vielleicht andere. Aber Gott wird dich nicht nach deinem Gold fragen. Sondern er wird dich danach fragen, wie du gelebt hast, er wird dein Herz ansehen.

Ihr Lieben!

Wir danken heute Gott für alles, was wir zum Leben brauchen. Und wir wollen heute Gott auch dafür danken, was wir so "die Gaben des Geistes" nennen. Wir wollen Gott danken für die Musik, für die Handwerkskunst, für die Wissenschaft, für die Dichtung, für die Technik. Denn das, was Gott unter uns wachsen lässt, ist ja nicht nur das, was wir essen und trinken, sondern es ist ja auch das, wovon unser Geist und unsere Seele lebt.

Wir wollen Gott danken für die Gaben, die Begabungen, die er unter uns ausgestreut hat in dieser Gemeinde. Und wer mehr hat, als er braucht, der soll - jeder für sich - vor Gott bedenken, wo er helfen und heilen kann. Denn dazu ist es da - zum Anwenden, zum Ausgeben, nicht zum Schätzesammeln.

Ich bin sicher, dass jeder von uns mehr hat, als er braucht für sich selbst an Hab und Gut, auch an Gaben und Begabungen. Und wer dieses Mehr in den stillen Winkel legt, der sammelt Schätze, der benützt es nicht. Und wer seine Gaben und Begabungen und seinen Besitz nicht nutzt, der hat nichts davon, der wird arm dabei. Sein Leben wird eng und klein bis hin zur Sorge, und irgendwann erstickt das.

Wer aber dieses Mehr, alles, was er über das Notwendige, Schöne hinaus hat, wer das teilt, der wird reich bei Gott, der sorgt sich nicht mehr, der vertraut sein Leben Gott an.

Und wer vertraut, der merkt sehr schnell, dass alles Geld und Gut wohl wichtig ist, aber sehr begrenzt in seinen Möglichkeiten.

Alle Gaben und Begabungen sind uns geschenkt, damit wir sie anwenden, dass wir sie teilen mit anderen. Wenn wir das tun, dann wird ein Segen daraus, ein Segen für den, der es teilt, und ein Segen für den, der etwas davon bekommt. AMEN!

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu - Amen!