Predigt vom 20.10.1985 - Pastor Schnabel - 20.S.n.Trin. - Markus 10, 2-9
Predigttext:
"Pharisäer traten zu Jesus und fragten ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau; und sie versuchten ihn damit. Er antwortete aber und sprach zu ihnen: "Was hat euch Mose geboten?" Sie sprachen: "Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden." Jesus aber sprach zu ihnen: "Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; aber von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden."
Und daheim fragten ihn abermals seine Jünger danach. Und er sprach zu ihnen: "Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe; und wenn sich eine Frau scheidet von ihrem Mann und heiratet einen andern, bricht sie ihre Ehe."
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! AMEN!
Liebe Gemeinde!
Dies ist in der Bibel die einzige Stelle, wo Jesus etwas über die Ehe sagt. Und seine Antwort ist eindeutig: Scheidung soll nicht sein. "Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden."
Vorher gibt es aber da ein Streitgespräch. Die Pharisäer fragen Jesus: Ist Scheidung zulässig? Und Jesus verweist auf Mose, auf Gottes Ordnung, und zitiert ein Stück aus dem 2. Kapitel des 1. Buch Mose, auch Genesis genannt. Und zwar ist das diese schöne Geschichte, wo Gott die Eva schafft - die Lutherbibel sagt wörtlich "baut".
Die Geschichte von der Schöpfung ist ein heiliges, kluges Märchen.
Nachdem Gott die Tiere geschaffen hat, schuf er den Adam - das heißt "Mensch" - und der Mensch sitzt im Paradies und ist allein. Aber Gott will nicht, dass er allein ist, denn allein ist der Adam - der Mensch - nur ein halber Mensch. Und darum, so heißt es wörtlich, "baut" Gott noch einen Menschen, eine Frau, aus einer Rippe des ersten Menschen. Es ist wichtig, das Märchen zu verstehen, denn sie sind beide aus der gleichen Substanz. Dem einen fehlt künftig etwas ohne den anderen. Diese tiefe Zusammengehörigkeit zum Einssein wird in diesem heiligen Märchen ganz deutlich dadurch, dass die Eva von der Substanz des Adam genommen ist.
Lesen sie das zuhause mal nach, das ist sehr schön beschrieben.
Am Ende heißt es dann auch: Sie schämten sich nicht - sie waren nackt. Dass sie sich schämten, das kommt erst nach dem Sündenfall. Und der Sündenfall bewirkt zugleich, dass sie Vereinzelte sind, dass sie getrennt sind. Vorher sind sie unbefangen eins und können sich miteinander nur als Ganzes verstehen; keiner versteht sich allein für sich selbst.
Ihr Lieben!
Dieses heilige Märchen bringt diese tiefe Wahrheit an’s Licht über das Verhältnis von Mann und Frau. Damit ist nämlich gesagt, und ein Dummkopf ist, wer das als naturwissenschaftlichen Schöpfungsbericht nehmen will - dass Mann und Frau von Gottes Schöpfung her zusammen eins sind. Sie sind zusammen eins. Mann und Frau für sich genommen sind nur eine Hälfte des Ganzen. Und da heißt es dann ganz vital: Sie werden sein ein Fleisch. Sie essen zusammen, sie schlafen zusammen, sie sollen sich daran freuen, dass sie als Mann und Frau geschaffen sind, und dass sie diese tiefe Sehnsucht füreinander haben und ihre Ergänzung nur aneinander finden. Und es ist ja auch so, dass die Menschen - Männer und Frauen - keine Ruhe haben, bis sie eins sind.
Jesus zitiert da die Bibel vom Anbeginn der Schöpfung und sagt: Gott hat die Menschen als Mann und Frau geschaffen, und sie sollen sich von Gott zusammenfügen lassen und das nicht scheiden. Und dieses "von-Gott-zusammengefügt" ist natürlich der springende Punkt. Das versteht nur jemand, der sein Leben überhaupt begreift als von Gott geführtes Leben.
Ein Mensch, der alles als beliebigen Zufall auffasst, der wird sagen: Da habe ich eben nun gerade diesen Mann oder gerade diese Frau gefunden. Es hätte aber auch jede andere oder jeder andere sein können. Aus dieser Sicht, wo das Leben nur Zufall ist und keine Fügung Gottes, da werden auch Mann und Frau austauschbar. Wenn es mit der nicht geht, nehme ich mir eben eine andere. Wo man so redet, da wird die Scheidung meistens nur noch ein finanzielles Problem.
Aber, ihr Lieben, auch wenn Leute manchmal so roh daherreden, ich glaube gar nicht, dass sie’s so meinen. Oder sie meinen es vielleicht nur in diesem Augenblick so. Denn wenn man genauer hinschaut, ist es ja auch nicht so, dass Menschen so beliebig mit ihrer Bestimmung umgehen können. Es kommt ja doch meistens ein Unglück dabei heraus und gar nicht die erhoffte Freiheit, wenn einer Gottes Gebote in den Wind schlägt und sagt: Ich bin doch frei. Leute, das mit der Religion - lasst euch doch nicht einengen!
Am Ende bleibt doch immer diese unstillbare Sehnsucht. Man liest es selbst von Menschen wohlhabender Berufsgruppen, dass sie sich - Mann und Frau - eigentlich doch mit jeder Eheschließung aufs neue nach dem Einssein sehnen. Diese Sehnsucht bestätigt Jesus, er sagt: Diese Sehnsucht nach dem Einssein ist von Gott. Und wenn Gott diesen Mann und diese Frau zusammenfügt und sie miteinander ihre Sehnsucht erfüllt finden, dann soll das kein Mensch scheiden - in guten wie in bösen Tagen nicht.
Aber trotzdem - genauso alt, wie dieses Gebot ist, genauso lange gibt es - seit Mose Zeiten - die Scheidung. Davon erzählt die Bibel auch. Wenn eine Ehe zur Hölle wird, wenn ein Mensch den anderen quält, dann ist Scheidung möglich, sagt Jesus, indem er sich auf Mose beruft, wegen der verstockten Herzen.
Verstockt ist ein altes deutsches Wort und heißt: verdorben. Wie ein Stoff, in dem Stockflecken sind - der ist verdorben, der wird brüchig.
Verstockt kann auch heißen: verhärtet, unempfindlich, unempfindsam geworden. Da ist ein verstocktes Herz, das unempfindsam geworden ist.
Aber in Gottes Ordnung ist die Scheidung nicht, auch, wenn sie manchmal leider nötig und auch möglich ist. Das sagt Jesus eindeutig.
Nun müssen wir uns hüten, anderer Leute Ehe oder Scheidung zu beurteilen. "Der stehe, der sehe zu, dass er nicht falle." Keiner kann für seine eigene Ehe garantieren, es gehören immer zwei dazu. Und wer die Scheidung von Freunden miterlebt hat, der weiß, wie furchtbar weh das tut; auch für Freunde die drumherum stehen. Gerade dann, wenn man beide gern hat. Und wie verfahren das sein kann, und wie sehr man auch das Leid und die Verfahrenheit verstehen kann, aber trotzdem kann man nicht helfen.
Aber auch, wenn man’s verstehen kann, ihr Lieben, hier steht das Gebot. In Gottes Ordnung ist die Scheidung nicht. Und das gilt in jedem Fall. Auch wenn meine Ehe in die Brüche ginge, würde es natürlich gelten. Und wir sollen uns an den Geboten nicht vorbei mogeln.
Wir haben hier aus Gottes Wort etwas Wichtiges zu lernen über die Bedeutung der Gebote überhaupt. Wenn man genau hinhört, merkt man, dass Jesus die Gebote Gottes nie auflockert. Er sagt nie: Leute, das ist alles nicht so schlimm! Und er sagt auch nicht: Hier drücken wir mal ein Auge zu! Und er sagt auch nicht - wie es in diesem komischen Lied ganz witzig heißt: "Das macht doch nichts, das merkt doch keiner." Sondern Jesus bekräftigt alle Gebote er verharmlost sie nie. Aber er nimmt die Gebote nicht, um den anderen damit kaputt zu machen. Sondern der andere bekommt erst mal gesagt, was gilt. Und dann erkennt er, dass er ein Sünder ist. Und dann hilft Jesus ihm auf. Und dann ist es überhaupt möglich, ein neues Leben zu beginnen. In dieser Schwiemelei, wo gesagt wird: Das merkt doch keiner, es macht nichts, ist doch alles egal, da findet kein Mensch einen neuen Anfang. Und so ist es mit allen anderen Geboten auch. "Du sollst nicht stehlen!" "Du sollst nicht töten." "Du sollst nicht Ehe brechen." - alle diese Gebote gelten. Und wo du diese Gebote nicht hältst, da bist du ein Sünder. Das gilt! Jesus nimmt den Sünder an, weil er ihn liebt, und er vergibt ihm die Sünden, auch das gilt. Er hilft ihm auf und lässt ihn Neues, Gutes, beginnen.
Der Mensch soll an der Sünde nicht kaputt gehen, aber die Sünde wird auch nicht verharmlost. Es ist ganz wichtig, dass wir Menschen durch Gottes Gebote erkennen, wo es lang geht und was oben und unten ist. Und dass das gilt, ist äußerst wichtig für unser Heil. Denn - vielleicht habt ihr diesen Zusammenhang noch nicht so bedacht - es würde unsere Menschenwürde verletzen, wenn Jesus sagen würde zu uns: Ach Leute, mit euch ist es doch nicht so weit her. Die Gebote könnt ihr doch nicht halten, dazu seid ihr viel zu schwach und viel zu verkommen. Mogelt euch mal so durch. Bei euch kommt”s eigentlich gar nicht mehr drauf an. Eine Sünde mehr oder weniger - ist ja doch alles hoffnungslos. Jeder Mensch würde aus solchen Worten die Verachtung spüren und merken: Hier wird unsere Menschenwürde verachtet und mit Füßen getreten. Und das Merkwürdige ist, dass wir auf diese Weise wohl erkennen, dass dann unsere Würde zertreten ist, dass wir aber umgekehrt nicht erkennen: In den Geboten steckt ja Gottes Liebe, dass Jesus die Gebote bekräftigt, weil er uns liebt und uns der Gebote für würdig hält. Gott hat uns ja mit seinen Geboten Würde gegeben.
Und Jesus hat sich für uns kreuzigen lassen, weil er auf den Geboten Gottes in reiner gütiger Form bestanden hat. Jesus will eben nicht, dass wir verkommen zu irgendwelchen Wesen, die mal dies und das tun, für die alles gleichgültig und beliebig ist und für die krumme Touren nur dann krumm erscheinen, wenn sie dabei erwischt werden. Wie würdelos und wie klein wäre das.
Jeder, der Gottes Gebote verwässert, tastet die Würde des Menschen an. Darum gelten die Gebote Gottes zuerst und ohne Einwände. Gott braucht die Gebote nicht, sondern wir brauchen sie. Sie garantieren unsere Menschenwürde. Die Gebote gelten zuerst und ohne Einschränkung. Und erst dann erkennen wir im Lichte der Gebote unsere Sünden. Und erst dann können wir die Vergebung unserer Sünden erfahren.
Und merkt ihr? Ein begnadigter Sünder bleibt in Gottes Geboten, und er bleibt auch in der Würde, die damit verbunden ist. Ein begnadigter Sünder ist ein würdiger Mensch.
Wer aber spricht: Was heißt hier Gebote? Ich mache doch, was ich will. Was heißt hier: Sünde? Ich kann doch tun, was mir Spass macht, der erkennt Gottes Anspruch auf sein Leben nicht an und der hat sich selbst von der Würde ausgeschlossen, bis er zurückfindet zu der Würde, die Gott in den Geboten verheißen hat.
Wir aber wollen Christus loben und danken, dass er kein Haar breit abgewichen ist und die Gebote betont hat als gültig bis zum letzten Jota. Dass er die Gebote bekräftigt hat, und dass er uns bis auf den heutigen Tag durch sein Wort nichts durchgehen lässt. Und dass er dafür sein Leben ließ, damit wir Würde haben als Kinder Gottes. AMEN!
Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu - Amen!