Predigt 529 zum Bußtag

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Predigt vom 20.11.1985 - Pastor Schnabel - Bußtag - Lukas 13, 6-9

Predigttext:

"Jesus sagte dies Gleichnis: "Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum, und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft? Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab."

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! AMEN!

Liebe Gemeinde!

Wir haben den Predigttext im Evangelium gehört. Jesus erzählt das Gleichnis vom Feigenbaum. Es dreht sich alles um diesen Feigenbaum. Dabei treten zwei Personen auf: einmal der Besitzer des Weinberges, in dem der Feigenbaum steht, und zweitens sein Gärtner.

Schon seit drei Jahren, so erzählt dieses Gleichnis, kommt der Besitzer des Weinberges, um nach dem Baum zu sehen. Er will ernten. Und jedesmal hat der Baum nicht getragen. Nach dem ersten Jahr mag er gedacht haben: Gut, manche Jahre ist das Wetter ungünstig; warten wir auf das nächste Jahr. Im zweiten Jahr kommt er wieder und will ernten, aber da ist wieder nichts zu finden. Er ist ein geduldiger Gartenbesitzer, er denkt: Na, wenn’s im zweiten Jahr nichts ist, im dritten Jahr wird er Frucht tragen. Aber im dritten Jahr trägt der Baum auch keine Früchte, und da ruft der Besitzer seinen Gärtner und sagt: Jetzt ist Schluss Hau diesen Baum ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft? Der Gärtner aber liebt diesen Baum und bittet für ihn. Der Gärtner glaubt nämlich daran, dass der Baum gute Früchte tragen könnte. Darum bittet er den Besitzer um Aufschub und sagt: Lass ihn noch dieses eine Jahr stehen, ich will auch alles tun, damit er trägt. Ich will den Boden um den Baum umgraben und Dünger streuen. Wenn er dann nicht trägt, so hau ich ihn ab.

Ihr Lieben!

Der Sinn ist klar: Gott gleicht dem Besitzer dieses Gartens, Jesus ist der Gärtner, und wir sind die Bäumchen, um die sich das Gleichnis dreht.

Dass uns Jesus hier mit einem Baum vergleicht, hat einen tiefen Sinn. Es geht nämlich in diesem Gleichnis um gute Früchte, nicht um gute Werke. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Ihr wisst: Früchte wachsen, Früchte werden in einem viel größerem Zusammenhang hervorgebracht, als Werke. Bei Werken hat - im direkten oder indirektem Sinn - einer, der tut, das Material dazu und macht die Werke. Früchte gehören in einen größeren Zusammenhang; Früchte werden hervorgebracht.

Ich habe gestern dieses Apfelbäumchen gekauft. Jemand hatte mir vor einigen Wochen einen Korb voll solcher Apfel (P. zeigt Bäumchen und Früchte) geschenkt, und die haben mir so gut geschmeckt, dass ich dachte: So einen Apfelbaum hättest du wohl gern auch hier im Garten. Ich habe mich nach der Sorte erkundigt und sie auch bekommen.

Ein einfaches Bäumchen - unten sind die Wurzeln und oben die Zweige, dazwischen ist dieses dünne Stämmchen. So, wie das Bäumchen jetzt hier ist, kann es keine Frucht bringen. Dieses Bäumchen braucht von unten guten, feuchten Boden, in dem es sich verwurzeln kann. Von oben braucht es Sonne, Licht und Luft. Und wenn dieses Bäumchen mit seinem dünnen Stämmchen von oben und von unten beides aufnimmt, dann wird es Frucht hervorbringen, dann werden vielleicht eines Tages viele solcher Äpfel dranhängen.

Dieses Bäumchen ist für sich selbst nicht in der Lage, eine Frucht hervorzubringen, sondern es ist Teil eines Ganzen. Es braucht Boden und Nährstoffe von unten, Wasser, Licht und Luft von oben. Dieses Bäumchen kann nur Frucht bringen, wenn es in diesem großen Zusammenhang steht, den wir Natur nennen. Unsere Sprache ist da sehr genau. Wir sagen: Ein Baum bringt Früchte hervor, oder: ein Baum trägt Frucht. Früchte sind nicht sein Werk, sondern der Baum nimmt Kraft und Nährstoffe aus der Erde und aus dem Himmel. Und wenn es ein guter Baum ist, dann bringt er beides zusammen und wird durchlässig für die Stoffe, die aus der Erde und aus dem Himmel kommen. Sie strömen in ihm zusammen und die Früchte wachsen und reifen wie von selbst.

Gott will diese Art Frucht von uns haben; diese Art von Frucht, die sich eben unterscheidet von den guten Werken, die wir machen, die wir vorsätzlich tun, und die allzu leicht zur Handelsware gegenüber Gott werden, mit denen wir uns brüsten und auf die wir hinweisen. Gott will Früchte sehen, und nicht gute Werke.

Könnte so ein Bäumchen reden, könnte es sagen: Die Äpfel, die Früchte, die mach ich allein. Dann fänden wir das absurd und würden sagen: So ein Unsinn, Bäumchen, du musst ja Kraft aus dem Boden haben, und Licht und Sonne von oben. Aber wir Menschen begreifen uns oft nicht in dem ganzen Zusammenhang, sondern wir tun törichterweise so, als stünden wir allein und würden gute Werke hervorbringen, mit denen wir unserem Leben einen Sinn geben.

Das, womit wir unserem Leben einen Sinn geben ist das, - wie man früher sagte - wie man einen gnädigen Gott findet. Aber den findet man nicht, indem man auf seine Werke pocht, sondern das geht anders. Frucht hervorbringen kann ein Mensch dann, wenn er wie so ein kleines Bäumchen verwurzelt ist; wenn er Gott vertraut und in IHM verwurzelt ist. Wenn wir uns von SEINER Liebe bestrahlen lassen, dann leben wir wie die Bäumchen und können Früchte hervorbringen.

Glauben heißt: Sich nicht losgelöst, ohne Zusammenhang, begreifen und zu sagen: Ich mache alles selbst, sondern sich im Zusammenhang begreifen im ganzen Leben wie ein Apfelbaum, der in der Sonne erblüht, der seine Kraft aus dem Boden zieht und Frucht hervorbringt wie von selbst, während er sich wiegt im sanften Sommerwind.

Merkt ihr? Buße tun und umkehren, das ist nicht eine krampfhafte Anstrengung, nicht eine schwere Arbeit von guten Werken, sondern Buße tun ist Umkehr aus einem grauen, tristen Leben zu Gottes Güte und Liebe, Umkehr in ein Leben aus Gnade und Vertrauen zu Gott.

Jesus liebt uns Menschen. Auch, wenn wir aus krummen Hölzern gemacht sind, hält er uns für gute Bäume, die durchaus in der Lage sind, Früchte hervorzubringen, wenn sie sich Gottes Güte aussetzen. Jesus glaubt, dass es gehen kann mit uns, wenn wir die Strahlen seiner Liebe aufnehmen und in Gott fest verwurzelt sind. Jesus hat wie der gute Gärtner für uns den harten Boden des Gesetzes gelockert. ER nährt und pflegt uns mit seinem Wort und mit seinem Geist, wir müssen uns nur seiner Pflege und seiner Nahrung anvertrauen, dann kommt die Frucht wie von selbst. Er braucht nur ein Wort zu sprechen, und unsere Seele wird gesund. Aber wir müssen’s annehmen in unserem Leben. Buße tun ist die Umkehr in ein neues, reiches Leben.

Merkt ihr? Es sind nicht neue Lasten, die auf uns zukommen, es ist nicht etwas Mühsames, was ihr nun zu dem Vielen, was ihr ohnehin zu tun habt, noch extra machen müsst. Sondern ihr sollt durchlässig werden. Nicht mehr aus eigener Kraft sollt ihr leben und Werke tun und immer Sinn schaffen. Sondern ihr seid da, ihr sollt euch Gottes Liebe aussetzen und IHM vertrauen und IHM gehorsam sein. Das bringt uns die Befreiung von uns selbst. Dann ist das Leben einem Tanz vergleichbar, der nach Gottes Melodie geht.

Ihr wisst ja, dass wir bei Dingen, die wir ganz von innen heraus tun, große Anstrengungen unternehmen und ertragen können, ohne, dass wir das Gefühl haben, es sei furchtbar mühsam. Und dass wir umgekehrt bei kleinen Anstrengungen, die wir gezwungen und gequält tun, schon nach der ersten Viertelstunde eine Pause brauchen und eine Belohnung.

Wie das Umkehren im Einzelnen geschehen kann und wie es für dich selbst aussieht, das wirst du im Gebet und in der Gemeinschaft mit anderen Christen herausfinden können. Das Ziel der Erlösung ist aber, dass jeder von sich selbst frei wird und dass wir Christus über uns verfügen lassen. Einen schlechten Baum erkennt man im Grunde daran, dass er sich dagegen sperrt, dass die Säfte aus dem Boden in ihm aufsteigen. Er sperrt sich dagegen, dass das Licht durch die Blätter aufgenommen wird. Er sperrt sich nach allen Seiten, weil er sich selbst behaupten will.

Jesus sagt: Seid wie ein guter Baum, lasst euch durchströmen, dann bringt ihr Früchte hervor von ganz allein. Nur ein guter Baum kann gute Früchte bringen. Deswegen müssen wir erst gut werden. Wir können uns nicht anstrengen und sagen: Wir müssen jetzt gute Werke tun, sondern wir müssen gute Bäume werden. Wir müssen durchlässig werden, dann kommen die guten Taten wie von selbst. Man kann sich zu guten Taten nicht entschließen. Christus muss sie tun durch uns, indem er gleichsam unser Ich auswechselt, indem Christus in uns ist und unser Leben führt und über uns verfügt.

Es könnte sein, wenn du Buße tust, dass du viel weniger tun musst als das, was du jetzt manchmal gehetzt und geplagt unternimmst. Es könnte bei dem anderen sein, dass er anderes oder mehr tut. Buße kann auch bewirken, dass ein Mensch erst mal weniger tut und mehr betet und nachdenkt, dass er langsamer wird und tiefer; je nachdem wie er bisher gelebt hat.

Und ein Letztes noch: Ich kann keine allgemeine Anweisung geben, weil wir Menschen alle verschieden sind. Das ist das Phantastische und Großartige an einer Gemeinde, dass wir in so einer Gemeinde ganz viele verschiedene Menschen sind. Wir sind verschiedenen Bäumchen vergleichbar, die in Gottes Garten wachsen. Gott fordert Frucht von uns. Das heißt, durch Gottes Sinn und Geist sollen wir etwas hervorbringen, das dem Reich Gottes dient.

Gott erwartet aber nicht von einem Apfelbaum Pflaumen. Und er erwartet auch nicht von einem Birnbaum Kirschen. Sondern Jesus sagt, es soll ein jeder Baum seine Frucht bringen. Welche Frucht du bringen sollst, das wird sich herausstellen, wenn du Christus über dich verfügen lässt, wenn wir uns von Licht und Kraft und von Nahrung und Wärme durchströmen lassen und uns nicht mehr gegen Gott wehren, wenn wir nicht mehr weglaufen vor IHM, sondern wenn wir umkehren zu IHM in das gute Leben.

AMEN!

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu - Amen!