Predigt vom 28.03.1986 - Pastor Schnabel - Karfreitag - 2. Kor. 5, 19-21
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Der Predigttext, zugleich die Epistel für diesen Karfreitag, steht im 2.Korintherbrief, im 5. Kapitel:
"Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt".
Gott segne an uns dieses Wort! Liebe Gemeinde!
Dadurch, dass Gott uns Menschen frei geschaffen hat, haben wir die Freiheit. Und Freiheit bedeutet; wir können so oder so entscheiden. Freiheit bedeutet eben; du kannst Gutes oder Böses tun. Nur wenn du ein Sklave bist, wenn du keine Freiheit hast, dann kannst du eigentlich weder Gutes, noch Böses tun. Ohne Freiheit wären Menschen wie Maschinen, die eben loslaufen, wenn man sie einschaltet, die aber selbst weder Gutes noch Böses tun. Aber Menschen sind frei, und sie können sich für Gott oder gegen Gott entscheiden.
Die Menschen entscheiden sich erfahrungsgemäß gegen Gott. Sie entscheiden sich gegen ihren Schöpfer, der ihnen die Möglichkeit dazu gab, indem er sie frei schuf, sich auch gegen ihn zu entscheiden. Und so sind wir Menschen Feinde Gottes, indem wir die Freiheit, die Gott uns gegeben hat, zur Selbstherrlichkeit missbrauchen.
Und diese Anwendung der Freiheit, diese verkehrte Anwendung der Freiheit, ist Sünde. Daraus kommt unsere Not, und daraus kommt unser Elend. Obwohl eben auch am Sünder noch die Freiheit erkennbar ist, die Gott ihm gab; denn ein Sklave, oder eine Maschine kann eben auch kein Sünder sein, weil sie nicht frei sind. Aber wir Menschen sind frei, und durch die Freiheit können wir auch Sünder sein.
Dann hat Gott Christus in die Welt geschickt. Und dieser Christus war der Eine, Erste der seine Freiheit dazu benützte, um Gott ganz zu dienen, und um ihm ganz gehorsam zu Sein. Und seitdem haben wir vor Augen und vor Ohren die Versöhnung mit Gott.
Das Wort "versöhnen" kommt in dem Weihnachtslied vor: "Christ ist erschienen, uns zu versühnen, freue, freue, freue dich o Christenheit". Man könnte das auch am Karfreitag singen.
Die Menschen haben geschrien: "An’s Kreuz mit ihm!" An’s Kreuz mit ihm, der unsere menschliche Selbstherrlichkeit in Frage stellt, der die Preise verdirbt. An’s Kreuz mit ihm, damit wir in Ruhe weitermachen können, was wir wollen. Damit wir nicht gestört werden durch das, was Gott von uns will.
Und sie kreuzigten Christus. Und sie mussten am dritten Tage - am Tage der Auferstehung - erleben, dass sie damit die Wahrheit nicht kreuzigen konnten Dass sie das nicht aus der Welt schaffen konnten, was Gott mit Christus in die Welt gebracht hat.
Die Wahrheit ist, dass die Menschen mit Gott versöhnt leben, die ihre Freiheit dazu benutzen, um Gott zu dienen.
Christus schlug im Tod die Brücke hin zu Gott. Und seitdem ist das Kreuz ein Zeichen der Freiheit, die Christus für uns ermöglichte
Wir schaffen das nicht genauso wie Christus, denn wir sind Sünder. Aber Christus ist eben der Grund unserer Hoffnung, denn wir zeigen auf Christus, auch wenn wir es nicht Schaffen, und sagen: Was Christus einmal möglich war, das ist auch künftig als Möglichkeit nicht ausgeschlossen; es kann aus der Geschichte der Menschheit nicht mehr gestrichen werden. Es kann sich wiederholen, was in Christus möglich war. Es kann sich eben dieser gesegnete Gebrauch der Freiheit wiederholen, dass ein Mensch ganz und gar eins sein kann mit Gott, und ihm aus Liebe dient.
Es ist einmal für uns Menschen in Christus wirklich geworden, und darauf gründen wir uns, wenn wir Jesus Christus unseren Herrn nennen. Wer Christus seinen Herrn nennt, der bezeugt, dass er ihm dienen will.
Wir haben das von der Bibel ganz klar vor Augen geführt bekommen, dass es natürlich gute und schlechte Knechte gibt, und faule Knechte, und treue Knechte; aber sie bleiben Knechte. Und wir mögen auch gute oder schlechte oder faule Knechte sein, aber wir sind alle Knechte, die sagen: Christus ist unser Herr. Das steckt in unserer Bekenntnis, und das ist der Grund, auf dem wir leben.
Wer Christus seinen Herrn nennt, der bezeugt, dass er ihm dienen will, dass er seine Freiheit benützen will, ihm zu dienen. Wer Christus als seinen Herrn bekennt, ist eine freie Frau und ein freier Mann, vor allen anderen Herren und Instanzen und Mächten dieser Welt. ER ist frei, weil er dem Höchsten dienst. Und weil er dem Höchsten dient, ist er für einen anderen Dienst, für einen anderen Herren nicht verfügbar. Und aus diesem Dienst kommt ihm die Würde und die Freiheit. Die Freiheit gegenüber der Welt ergibt sich aus dem Bekenntnis zu Jesus Christus. Das haben Christen vor uns immer wieder erlebt und auch bezeugt, dass die Freiheit aus dem Dienst und aus dem Gehorsam kommt.
Es gibt so eine ergreifende Geschichte, wo ein Mensch das bezeugt hat; im alten Preußen. Die Geschichte wird überliefert von dem General Joachim Hans von Zieten. Den hat der preußische König gern eingeladen zu seiner Tafel; er schätzte ihn sehr. Und da saß Zieten dann gewöhnlich an der Seite des Königs. Es war ein Ehrenplatz. Und einmal, das sind vielleicht 250 Jahre her, an diesem Tag, wie heute, wurde Zieten am Karfreitag zur Tafel des Königs geladen. Der alte General ging aber an diesem Tag zum Heiligen Abendmahl, und darum schlug er die Einladung des preußischen Königs aus und ließ sich entschuldigen mit dem Hinweis, er ginge zum Abendmahl.
Am Sonntag danach lud der König wieder ein. Und bei der Tafel fragte er laut und vernehmlich den General: Nun, Zieten, wie ist ihm denn das Abendmahl am Karfreitag bekommen? Hat er den Leib und das Blut Christi denn auch ordentlich verdaut? Alles lachte; nur Zieten nicht. Er stand auf, trat vor den König, machte eine Verbeugung und sagte mit fester Stimme: Eure königliche Majestät wissen, dass ich im Kriege keine Gefahr gescheut habe. Wo es darauf ankam, wagte ich mein Leben für König und Vaterland. Und solch ein Herz habe ich noch immer. Und wenn mein König befiehlt, so lege ich mein graues Haupt zu seinen Füßen. Aber es gibt Einen, der über uns ist, der ist mehr als alle Menschen, und mehr als eure königliche Hoheit. Das ist der Heiland der ganzen Welt, und den lasse ich nicht antasten noch verhöhnen, denn auf ihm beruht mein Glaube, mein Trost und meine Hoffnung, im Leben wie im Sterben. Untergraben eure Majestät diesen Glauben, dann untergraben sie das Wohl unseres Vaterlandes. Das ist gewisslich, halten zu Gnaden!
Die ganze Gesellschaft war bestürzt, dass Zieten dem König so widersprach. Es war einen Augenblick stille, so wird überliefert. Friedrich der Große war sichtlich ergriffen von diesem Bekenntnis seines Generals. Er stand auf, Zieten stand noch vor ihm, da reichte der König ihm die Hand, legte seine Linke auf Zietens Schulter und sagte bewegt: "Glücklicher Zieten, ich habe allen Respekt vor seinem Glauben; halte er ihn fest, es soll nie wieder vorkommen!"
Das ist so ein Beispiel. Dieser General Zieten, der ist seinem König zum Botschafter an Christi Statt geworden; zum Botschafter der Versöhnung. Und der König hat diese Botschaft gehört; zumindest gehört. Und er sagt: "Glücklicher Zieten, halte er diesen Glauben fest". Und es klingt fast wehmütig, so, als wollte der König sagen: Ich beneide dich um diese Freiheit und um diesen Glauben und diesen festen Grund. Die Geschichte, so wird erzählt, endet damit, dass der König sehr schnell die Tafel aufhebt, die Gäste entlässt. Und er bittet Zieten allein zu sich in sein Arbeitszimmer. Und es wird gesagt, nach drei Stunden seien die beiden wieder herausgekommen. Und was da gesprochen wurde, hat kein anderer je erfahren. Ob der König die Botschaft der Versöhnung mit Gott annahm, das wissen wir nicht. Aber so viel ist klar, und so viel wird in dieser Geschichte bezeugt; dass nur die Freiheit einen festen Grund hat, die aus dem Dienst der Nachfolge Christi kommt.
Seit Christus sich für uns kreuzigen ließ, ist das Kreuz in seiner Schwachheit das Zeichen der Freiheit gegenüber der Welt; das Zeichen der Kraft des Geistes und das Zeichen unserer Versöhnung mit Gott - AMEN!