Predigt 547

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Predigt vom 14.04.1986 - Pastor Schnabel - Spr. 3, 1-8

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. AMEN!

Ihr Lieben!

Manchmal kommen Menschen auf mich zu, die mir sagen, sie könnten mit dem Glauben so wenig anfangen, weil sie nicht religiös begabt seien. Und sie halten dann den Glauben für so eine Begabung, wie man sie vielleicht haben muss, um Klavier zu spielen oder zeichnen zu können.

Das ist nicht der Fall. Glaube ist nicht eine besondere religiöse Begabung. Und was wir aus den Sprüchen der Weisheit aus der Bibel heute noch einmal gehört haben, das ist eine alte Weisheit, die fußt auf jahrtausende alter Lebens- und Gotteserfahrung. Da heißt es: "Hänge Gottes Gebote an deinen Hals, schreibe sie auf die Tafel des Herzens, deines Herzens. Daraus folgt Frieden, Gnade und Treue, Freundlichkeit und Klugheit".

Das kann keiner vorher beweisen. So wie man am Anfang eines Weges nicht schon sagen kann, wie das Ziel aussieht. Man muss es tun. Und wer diesen Weg ein Stück gegangen ist, der kann wohl dem Anderen sagen; auf diesem Weg kommt man ans Ziel! Aber wenn der Andere nicht mitgeht, nützt es nichts.

Du musst in dein Herz Gottes Wort einprägen lassen.

Und da sind wir manchmal voreilig, das ist manchmal eine altertümliche Sprache, da sind merkwürdige Bilder drin, die man nicht gleich verstehen kann. Und dann legen wir allzu leicht Gottes Wort beiseite.

Die Bibel spricht von der Tafel des Herzens wie von einer Wachstafel, auf die man etwas einprägen kann.

Wenn man nach Köln, ins germanische Museum kommt, in’s germanisch-römische, da liegen solche Notizbücher, die haben ein kleines Holzrähmchenteil, und da drinnen eine Wachstafel, und da kann man mit so einem Griffel Notizen einprägen in das Wachs. Daher kommt unser Wort; das prägt sich ein.

Nun ist es nicht so, dass man sagen könnte, also ich präge mir’s in’s Herz ein oder ich präge es mir nicht ein; denn ständig prägen sich Dinge in unser Herz ein.

Je nachdem, womit wir uns umgeben. Je nachdem, womit wir uns umgeben, welchen Melodien, welchen Worten wir uns aussetzen, welcher Geselligkeit; damit wird immer auch unser Herz geprägt. Und was unser Herz prägt, das ist dann geistig gegenwärtig in uns. Alles, was du im Laufe eines Tages aufnimmst, ist dir irgendwo geistig gegenwärtig. Und wenn du nicht aufpasst, dann wird dein armes Herz - ich nehme das Herz jetzt symbolisch als Sitz deines Inneren - wenn du nicht aufpasst, dann wird dein armes Herz vollgestopft mit lauter Kram, der dir bewusst oder unbewusst immer durch den Sinn geht. Und daher kommen ja unsere Träume, die müssen dieses Kauderwelsch dann manchmal verarbeiten und zusammenreimen. Ich finde es merkwürdig, dass wir von klein an lernen, wie man den Körper rein hält, wie man Zähne putzt, wie man sich ordentlich kleidet. Wie man eine äußere Lebensform hat, um Krankheiten und Gefahr fern zu halten. Dass wir aber vergleichsweise wenig lernen, wie wir unsere Seele nähren und pflegen. Es bleibt nämlich nicht ohne Folgen, wem wir unser Herz aussetzen. Und wie gesagt; es strömt immer etwas auf uns ein.

Wozu ist die Kirche da? Manche törichten Menschen, die zählen dann auf: Die Kirche hat Krankenhäuser und Schulen und Kindergärten und tut viel für alte und junge Menschen. Und das ist auch sehr schön, und das ist auch ganz wichtig, weil das aus dem Geiste Christi herausfließen soll. Aber vor allem und zuerst ist die Kirche dazu da, dass wir Gottes Wort in Jesus Christus hören, dass wir’s vorlesen. Dass wir beten und singen und dass wir’s bedenken. Ob wir das gleich verstehen, ob uns das vertraut ist, ist gar nicht so wichtig. Es wäre eher merkwürdig, wenn wir es gleich verstehen würden. Denn die geistige Gestalt, in der wir sonst leben, die ist ja ganz anders. Dazu ist vor allem die Kirche und der Gottesdienst da, dass wir uns regelmäßig versammeln hier in der Gemeinde, im Gottesdienst. Und auch wenn du -.vielleicht mal mürrisch aus einem Gottesdienst raus gehst, und dich geärgert hast über den Pastor, oder einen Kirchenvorsteher, oder über die schräge Musik oder sonstwas, auch dann bleibt es nicht ohne Folgen.

Wenn du dich regelmäßig dem Wort Gottes aussetzt, dann ist Christus in deinem Leben geistig gegenwärtig. Du musst gar nicht unter dem Zwang stehen, dass du hierherkommst, und nur hierherkommen kannst, weil du nun vollkommen glauben kannst. Wir haben alle Zweifel. Aber dass du da bist und es auf dich wirken lässt, das ist wie ein Samenkorn, was dir ins Herz gegeben wird und was aufgeht.

Das kennen wir doch - wie wir aufgewachsen sind - wir haben als kleine Kinder Erfahrungen gemacht, Geschichten gehört, die uns viel später als ein Licht aufgegangen sind, da haben wir gesagt; aha, so hängt das zusammen!

Tust du das nicht, hast du nicht so einen Ort, wo du Gottes Wort hörst, dann wird sich eben anderes in dein Herz einprägen und du wirst leicht dein Herz voll Gerümpel haben. Und am Ende weißt du gar nicht mehr, wohin du gehörst im Leben wie im Sterben, und dann tapst du herum. Und ein Mensch, der nicht mehr weiß, wo seine Seele und sein Herz zu Hause ist, der ist arm dran.

Ich höre ja oft diese Auslegung, dass die Zeit nicht reicht für den Gottesdienst. Und das ärgert mich immer. Es ärgert mich nicht, wenn jemand sagt: Hör zu, es langweilt mich, es ist mir unwichtig und deswegen komme ich nicht. Das ist echt, da kann man schon etwas mit anfangen. 168 Stunden hat die Woche, und da hat jeder zwei Stunden Zeit, im Gottesdienst sein Herz zu öffnen und zu hören. Es mag mal in einem Gottesdienst was für dich dabei sein, es mag auch mal was nicht dabei sein.

Das macht nichts; geh hin!

Der Tag hat 1440 Minuten, mir kann keiner sagen, dass ihm nicht 10 Minuten zum Beten bleiben. Und Beten, das kann etwas Formuliertes sein, ein Gesangbuchvers, den ihr alle gelernt habt, speziell im Zusammenhang mit eurem Segensspruch. Das kann ein Vaterunser sein, das kann Luthers Morgen- oder Abendsegen sein. Das kann auch ein freies Gebet sein. Das kann auch nur ein Minimum sein, dass du an Gott denkst, an den Ursprung und das Ziel deines Lebens. Ich weiß, dass das Überwindung kostet, sonntags aufzustehen und zum Gottesdienst zu gehen. Täglich einmal beten ist auch nicht so einfach; da muss man innehalten.

Aber glaubt mir; das ist es, wovon die Seele lebt, und dadurch prägt sieh Gottes Wort in unsere Herzen ein, dadurch ist Christus geistig gegenwärtig.

Geistig gegenwärtig, das ist nichts Magisches, Beschwörerisches, sondern ist das, was uns im Herzen und im Sinn aufgeht, wenn wir z.B. so eine Geschichte vom barmherzigen Samariter oder vom verlorenen Sohn hören. Diese Texte wiederholen sich, ich habe sie schon oft gehört, als kleines Kind, und jetzt. Jedes Jahr an einem Sonntag kommt das wieder in einem Evangelium. Und jedesmal geht dir wieder Neues auf, und jedesmal wird deine Seele erhellt und dein Herz mit Gutem genährt.

Wir haben hier eine kleine Gemeinde, in der Menschen leben, die sich Gottes Wort einprägen lassen. Die sind nicht vollkommen, das behaupten sie auch nicht. Aber sie bekennen indem sie hierher kommen, dass sie davon leben. Und wer es versuchen will, dem kann ich ein Rezept geben, das geht ganz einfach: Wer sich vornimmt, auch nur zehnmal regelmäßig zum Gottesdienst zu gehen, der wird erfahren, welche segensreiche Wirkung das für sein Herz und sein Gemüt hat. Er braucht sich gar nicht groß zu engagieren, er soll nur herkommen und mit dem Herzen dabei sein.

Der Gottesdienst ist unsere Mitte. Und indem wir Gottes Wort gemeinsam hören, breitet sich über uns soetwas wie eine gemeinsame Gültigkeit, die uns verbindet. Man nennt es mit einem modernen Wort auch den Konsens.

Menschen neigen dazu, immer das Gericht anzurufen und zu streiten. Das nimmt zu. Und das nimmt zu, weil uns der Konsens fehlt. Weil wir uns eben nicht mehr als Brüder und Schwestern begreifen. Und wir können es auch nicht von uns aus, denn das muss uns zugesprochen werden. Wir haben gestern das Wort gehört im Evangelium von breiten und von schmalen Wegen.

Jesus will, dass wir den schmalen Weg gehen, der bergauf geht; hinauf. Zu den kleinen Steinchen, die auf diesem Weg liegen, gehört, dass man sich aufmacht, dass man sich die zwei Stunden Zeit nimmt, um Gottes Wort zu hören. Denn dieser Weg beginnt mit dem Hören auf’s Wort.

Ich kann euch sagen; ich verstehe auch nicht jedes Bibelwort. Und es gibt Gottesdienste, die mich manchmal nicht ergreifen. Oder welche, die mich manchmal später erst ergreifen. Aber die gemeinsamen Wiederholungen und das Einprägen, das erfüllt mein Herz. Und das Merkwürdige ist, dass es mir gut tut, wenn mir jemand Wahrheiten zuspricht auch wenn ich sie selbst weiß. Dass mir jemand Geschichten aus der Bibel vorliest, das ist kostbar für mich. Schon, dass wir uns hier versammelt haben, aus dem freien Entschluss unseres Herzens, das ist ja Schon so ein Anfang von einem gemeinsamen Bekenntnis, zu einer gemeinsamen Mitte. Wir müssen gar nicht die besten Freunde sein, das geht gar nicht in einer Gemeinde. Aber wenn wir auf Gottes Wort hören, dann merken wir, dass das durch seine Gültigkeit über uns alle eine umgreifende Gemeinschaft schafft, die eben wesentlich größer ist, als unsere momentane Sympathie oder Antipathie, die ja doch von unseren Launen abhängt. Hier zusammen zu kommen ist ganz wichtig, weil das auch ein gemeinsames Bekenntnis zum Ausdruck bringt. Und das viel gehörte Argument, ich kann auch alleine zu Hause Christ sein, das stimmt eben nicht, ‘weil man eben nicht so viel Disziplin hat und regelmäßig Gottes Wort hört. Und weil man sonst immer nur aus dem eigenen Blickwinkel sieht, und nicht im Zusammensein mit anderen.

Der gemeinsame Gottesdienst ist unersetzlich. Es ist so, wie wenn du ein Holzkohlefeuer machst und die Glut im Inneren der Holzkohle brennt, aber wenn du diese Stücke auseinanderziehst, dann erlischt die Glut. Die Holzkohlenstücke müssen zusammenbleiben, damit sie brennen können, und damit sie glühen können. Das ist ein Gleichnis für den Gottesdienst.

Wenn wir heute zusammenkommen zum Heiligen Abendmahl, dann bekennen wir uns dazu, dass Jesu Geist über unserem Leben gilt. Das geschieht ohne Worte, da stellen wir uns dazu und sind dabei und in Jesu Namen eins. Wir essen von dem gleichen Brot, wir trinken von dem gleichen Kelch, wir haben Teil an dem Einen; Jesus Christus.

Und Sein Leib und Sein Blut in der Gestalt von Brot und Wein, das ist der Ausdruck des Einen, das uns verbindet, worauf wir uns gründen

Wir haben in unserer Kirchengemeinde Gruppen und Kreise, für Jüngere und Ältere. Für manche Geschmacksrichtung ist gar nichts dabei, für manche gibt es da ein gutes Beisammensein. Aber ganz flächendeckend können solche Gruppen nie sein. Das Eine aber, was nicht zu ersetzen ist, ist der gemeinsame Gottesdienst. Und der Gottesdienst ist immer eine Gemeinschaft über Unterschiede hinweg. Ob Alte oder Junge, Reiche oder Arme, Kranke oder Gesunde, Schwache oder Starke; es ist unser gemeinsamer Gottesdienst.

Ihr wisst das ja im Leben, es gibt andere Gemeinschaften, da kannst du z.B. nur solange dazugehören, solange du Geld hast, oder solange du in einer bestimmten Sache aktiv bist. Bist du nicht mehr aktiv, oder hast du kein Geld mehr, dann fällst du aus dieser Gemeinschaft heraus. Ich kannte mal einen Fabrikanten, der war im Porscheclub. Dann machte er pleite, konnte sich keinen Porsche mehr leisten; von Stund an war er nicht mehr im Porscheclub. Das ist ihm sehr an die Nieren gegangen.

Aber eine Kirchengemeinde ist etwas anderes. Dazu gehörst du in guten wie in bösen Tagen. Dazu gehörst du, wenn du Erfolg hast, oder wenn du Misserfolg hast. Dort versammelst du dich mit den Brüdern und Schwestern über alle Unterschiede hinweg.

Vom Gottesdienst geht die gemeinsame Kraft aus. Darin ist Christus gegenwärtig. Und wer sein Herz durch die Geschichten von, mit und über Jesus, immer wieder prägen lässt, wer seine Seele in der Gemeinschaft der Christen durch Wort und Sakrament immer wieder aufladen lässt, wie eine Batterie, die ihre Kraft im Laufe der Woche abgibt, den wird die Gnade und Treue Gottes nicht verlassen.

Du kannst das erleben, wenn du zur Versammlung im Gottesdienst kommst. Bei uns wird das darin deutlich, dass ein Kirchenvorsteher die Begrüßung spricht. Dass ein Kirchenvorsteher die Lesung macht, Dass jemand musiziert. Dass jemand das Geld sammelt und zählt. Dass ein Anderer die Kerzen anzündet. Daraus wird deutlich; das ist nicht des Pastors Gottesdienst, sondern das ist unser gemeinsamer Gottesdienst.

Hört noch einmal, was diese lehrreichen Worte der Weisheit sagen:

"Mein Sohn und meine Tochter, vergiss meine Weisung nicht, und dein Herz behalte meine Gebote, denn sie werden dir langes Leben bringen und gute Jahre und Frieden; Gnade und Treue sollen dich nicht verlassen. Hänge Gottes Gebote an deinen Hals und schreibe sie auf die Tafel deines Herzens, so wirst du Freundlichkeit und Klugheit erlangen, die Gott und den Menschen gefallen.

Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand, sondern gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen. Dünke dich nicht weise zu sein, Sondern fürchte den Herrn und weiche vom Bösen. Das wird deinem Leib heilsam sein und deine Gebeine erquicken".

Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!