Predigt vom 04.05.1986 - Pastor Schnabel - Rogate vor der K.freizeit - Eph. 3, 17-21
Liebe Gemeinde!
Wir haben in der Epistel gehört, dass der Apostel Paulus für die Gemeinde betet, dass Gott ihr Kraft geben soll, dass die Menschen in der Gemeinde stark werden. Und das geschieht - ein wichtiger Ausdruck in diesem Bibelwort - wenn Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohnt. Wenn sich Menschen in der Liebe Gottes verwurzeln und darauf fest gründen und sich auf nichts anderes verlassen.
Das geht wie ein roter Faden durch die Bibel, da wird immer gesagt; auf dein Herz kommt es an.
Wenn ihr genau darauf geachtet habt; in jedem Lied, in jedem Bibelwort, das wir heute gehört haben, kommt das Herz vor. Jeder von uns hat ein Herz, das jetzt gerade schlägt. Unsere Herzen schlagen manchmal schnell und manchmal langsam. Jedes Herz ist zunächst wie eine Blutpumpe, die im Verborgenen arbeitet. Normalerweise kann man das Herz nicht sehen, aber man kann es fühlen. Und den Herzschlag fühlen wir ja auch im Puls. Große Freude, ein schöner Anblick, können unsere Herzen schneller schlagen lassen. Und Traurigkeit und Bosheit können unseren Herzen ein Herzeleid zufügen. Wenn wir vom Herzen reden, dann meinen wir in unserer Sprache aber viel mehr als diese beiden Muskelkammern, die wir in der Brust tragen.
In der Bibel steht ein Wort: "Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an." Und mit dem Herzen ist eben sehr viel gemeint.
Ihr seht, hier auf dem Altar liegen viele rote Herzen. Sie sehen von außen alle gleich aus. Die meisten unserer Herzen - wenn wir sie sehen könnten - sähen wohl auch gleich aus. Aber - das ist jetzt wie ein Spiel - in diese Herzen kann man hineinschauen.
Wenn wir zum Beispiel dieses Herz aufmachen. Dieses Herz ist kalt. Ein kaltes Herz, wisst ihr wie sich das anfühlt? (Das hat im Gefrierschrank gelegen.) Wir wissen natürlich, dass ein kaltes Herz etwas Schreckliches ist. Aber ihr seht, so ein kaltes Herz kann man auftauen, es kann wieder lebendig werden. Es ist eine große Gabe, wenn man das kalte Herz eines Menschen auftauen kann.
Hier ist noch ein Herz, das ist ein Herz aus Stein. Es ist hart. Ein harten, steinernes Herz.
Dies ist ein anderes Herz, da hat jemand die zehn Gebote auf die Tafel seines Herzens geschrieben. Das ist natürlich gut, wenn man die Gebote auf die Tafel seines Herzens geschrieben hat. Die Engländer sagen ein gutes Wort für’s Auswendiglernen. Sie sagen, wenn du es auswendig kannst: "You know it by heart."
Dies ist ein kaputtes Herz, das ist zerbrochen. Ich nehme an, dass die meisten von euch sich vorstellen können, wie sich das anfühlt; ein kaputtes Herz.
Dies ist ein finsteres Herz. Das kennen einige von euch schon, das ist elektrifiziert. Aber es ist ein schönes Symbol, dass beim Menschen auch der Geist Gottes wie Helligkeit im Herzen strahlen kann. Die Bibel sagt: "Gott hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben." Leider kann man das beim Menschen nicht so machen, dass man einfach auf ein Druckknöpfchen drückt.
Hier ist ein Herz, da sind lauter Stöcke drin. Unsere Sprache nennt es ein verstocktes Herz. Und wisst ihr, wie das ist, wenn man Stöcke in den Eingang stellt? Dann will man damit zeigen; hier soll keiner rein. Dieser Eingang ist verstockt, und daher kommt der Ausdruck; der hat ein verstocktes Herz, Da kann keiner rein, das ist verstockt, ein Herz, das sich wehrt gegen Besuch von außen.
Das ist ein Herz, da ist lauter Ramsch drin. Wisst ihr, wie wichtig das ist, wenn man einen Menschen braucht, dem man sein Herz ausschütten kann? Wenn man mit einem klappernden Herzen rumläuft, das bei jedem Schritt weh tut? Wie gut das ist, wenn man jemanden hat, dem man sein Herz ausschütten kann. Und dann ist es wieder leer, und dann ist es frei für eine neue Füllung, damit etwas Gutes hineinkommt.
Dies ist ein weiches Herz. Ein weiches Herz ist gut, schafft auch manchmal Probleme.
Das ist ein Herz, was in einem Weihnachtslied vorkommt. Schaut mal, dieses Herz hat eine kleine Tür. Kennt ihr das Weihnachtslied: "Komm oh mein Heiland, Jesus Christ, mein’s Herzens Tür dir offen ist." Also ihr merkt, es gibt Gegensätze; das ist genau das Gegenteil von einem verstockten Herzen, das ist ein offenes Herz - mein’s Herzens Tür dir offen ist - da ist das Herz wie eine Wohnung. Mit Kindern beten wir manchmal: "Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen, als Jesus allein." Das ist ein offenes Herz.
Und dies ist ein halbes Herz. Wisst ihr wie das ist, wenn jemand etwas halbherzig tut? Das taugt nichts! Wenn jemand nur mit dem halben Herzen dabei ist, das ist nichts. Halbherzig ist ein Mensch, wenn er nicht mit dem ganzen Herzen dabei ist.
Die anderen Herzen lassen wir lieber zu.
Das, was ich euch gezeigt habe, das sind ja Gegenstände. Und trotzdem habt ihr alle soviel Erfahrung, dass ihr mit jedem dieser Gegenstände eine innere Erfahrung verbinden könnt. Ihr wisst ja, wie sich das anfühlt, wenn ein Mensch ein hartes Herz hat oder ein weiches, oder ein kaltes, oder ein verstocktes. In der Bibel kommt über hundertmal das Wort Herz vor. Ein Menschenherz kann fest sein, oder finster, oder verhärtet, oder zerbrochen, oder voll, oder weise, oder verständig, oder rein. Herzen können aus Stein Sein, obwohl sie natürlich in der Brust eines Menschen schlagen. Böse Herzen, in denen die Rache wütet, die können sein wie ein heißer Backofen, sagt die Bibel. Oder ein verzagtes Herz kann Sein wie zerschmolzenes Wachs. Herzen können brennen. Herzen können erschrecken. Herzen können sich freuen. Ein Mensch kann im Herzen singen und spielen. Menschen können wie ein Brief Christi sein. Jeder von euch kann wie ein Brief Jesu Christi sein, der auf die Tafel seines Herzens geschrieben ist.
Die Bibel sagt: "Wo euer Schatz ist, da ist euer Herz." Und in Gesangbuchversen - wenn ihr mal nachdenkt - wer vertraut ist mit den Kirchenliedern, der findet ganz viele Stellen, wo immer vom Herzen die Rede ist. Und endlich gibt es auch viele Sprichwörter: "Ich habe etwas auf dem Herzen." "Wir sind ein Herz und eine Seele." "Ich möchte dir mein Herz ausschütten." "Mir fällt ein Stein vom Herzen." "Ich bringe es nicht über das Herz."
"Sag mir, wie dir’s ums Harz bestellt ist." "Du hast kein Herz." "Fass dir ein Herz." Oder; "das geht mir zu Herzen."
Ihr habt diese Bildreden alle verstanden, weil ihr ein Herz habt, das fühlt. Und wenn die Bibel vom Herzen redet, dann ist das ein großer Begriff, der meines Erachtens viel besser ist, als all die kleinen, zerlegenden Begriffe, die wir sonst manchmal im Leben benützen. Die Bibel redet vom Herzen wie von dem Wesen eines Menschen, von seinem ganzen Ich. Das wird nicht zersplittert in sein Ich und sein Es und in sein Überich. Sondern das Herz eines Menschen bezeichnet das ganze Wesen. Wenn Christus in unserem Herzen wohnt, dann ist der ganze Mensch fröhlich und rein und fest.
Das haben wir im Evangelium gehört in dieser Seligpreisung: "Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen."
Nun denkt; ein reines Herz-(seid ihr noch mit dem Herzen dabei?)ein reines Herz heißt nicht, dass ein Mensch makellos sein muss, vollkommen oder fehlerlos. Sondern ein reines Herz ist aufrichtig, ist auf Gott gerichtet, hat seine Tür weit geöffnet, auf das Ziel des Rechten. Ein reines Herz ist ein Herz ohne Lüge und Betrug. Ein reines Herz kann die Verfehlung, die Sünde bekennen, und das macht das reine Herz auch fest. Ein reines Herz strebt nicht nach Macht und nach Geltung und nach Gewinn. Jesus sagt: "Ein reines Herz wird Gott schauen."
Und je mehr du Gott suchst, desto mehr wirst du ihn schauen. Und was in der Welt eine Nebensache ist, das wird dir zur Hauptsache.
Wir haben vor, in den nächsten fünf Tagen diesen Worten vom Herzen auf den Grund zu gehen in einer ersten Stufe, und dann zu überlegen, wie das Herz anderer Menschen so bestellt ist, wenn man sie beobachtet. Was man von ihrem Reden und Handeln auf ihr Herz Schließen kann. Aber möglichst nicht, um dann anderer Leute Herzen mit Zensuren zu versehen, sondern in einem dritten Schritt zu erkennen; wie ist es um mein Herz bestellt? Habe ich ein finsteres Herz? Oder ein helles Herz? Ist mein Herz verstockt? Ist es manchmal aus Stein gegenüber den Eltern, gegenüber den Freunden? Habe ich ein weiches Herz? Oder ein harten Herz? Was tue ich ganzherzig, was tue ich halbherzig? Dem wollen wir nachgehen. Mit dem Ziel natürlich; dass es gut mit uns wird und dass Gott uns ein festes Herz gebe, und dass unsere Herzen bei Gott vereint werden. Denn all unser Menschsein kippt hintenüber und ist schwach und fehlerhaft, wenn wir Menschen nicht bei Gott unsere gemeinsame Quelle haben, aus der sich unsere Herzen speisen. Das erfüllt unsere Herzen mit Kraft. Und ich weiß, dass viele unserer Konfirmanden insgeheim sehr ernsthaft fragen nach dem Sinn ihres Lebens. Und dass sie manchmal auch keine Lust haben mehr zu leben. Und dass sie in einem Alter sind, wo diese Fragen noch ganz echt gestellt werden, die wir Erwachsenen zum Teil schon zu den Akten gelegt haben, weil wir gesagt haben: Findet man sowieso keine Antwort, lass uns das Nächstliegende tägliche tun.
Ich möchte so gern, dass unsere Kinder Menschen werden, mit einem festen, reinen Herzen. Menschen, die sich nicht ständig über die Schulter gucken und die sich nicht den Sinn ihres Lebens ständig durch Leistung schaffen müssen, sondern die begreifen; wir sind Geschöpfe, wir sind Kinder Gottes.
Und je früher wir das mit dem Herzen begreifen, und mit dem ganzen Herzen aus dieser Liebe Gottes leben, desto früher werden wir freie Menschen, die von sich selbst befreit sind, und die auch eine Freude und ein Segen für andere Menschen werden. AMEN!