Predigt 554

Zurück

Predigt vom 02.07.1986 - Ferienanfang - 5. Mos. 8, 10-18

Hört den Predigttext aus dem 5. Buch Mose aus dem 8. Kapitel:

Wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen. Sondern gedenke an den Herrn, deinen Gott; denn er ist’s, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen, auf dass er hielte seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hat, so wie es heute ist.

Gott segne an uns dieses Wort.

Liebe Gemeinde! Vorgestern Mittag, 12 Uhr, als unsere Glocke gerade anfing zu läuten, stand ich da unten auf der Dorfstraße und sprach mit einer Frau. Die wunderte sich, dass die Glocke läuten würde, ohne, dass ich zu Hause bin. Sie hat gedacht, dass ich hier immer an einem Strick ziehe und läute. Wir kamen ins Gespräch und sie fragte, wieso eigentlich so eine Glocke jeden Tag läuten würde.

Da habe ich gesagt: Die Glocke läutet täglich, damit wir jeden Tag mindestens einmal an Gott denken. Und wo immer man ist, von ferne hört man überall eine Glocke läuten.

Und dann fing sie an: Ja, Herr Pastor, die Leute denken ja nicht mehr genug an Gott. So in dem Tonfall: "Wir beide sind ja in Ordnung, aber die anderen..."

Da habe ich ihr aber gesagt: Am besten fangen wir beide bei uns selbst an.

Die Glocke erinnert uns daran, dass wir täglich an Gott denken. Denn wenn wir an Gott denken, begreifen wir auch, dass wir Menschen sind.

Das tut uns gut. Auf unserer Glocke da oben steht - in Bronze gegossen: "Wachet und betet, fürchtet euch nicht".

Das sind Verheißungen von Jesus Christus, die gelten! Wachet und betet, fürchtet euch nicht!

Nun weiß ich ja, dass leider viele Menschen in ihrem Inneren stöhnen, wenn sie davon hören: Du sollst beten, du sollst singen, du sollst Gottes Wort hören.

Das fällt auf sie, wie eine Last, wie eine zusätzliche Arbeit. Ich habe so viel zu tun, nun soll ich auch noch singen und beten.

Und viel zu oft höre ich das Argument: Wir können nicht in die Kirche gehen, wir haben zu viel zu tun.

Und dann soll ich Verständnis dafür zeigen. Da wird mir das große

Haus und der große Garten gezeigt. Und dann soll ich bewundern, wieviel Arbeit das ist. Und dann soll ich womöglich sagen: Ja Sie Armer, sie haben so viel mit ihrem Besitz zu tun, sie können sich wahrlich nicht um ihre Seele kümmern.

Aber selbst wenn ich das - bequemlichkeitshalber - sagen wollte, ich dürfte es nicht, von Jesus Christus her und auch im Interesse der Menschen. Denn man würde ihnen nichts Gutes tun.

Im Gegenteil - ich bin dazu da, Kraft dieses Amtes zu sagen: Leute! Alle Sachzwänge, die uns vom Gottesdienst fern halten, die haben wir selbst gemacht!

Auch unsere Konfirmanden haben ja immer so viel zu tun mit Schule, mit Sport, mit Training, dass sie oft keine Zeit haben für Gott.

Aber wenn man für Gott keine Zeit hat, dann heißt das, man hat für seine eigene Seele keine Zeit. Und die Seele verkümmert. Die kann genauso krank werden wie der Leib.

Letztes Jahr nach dem Urlaub hat mir jemand etwas merkwürdiges erzählt. Jemand, der vor lauter Arbeit nie zum Gottesdienst kommt. Dieser Mensch gerät zufällig im Urlaub in ein Dorf und wohnt auf einem Bauernhof, und lernt da eine Bauernfamilie kennen. Einen Mann mit seiner Frau, die sehr viel arbeiten. Und der Gast staunt, dass sie regelmäßig zum Gottesdienst gehen, und in der Woche manchmal noch zu einer Abendandacht. Sie werden trotzdem fertig mit ihrer Arbeit.

Als er sie fragt: Wie finden Sie eigentlich noch Zeit zum Gottesdienst? Antworten sie ihm: Wissen Sie, das ist umgekehrt, ohne den Gottesdienst würden wir die Arbeit gar nicht schaffen.

Wenn du einmal weißt, wie gut es tut, im Stress einmal stehen zu bleiben, so wie jetzt. Zu singen und zu beten und Gottes Wort zu hören, dann siehst du hinterher deine Arbeit mit anderen Augen, nämlich im Lichte Gottes. Dann wirst du jeden Gottesdienst eher als Privileg empfinden. Als eine Stärkung, als ein Geschenk.

Es gibt Menschen in anderen Ländern, die werden verfolgt, wenn sie zum Gottesdienst gehen. Sie haben einen Hunger nach Gottes Wort.

Wenn du das mal selbst erlebt hast, da wird es dich hinziehen, weil es dir gut tut. Weil es dir eine Stärkung für die Seele ist wie Essen und Trinken für den Leib.

Es muss uns allen zu denken geben, wenn wir mal an die Männer und Frauen denken, die in unserer Kirche berühmt sind, wie Franz von Assisi oder die heilige Elisabeth von Thüringen, oder Martin Luther, oder Dietrich Bonhoeffer, oder Mutter Theresa. Sie stellen uns mit dem Arbeiten alle in den Schatten. Bei ihnen können wir entdecken, dass ihre Kraft zur Arbeit gerade aus Lied und Gebet, und aus dem

Hören von Gottes Wort kommt. Diese Menschen hatten immer Zeit für Gottes Wort, und das hat ihnen Kraft gegeben.

Die Bibel in unserem Predigttext, erinnert uns eindringlich daran, dass wir Gott loben sollen und ihm danken sollen. Und die Bibel sagt auch ganz nüchtern: Gott braucht nicht euer Lob und euren Dank, sondern du, Mensch, brauchst das Loben und das Danken für dich selbst.

Ein Mensch, der Gott nicht lobt und ihn nicht dankt, der lügt sich selbst nämlich leicht in die Tasche, er hätte alles selbst geleistet, es wäre seine Kraft, es wäre seine Tüchtigkeit und Stärke.

So spricht der Sünder zu sich selbst. Der Sünder ist eigentlich ein notorischer Self-made-man. Er lebt in dem Irrtum, allein, selbst, ohne Gott könnte er sein Leben meistern und alles schaffen.

Eine Zeit lang mag es gut gehen, aber irgendwann fällt er auf die Nase. Ist der Sünder mit seiner Kraft mal am Ende, dann hat er nichts, was ihn hält, und dann würde er am liebsten sterben, weil er Gottes Kraft nicht kennt.

Die Bibel warnt hier das alte Gottesvolk, das da in einem fetten Land zwischen Olivenhainen und Weinbergen lebt, und sagt: Wenn du gegessen und getrunken hast, und satt bist, dann sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. Und in der Bibel heißt es weiter als Warnung: Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte, meiner Hände Stärke haben diesen Reichtum gewonnen. Und wenn du so sprichst, dann hat dich der Teufel schon beim Schlafittchen gepackt.

Das wäre dann genau der Irrtum, an dem deine Seele zugrunde geht. Aber am Ende sagt die Bibel noch einmal ganz klar, wie es nun wirklich ist; Gott ist es, der dir die Kräfte gibt. Gott hält sein Wort.

Auf ihn allein: sollst du vor allen vertrauen. Und danach leben heißt; glauben! So einfach ist das. Und Glauben haben und im Glauben zu leben, das ist das größte Glück auf Erden.

Wenn wir Gott loben, täglich ihm danken, zu ihm beten, dann sind wir in viererlei Hinsicht gesegnet:

Erstens: Wir sind befreit vom Größenwahn. Wir müssen nicht immer herumrennen, gehetzt, im Stress, und so tun, als ob alles auf unseren kleinen Schultern lastet. Das ist gar nicht so. Wir freuen uns dann über’s Gelingen, über die Gaben, die uns Gott gegeben hat. Wir freuen uns über das, was wir können. Wir freuen uns über gute Zeugnisse - wer sie heute bekommen hat - wir freuen uns über gelungene Arbeit.

Es ist eine Freude, die darum heiter ist, weil an dem Gelingen unserer Taten nicht das Heil hängt. Und das gibt uns die Leichtigkeit und die Heiterkeit, und das Durchatmen.

Zweitens: Wir sind befreit von den Minderwertigkeitskomplexen. Wir ärgern uns natürlich über eine misslungene Arbeit, und über schlechte Zeugnisse.

Und manchmal spüren wir auch schmerzlich, dass andere besser sind als wir, dass die das besser können, und dass wir bestimmte Fähigkeiten nicht haben. Aber auch da sind wir frei im Lichte von Gottes Wahrheit.

Denn daran hängt unser Heil auch nicht.

Wir sind Gottes geliebte Geschöpfe, mit guten und mit schlechten Zensuren. Wir sind seine Kinder, seine Schwestern und Brüder.

Nicht, weil wir viel leisten, sondern einfach, weil Gott uns liebt.

Und darum werfen uns unsere Niederlagen auch nicht zu Boden. Und ich hoffe, ihr Kinder, ihr erlebt in diesen Tagen: auch wenn ihr ein Schlechtes Zeugnis habt, dass eure Eltern euch lieben.

Dass sie maulen, dass sie muffig sind, dass sie sich ärgern und sagen: Ihr hättet euch mehr anstrengen können, das bewirkt nicht, dass ihr aus ihrer Liebe fallt. Das bleibt der Grund im Leben und im Sterben, so wie die Liebe Gottes uns im Leben und im Sterben bleibt.

Drittens: Wenn wir beten und Gott danken, dann erfahren wir zugleich immer wieder, dass wir gar nicht allein sind. Das ist nämlich der große Segen am Gebet - auch wenn ich allein in meiner Kammer sitze - und das Gefühl habe: Es wird alles nicht, es gerät nicht, dann ist doch Gott mein Heil und mein Alles. Und dann begreife ich, dass ich doch geführt werde. Dass ich gar nicht alles am Schnürchen laufen lassen kann, weil ich die Schnürchen gar nicht in der Hand habe, auch auf Wegen durch’s finstere Tal.

Heute Vormittag habe ich die alte Frau [Name] besucht. Die hat heute ihren 87. Geburtstag. Und am Sonnabend will ihr Enkelsohn heiraten. Darauf hat Sie sich gefreut. Und nun ist sie gestern hingefallen und ist schwer krank. Ausnahmsweise durfte sie zu‘’ihrem Geburtstag heute noch aus dem Krankenhaus kommen. Und die rührenden Söhne haben mit Rohrklemmen zwei Sackkarren zusammen geklammert und eine Liege drauf gebaut, haben sie dann raus in den Schatten geschoben und es war Besuch da. Und sie lag da und weiß: Morgen muss sie ins Krankenhaus. Und mit 87 Jahren - sie ist klug genug - um zu wissen, dass das eben auch sehr schlimm ist. Und trotzdem bin ich heute von diesem Besuch sehr beflügelt weggegangen. Es hat mich gerührt, wie sie da mit Heiterkeit lag und sagte: "Ich weiß nicht, was es zu bedeuten hat, aber ich vertraue auf Gott, er führt mich".

Dass die Jungen soetwas auch erleben an dieser Großmutter und Urgroßmutter, das ist auch ein Stück frohe Botschaft, weil da ein Mensch in seinem Leben an der Grenze bezeugt, dass der Glaube eine Kraft ist, eine Kraft, die uns nicht allein sein lässt.

Und viertens: Vertrauen wir allein auf Gott, dann bekommen wir gerade die Kraft zu beständigem Tun. Es ist ein großer Irrtum, zu denken, dass Leute, die beten, passiv sind und nichts tun. Im Gegenteil; die haben einen viel genaueren Blick, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen.

Wie Jesus sagt im Evangelium, das wir heute gehört haben:

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, das große strahlende Ziel. Und wenn ihr dann von diesem weiten Blick wieder auf das Tägliche schaut, da werdet ihr schon von allein sehen: Das ist wichtiger, das ist unwichtiger. Und auch davon sind wir befreit: Von der Besessenheit, wir müssten alles tun, wir müssten alles leisten.

Müssen wir gar nicht. Wir sollen tun, was in unserer Kraft steht und unserem Herrn treu sein.

Es ist ein Glück, einen solchen Herrn zu haben. Gott ist kein Leuteschinder, das hat er uns durch Christus sagen lassen.

Allzu leicht hasten wir im Stress durch das Leben, als wenn der Teufel hinter uns her wäre. Das trifft unsere Sprache ganz genau: "Hinter dem. 35t der Teufel her". Der Teufel ist übrigens tatsächlich hinter uns her. Und solange wir im Stress rennen, hat er leichtes Spiel mit uns. Aber lasst euch das von der Bibel her gesagt sein; er hat nur Macht, wenn ihr Angst vor ihm habt. Er ist eigentlich nur ein großer Papiertiger. Wenn der Teufel mal wieder so richtig hinter dir her ist, da musst du einfach stehen bleiben zum Beten und zum Gottesdienst feiern.

Bleibst du stehen, nimmst du dir Zeit, auf Gottes Wort zu hören, dann gibt es so eine Art Auffahrunfall für den Teufel. Und er liegt dann vor dir jämmerlich auf der Nase, und wir lachen über den armen Stressteufel, der da hilflos versucht mit gefletschten Zähnen schrecklich auszusehen. Aber du kannst deinen Fuß auf ihn setzen, und er kann dich nicht mehr zum gehetzten Wettlauf zwingen. Er schreckt uns dann nicht mehr.

Wer weiß, dass er zu Gott gehört, dem kann der Teufel nichts mehr anhaben, nicht im Leben und nicht im Sterben.

Und darum wollen wir täglich an Gott denken, singen und beten und seinem Wort trauen, weil es gut für uns ist.

Gott braucht uns nicht - wir brauchen ihn.

Wisst ihr, das ist so, wie wenn ein Kind durch eine fremde Stadt gehen soll, zum anderen Ende, wo Vater und Mutter wohnen. Es sagt sich die Adresse immer wieder vor sich hin, damit es die Adresse ja nicht vergisst, damit es immer weiß: Da ist mein Ziel -da gehöre ich hin. Und so ein Kind, das durch eine fremde Stadt irrt, das aber weiß, wo die Adresse ist, das kann nicht verloren gehen.

Wir sind unterwegs zu Gott, und wenn wir Gottes Wort hören, dann vergegenwärtigen wir uns immer wieder die Adresse, wo wir hingehören, dass wir ja gar nicht dazu bestimmt sind, verschlissen zu werden, sondern dass wir aus Gottes Gnade leben.

Vergesst das nie und denkt täglich daran, in eurem Interesse. Wenn du die Glocke läuten hörst oder eine Kirche siehst.

Die Konfirmanden haben über die Ferien eine Aufgabe bekommen, und die möchte ich auch den Erwachsenen geben.

Bringt bitte alle aus dem Urlaub eine Postkarte mit, auf der eine Kirche abgebildet ist, von innen oder von außen. Das kann eine Kirche aus Amelinghausen in Niedersachsen sein, das kann auch eine Kirche aus Amarillo in Texas sein. Wir können ja mal in einem Gottesdienst, nach den großen Ferien, die Postkarten alle an die Wand heften. Vielleicht habt ihr dann Mut, zu sagen: In dieser Kirche bin ich gewesen, oder in jener Kirche, da war ich nicht zum. Gottesdienst, weil ich nicht Schwedisch konnte oder Holländisch. Aber ich habe mir die Kirche angesehen und da war ein Bild, oder eine Figur, die mir gefallen hat. Oder; in dieser Kirche bin ich mal gewesen, da war es ganz still, und da habe ich mich einfach hingesetzt und gebetet, und vielleicht an meine Gemeinde gedacht.

Die Konfirmanden haben das als Aufgabe und ihr Erwachsenen sollt das bitte auch tun.

Und denkt einmal daran im Urlaub nicht nur von zu Hause zu reden. Was ihr für Häuser und für Autos habt. Sondern Menschen, die uns begegnen, die können wir auch auf unseren Glauben ansprechen. Und das geht manchmal im Urlaub viel besser als anderswo, weil wir bei solchen zufälligen Begegnungen viel mehr Freiheit haben, von den kostbaren Dingen des Glaubens zu reden.

Ich bin früher als Schüler viel per Anhalter gefahren, und ich habe noch genau diese Gespräche in Erinnerung. Da hielt jemand an der Autobahnauffahrt an, man setzte sich rein, und beide guckten auf die Straße. Dann kam man ins Gespräch, und der andere wusste; den sehe ich wahrscheinlich nie wieder. Und dann haben wir von uns selbst gesprochen, von unseren Nöten, unseren Freuden, von Gott, von der Kirche. Gespräche, die unter Nachbarn, die sich täglich sehen, vielleicht nicht möglich sind.

Also - ich rechne mit mindestens 100 Karten. Und ich rechne mit mindestens 100 Begegnungen mit anderen Christen in den Ferien. Und ich hoffe, dass vielleicht 20 sich finden, die davon im Gottesdienst erzählen.

Vor allem wollen wir täglich an Gott denken, und beten und ihn loben. Es kann auf ganz verschiedene Weise sein.

Der Philipp hat gestern einem Freund schon mal erzählt: "Mann, mein Vater in den Ferien, der sitzt immer mit seinem Radio herum, und dann hört er immer so Andachten und Gottesdienste".

Vergesst also das Radio nicht, auf Kurzwelle kann man Gottesdienste empfangen, meistens so drei, vier verschiedene, und da kann man auch mitsingen. Und vergesst im Reisegepäck nicht das Gesangbuch oder ein Liederheft. Die Kindergottesdienstkinder haben alle im letzten Gottesdienst so ein Heft mitbekommen, mit Liedern und Gebeten für die Ferien drin - vergesst das nicht.

Daher kommt unsere Kraft - von Gott - und das ist unser Segen, dass wir mit jedem Vaterunser, das wir beten, beglückt werden mit der Erinnerung daran: "Dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit in Ewigkeit". AMEN!