Predigt vom 02.05.1987 - Pastor Schnabel - Beichtgottesdienst - Mt. 18, 21-35
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Liebe Gemeinde! Was wir eben gesungen haben, sind Worte aus dem 1. Psalm.
Da wird verheißen, dass ein Mensch, der die Gebote Gottes als gültig bezeugt, dass der einem Baum gleicht, der am Wasser gepflanzt ist. Der wird nicht trocken, der bringt seine Frucht zu seiner Zeit.
Wir haben im Evangelium eine Geschichte gehört, die uns Jesus erzählt hat zur Abschreckung; mit einem schlimmen Ende.
Die Absicht dieser Geschichte ist, dass es nicht so kommen soll, wie es da steht. Es ist eine Geschichte in drei Szenen.
Erste Szene: Der Knecht ist in tiefer Schuld vor dem König - er hat gemogelt, schlecht gewirtschaftet; was es im einzelnen ist, wird nicht erzählt.
Eines Tages kommt der König, stellt die Schuld fest und nun weiß der Knecht nichts zu seiner Entschuldigung zu sagen. Der König verurteilt ihn zu einer schrecklichen Strafe. Der Knecht geht in die Knie, er fleht den König an: Vergib mir, bitte vergib mir! Und der König ist gnädig, nachdem er die Schuld aufgeschrieben hat, zerreißt er den Schuldschein. Er vergibt ihm die Schuld, und der Knecht ist frei für ein neues Leben.
Die erste Szene hat ein gutes Ende, nun kommt die zweite Szene:
Der Knecht kommt von seinem König, wo ihm gerade vergeben wurde. Er tritt auf die Straße, geht ein paar Schritte und trifft dort einen anderen Knecht, der ihm - sagen wir mal - 200 Mark schuldet. Der kann nicht zahlen, und darum packt er ihn an der Gurgel und lässt ihn verhaften.
Das spricht sich natürlich herum, dieses Gerücht kommt zum König, und nun sehen wir den Knecht in der dritten Szene, wieder vor dem König:
Der König hat gehört von der bösen Tat, dass der Knecht, dem so viel vergeben war, gegen einen anderen unbarmherzig war. Darum zieht der König seine Vergebung zurück und lässt ihn nun zu der alten Strafe, zu lebenslanger Zwangsarbeit, verurteilen.
Jesus schließt diese Gleichnisgeschichte mit den Worten: "So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr einander nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder und seiner Schwester".
Darum geht es in dieser Geschichte: Einander vergeben!
Jesus hat uns ja auch gelehrt, wie wir beten sollen. Er hat gesagt: Ihr sollt so beten im Vaterunser: "Vergib uns unsere Schuld".
"Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!" Das hängt zusammen.
Eine Konfirmandin hat einmal zu mir gesagt: "Ach wissen Sie, wenn es das wirklich gäbe, das mit der Gnade und mit der Vergebung der Sünde, dann müsste man viel öfter etwas davon merken. In Wirklichkeit muss man immer fit sein, man darf keine Fehler machen, sonst ist man gleich out. Vielleicht hat man ja mal einen Freund, der sich wirklich für einen interessiert, mit dem kann man auch mal über seine Fehler reden. Aber auch nur so lange, wie man gegen den keine Fehler macht. Die Kirche gibt einem von der Gnade eine Idee, aber nicht die Sache selbst".
Wenn wir nun die Geschichte von Jesus gehört haben, da haben wir immerhin die Idee von der Vergebung erkannt. Aber nun soll die Sache selbst kommen: Unter uns soll es geschehen.
"Man darf keine Fehler machen, man muss immer fit sein, sonst ist man gleich out”, sagte das Mädchen. Darunter leiden wir. Wir machen Fehler, wir werden einander schuldig. Aber weil wir Angst haben, "out" zu sein, geben wir das nie zu. Wer dich beschuldigt, dem wirfst du eine andere Schuld zurück. Und da wird hin und her gerechnet, da werden Vorwürfe gemacht. Die meiste Schuld, die mir vorgeworfen wird, stimmt ja auch tatsächlich. Aber die Schuld ist da, wie ein Paket, das hin und her geworfen wird; keiner will die Schuld haben. Vielleicht findest du mal einen, der die Schuld zugeworfen bekommt, und der sie behalten muss, weil er gerade nicht die Kraft hat, sie einem anderen zuzuwerfen; er hat die Schuld dann.
Oder du wirfst die Schuld auf die Schule, so allgemein, auf die Lehrer, auf die Eltern, auf die Verhältnisse; das kannst du machen. Du kannst die Schuld wegwerfen, aber du wirst sie nur äußerlich los, denn in jedem von uns steckt etwas drin, das bleibt unruhig, und das ist unser Gewissen. Du weißt ja selbst, dass du Schuld hast, und vor deinem Gewissen kannst du nicht fliehen, da nützt es dir nichts, wenn du deine Schuld auf andere abwälzt. Und so findest du auch keinen Frieden. Und so wirst du auch nicht frei und nicht stark zu Liebe und Vergebung. Du weißt in deinem Herzen, dass du die Gebote nicht hältst. Und dass du nicht bist, wie Gott dich haben will. Dein Herz ist finster, du bist schuldig. Das ist schlimm, aber es hilft dir, wenn du wahrhaftig bist, und das bekennst. Das ist der erste Schritt.
Wir berufen uns auf Jesus Christus. Wir bleiben nicht in dieser Schuld, weil wir in Christus erkennen, dass er Hoffnung für uns hat. Wir sind auf Jesus Christus getauft, wir erkennen in ihm, dass Christus an uns geglaubt hat. Er hat an seinem eigenen Leben erfahren, dass die Menschen schwach sind, dass sie sich manchmal so kümmerlich und so niederträchtig verhalten; jeder von uns zu Zeiten. Aber wir haben in ihm auch erkannt, dass er Gottes Botschaft ist an uns, dass er uns unsere Schuld vergibt.
Jesus sagt: Haltet euch mit der Schuld nicht auf! Vergebt einander und geht weiter, schaut nach vorn, sonst kommt ihr gar nicht mehr raus, aus dem ewigen Hin- und Herrechnen. Vergeben, heißt nämlich; wir haben es benannt, wir haben es vergeben, und nun rechnen wir nicht mehr damit.
Jesus sagt: Geht weiter, miteinander! Lasst euch nicht von der Schuld herabziehen! Ihr sollt wachsen, und ihr sollt euch nicht klein machen mit der Schuld.
Ehe Jesus in die Welt kam, ging es in der Welt zu, wie in einem Zimmer, in dem eine Kissenschlacht tobt. (Wer keine Geschwister hat, und auch noch nie eine Kissenschlacht erlebt hat, der erinnert sich vielleicht an die Freizeit in Neetze, da gab es eine Kissenschlacht.) Da war das so ähnlich, da flogen die Kissen hin und her; daher habe ich das Bild mit der Schuld. Die Welt, wie ein großes Zimmer, in dem die Schuldpakete immer hin und her geworfen werden; keiner will sie behalten.
Du hast ja angefangen, sagen wir, du hast doch selber gesagt... Was, ich? Du bist es gewesen! Das ist ein schlimmes Spiel, bei dem einer dem anderen auch das Wort im Munde herumdreht. Mancher hat auch die Schuld des anderen heimlich gesammelt, bis er einen großen, sicheren: Vorrat hatte. Bis zum Augenblick der Rache.
Und dann geht ein Bombenhagel von Schuld auf dich nieder; so geht es zu in der Welt. Und weil es so zugeht, musst du dich absichern, darfst keine falschen Bewegung machen. Schuld musst du vertuschen; nur ja nicht zugeben.
Aber während wir dieses schlechte Spiel treiben, geht unser Leben dabei kaputt. Denn wer sich absichert, mauert sich ein, und wer sich einmauert, kann keine Liebe zeigen.
In diese Welt, die wie ein Zimmer ist, in dem die Schuld hin und herfliegt, in diese Welt ist Christus gekommen, z.B. mit dieser Geschichte vom unbarmherzigen Knecht. Die erzählt er, damit das böse, lebenfressende Spiel aufhört.
Jesus hat selbst so gelebt: Vergebt einander, weil Gott euch vergeben hat.
Das fängt damit an, dass du dein eigenes Schuldpaket nicht zu den anderen wirfst, sondern dass du es erst mal behältst und anschaust, was da überhaupt drin ist und bekennst; ja, ich habe schuld.
Wer seine Schuld nicht erkennt und sagt: Ich weiß gar nicht, wieso ich eigentlich schuldig bin, der lese nur den Beichtspiegel, den ich jedem Konfirmanden mitgegeben habe, der wird sicher da etwas finden.
Denkt an die Kissenschlacht. Die Kissen werden hin und her geworfen, und da kommt Jesus ins Zimmer und sagt: Halt, jetzt behält jeder sein Schuldpaket in den eigenen Händen!
Die Menschen haben natürlich nicht alle gehört, einige haben’s getan, andere werfen ihre Schuldpakete auf Jesus. Und wir wissen aus dem Evangelium, dass Jesus fällt, dass er zusammenbricht, aber dass er die Schuldpakete selbst nicht zurückwirft.
Seit Christus in der Welt war, ist die Schlacht mit den Schuldpaketen unterbrochen
Ich halte mein Schuldpaket in den Händen, ich erkenne im Lichte der Wahrheit Gottes, dass es meine Schuld ist. Und ich werfe sie nicht auf andere, sondern lege sie vor Gott hin,
Ich kann dabei nicht so tun, als sei nichts gewesen, das ist damit nicht gemeint, sondern; ja, es ist Schuld gewesen, aber Gott hat mich begnadigt.
Und das ist unser Zustand, das ist unser Heil, das ist der Segen, in dem wir leben dass wir begnadigte Sünder sind.
Und nun der nächste Schritt, gemäß der Geschichte von Jesus; wie kann ich als begnadigter Sünder dann noch mit Steinen der Schuld auf andere werfen?
Kannst du es?
Merkt ihr, Jesus hat ein neues Leben unter uns begonnen. Begnadigte Sünder können sich nicht herumdrehen und dem Nächsten an die Gurgel fahren. Begnadigte Sünder können aber lachen und vergeben. Du kannst aber nur vergeben, wenn du erfährst, da dir vergeben wurde. So hängt das untrennbar zusammen.
Nun ein Letztes noch, liebe Konfirmanden. Wer erwachsen wird, muss seine Schuld annehmen und beichten und um Vergebung bitten. Nur Kindern wird die Schuld noch nicht zugerechnet. Aber ihr werdet erwachsen. Und das ist die andere Seite; dreht euren Eltern nicht das Wort im Munde herum! Und schnappt nicht so leicht ein! Und vergebt, wie euch vergeben wird.
Und umgekehrt; ihr Eltern, tut nicht so, als seid ihr unfehlbar oder allmächtig! Unsere Kinder werden erwachsen und kommen dahinter, dass wir nicht unfehlbar sind.
Natürlich werden wir an unseren Kindern auch schuldig, lasst uns das ruhig zugeben. Dann finden wir nämlich eher ein neues Leben und dann werden wir zusammen mit unseren Kindern eine erwachsene Gemeinde vor Gott.
Lasst uns einander von Herzen vergeben und neu anfangen. Denn wenn wir gemeinsam, Eltern und erwachsene Kinder und Paten und Nachbarn und Freunde, wenn wir im Namen Jesu Christi zu Gott beten und seine Gnade und Liebe erfahren und seine Vergebung, dann wird uns von ganz allein das Wort im Halse stecken bleiben, dann werden wir die Vorwürfe sinken lassen und die Kraft zur Liebe und zum guten Leben geschenkt bekommen.
Der Friede Gottes, der höher ist, als alle unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!