Predigt vom 24.06.1987 - Pastor Schnabel - Ferienanfang - Luk. 15, 1-3, 11b-32
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Ihr Lieben! Die Geschichte vom verlorenen Sohn ist ein Herzstück der frohen Botschaft, die Gott uns durch Jesus Christus gesandt hat.
Mit einem alten Kollegen sprach ich wenige Tage vor seinem Tode. Wir sprachen über die Mühsal von Konfirmandenunterricht in einer religionsfernen Welt. Und er sagte mir damals: Wenn er zurückschaue, so erscheine ihm das Gleichnis vom verlorenen Sohn als die wichtigste Geschichte überhaupt. Wenn ein Mensch diese Geschichte sich ganz zu Herzen genommen hat, dann könnte er nicht mehr irregeh'n.
Diese Geschichte geht zu Herzen. Mit dieser Geschichte will Jesus etwas über unser Verhältnis zu Gott sagen. Wir drücken ja untereinander auch unsere Verhältnisse in Gleichnissen aus. Wir sagen z.B. Bruder und Schwester sind wie Hund und Katze. Und das drückt ein Verhältnis aus. Sie streiten sich, aber sie sind sich nicht gleichgültig. Das heißt nicht, dass der Bruder ein Hund sei und die Schwester eine Katze, sondern das Sprichwort bezeichnet das Verhältnis. Das Verhältnis zwischen Hund und Katze ist so ähnlich wie zwischen zwei Geschwistern. Oder wir sagen zu einem Jungen, dessen Vater wir auch kennen: "Na, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm!" Und damit sagen wir ja auch nicht; der Vater ist ein Stamm und der Sohn ist ein Apfel. Sondern über das Verhältnis wird etwas gesagt, das heißt; der Sohn ist so ähnlich wie sein Vater. Und das kann nun gut oder schlecht sein. Man kann es von dem Sohn sagen, wenn er mit einem Zeugnis nach Haus kommt; der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Das Sprichwort charakterisiert im Gleichnis das Verhältnis zwischen Vater und Sohn.
In unserem Bibelwort heute Abend steht, dass die Frommen und Anständigen Jesus kritisiert haben, weil er mit verlorenen Menschen aß und sprach und mit ihnen zusammen war. Sie haben ihn kritisiert so etwa in dem Sinne: Jesus, du bist doch ein frommer und gerechter Mann, weißt du denn nicht: wer Dreck anfasst, macht sich schmutzig. Wie kannst du mit verlorenen, verkommenen Menschen umgehen?
Das ist der Rahmen für diese Geschichte. Und da hat Jesus nicht gesagt: Ihr habt Unrecht! Sondern er erzählt eine Geschichte. Geschichten, die behält man und da kann man hinterher entlanggehen. In dieser Situation hat Jesus das Gleichnis erzählt vom verlorenen Sohn. Und mit diesem Gleichnis bringt er eine Verhältnisbestimmung. Jesus sagt nämlich: Das Verhältnis zwischen Gott und Menschen ist so ähnlich, wie das Verhältnis zwischen diesem Vater, in dieser Geschichte, und seinen zwei Söhnen. Jesus hätte das Gottesverhältnis auch erklären können mit dem Verhältnis zwischen einer liebevollen Mutter und ihrer Tochter.
Wir haben auf der Freizeit in Neetze diese Geschichte ganz genau gelesen, gespielt und dann gestaltet in einer Folge von Bildern. Die Jungen haben die Geschichte vom verlorenen Sohn gestaltet, und die Mädchen haben dieses Gleichnis von Jesus umgeschrieben, weil man das Verhältnis, die Verhältnisbestimmung genau so gut darstellen könnte im Verhältnis zwischen einer liebevollen Mutter und ihren zwei Töchtern. Wir haben auch Texte zu den einzelnen Bildern, sodass da eine Diaserie entstanden ist. Die Sprecher haben ein wenig zu schnell gesprochen, sodass das Auge vielleicht gar nicht genug Zeit hat, die einzelnen Bilder genau abzutasten. Denn das Schöne an diesen Bildern ist, dass wir daran sehen, wie die Konfirmanden sich die Szenen vorgestellt haben in Neetze, wo wir damals waren. Wie der verlorene Sohn das Geld mit leichten. Mädchen durchbringt, dazu sind sie natürlich in die Ortskneipe gegangen und einer hat sich als Mädchen verkleidet. Wie sie sich das Haus des Vaters vorstellen. Sie haben auch Schweine gefunden, damit der heruntergekommene, verlorene Sohn, und die heruntergekommene, verlorene Tochter die Schweine hüten kann. Und da, wo sie ganz im Dreck liegen, denken sie an zu Hause, an den Vater, und auch das ist in den Bildern schön dargestellt. Wie die verlorene Tochter plötzlich nachdenkt und sagt: Wie habe ich mich da verrannt, warum kehre ich denn nicht um?
Schaut euch diese Bilder an, und wenn es zu schnell geht, können wir uns im Laufe des Abends nachher die Dias nochmal anschauen. Da ist viel mehr zu entdecken, als wir so schnell wahrnehmen können.
Wir bringen erst die Bildfolge von der verlorenen Tochter. (Ton und Bilder zum Bibeltext Luk. 15, 1-2 und 11b-32)
1-3 - "Es kamen aber überall die Zöllner und Sünder zu ihm, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sagten: Dieser nimmt Sünder an und isst mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis:
(11b-32) Ein Mann hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sagte zu dem Vater: Gib mir, Vater, den Anteil am Besitz, der mir zufällt. Und er teilte sein Vermögen unter sie. Und nicht lange danach packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Vermögen durch mit Prassen. Als er nun alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land, und er geriet in Not und ging und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, um die Schweine zu hüten. Und ihn verlangte, seinen Bauch mit den Schoten zu füllen, die die Schweine fraßen; doch niemand gab sie ihm.
Da kam er zur Einsicht und dachte:Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Hülle und Fülle haben, und ich verderbe hier in Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn a heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner! Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit weg war, sah ihn sein Vater und hatte Erbarmen mit ihm; lief ihm entgegen und fiel ihm um den Hals und küßte ihn. Der Sohn aber sagte zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sagte zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an und bringt das Kalb her, das wir gemästet haben, und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Aber der ältere Sohn war auf dem Felde. Und als er nähe zum Hause kam, hörte er Musik und Tanz und rief einen von den Knechten zu sich und fragte, was das wäre. Der antwortete ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wieder hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da kam der Vater heraus und bat ihn. Er aber antwortete seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir schon und habe dein Gebot noch nie übertreten; doch mir hast du nie auch nur einen Bock gegeben, damit ich mit meinen Freunden hätte fröhlich sein können. Nun aber, wo dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Vermögen mit Huren verschlungen hat, hast du für ihn das gemästete Kalb geschlachtet. Er aber sagte zu ihm: Mein Sohn, du bist immer bei mir, und alles, - was mir gehört, das gehört auch dir. Du sollst aber fröhlich sein und dich freuei. denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden worden."
So wie der Vater in der Geschichte, so, sagt Jesus, so ist Gott.
Uns es ist sicherlich verhängnisvoll, dass in der Geschichte der Kirche dieser Gott entstellt wurde. Der verlorene Sohn oder die verlorene Tochter, beides sind Menschen, die sich nur selbst zum Maß der Dinge machen, und die trotzig sagen: Ich brauche Gott nicht! Ich gehe auf eigene Faust in’s Leben hinaus! Es gibt keinen absoluten Geist außer mir! Ich lebe selbst! Ich kann allein am besten im Vertrauen auf meine Kraft und auf meinen Geist!
Und Gott ist tatsächlich wie der Vater in der Geschichte, denn er hat uns frei geschaffen. Er lässt uns nicht im Zweifel darüber, dass wir seine Gebote halten sollen, aber wenn wir unbedingt raus wollen, teilt er das Erbe der Freiheit aus und sagt: Ihr müsst die Erfahrung machen!
Gott gibt uns die ungeteilte Freiheit, er lässt uns schweren Herzens Wege im Leben geh'n, die uns zum Schaden gereichen. Und wer dabei in Not gerät, und wer sich festfährt und nicht weiterweiß, der soll sich entsinnen, dass Gott ist, wie ein lieber Vater für alle Menschen. Dass er ist, wie ein lieber Vater für dich. Dass er eben nicht in der Tür steht und sagt: Siehst du, ich habe es dir gleich gesagt! Warum gehst du auch, geschieht dir recht, dass du auf die Nase fällst!
Dieser Vater redet so nicht, denn er liebt sein Kind. Und noch ehe die verlorene Tochter oder der verlorene Sohn der Mutter oder dem Vater zu Füßen fallen kann, umarmt er/sie ihn/sie und freut sich, dass er/sie gerettet ist.
Wenn du alles verspielt hast und wenn dein Leben ganz kaputt ist, dann kannst du umkehren. Aber das Umkehren muss von deiner Seite kommen.
Du musst selbst umkehren und anklopfen.
Und vermutlich können wir Menschen überhaupt erst dann gerettet werden, wenn wir nach unserem eigenen Ermessen und nach unserem eigenen Verstand verloren sind.
Auf der Konfirmandenfreizeit hat ja darum jeder so einen Ring gemacht. Wir haben hier aus Kupfer Stücke von einem Installationsrohr abgeschnitten und diese Plättchen drauf gelötet. Und mit Prägestempeln eingeschlagen die Initialien unseres Namens; Vornamen und Familiennamen mit den Anfangsbuchstaben. Das sind die Initialien des Namens, der bei eurer Taufe gesprochen wurde.
Der Sohn hat unterwegs alles verjubelt. Wahrscheinlich auch den Siegelring, den er vielleicht ursprünglich hatte. Und nun kommt er zerrissen nach Hause. Und der Vater kleidet ihn neu ein und steckt ihm diesen Ring an den Finger zum Zeichen: Du bist auch als verlorenes, wiedergefundenes Kind mein geliebtes Kind! Du bist eigenwillige Abwege gegangen und trotzdem gehörst du mir! Die Mutter gibt der Tochter den Siegelring und sagt: Du bist mein Kind!
Jesus sagt uns mit der Geschichte: Ihr seid Gottes Kinder! Der Geist, der Himmel und Erde geschaffen hat, der dich ins Leben gerufen hat, der ist wie ein Vater, der sein verlorenes Kind in die Arme schließt, wenn es heimkehrt. Gott ist wie eine Mutter, die ihre verlorene Tochter in die Arme schließt und Tränen der Freude weint, weil sie heimkommt und gerettet ist.
Jesus sagt mit diesem Gleichnis auch: Ihr sollt keinen Menschen verachten; alle Menschen sind Gottes Kinder.
Und der einzige Unterschied zwischen Menschen ist, ob ein Mensch gerade auf Abwegen ist, ob ein Mensch sich gerade das Erbe Gottes auszahlen ließ und gesagt hat: Ich will damit nichts mehr zu tun haben, kann schon allein! Wie ein trotziges Kind. Oder ob ein Mensch gerade heimgekehrt ist, ob er gerettet ist.
Auch der verlorene Sohn und die verlorene Tochter behalten den Status, Gottes Kinder zu sein. Sie können heim kommen.
Jesus sagt in der Geschichte nicht, dass der Vater meint: "Ach, ist ja schon gut, ist nicht so schlimm". Das ist mit der Geschichte nicht gemeint. Die Taten werden nicht verharmlost.
Gottes Gebote gelten!
Aber die Geschichte sagt auch: Größer als alle Gerechtigkeit ist die Liebe Gottes.
Und der fromme Sohn und die fromme Tochter,die zu Hause bleiben, die kommen in der Geschichte ja gar nicht so gut weg. Sie sind neidisch, sie sind eifersüchtig. "Herr, all die Jahre habe ich dir gedient, und für mich hast du kein Fest gefeiert!" Und aus ihrem Neid heraus hat man fast das Gefühl, dass sie wohl auch selbst gerne mal in ihrem Leben die Puppen hätten tanzen lassen. Dass sie vielleicht mehr aus Angst zu Hause geblieben sind, und weniger aus Liebe.
Das ist bis auf den heutigen Tag so: Wo sich Menschen heftig entrüsten über die Verkommenheit anderer Sünder und Menschen, da klingt das bis heute an, da hat man so einen Beigeschmack; hättest du’s vielleicht auch gerne mal so getan?
Wer sich entrüstet über andere, der soll sich fragen: Hast du aus Liebe heraus Gott gedient mit ganzem Herzen? Oder wolltest du vielleicht nur Punkte sammeln?
Lasst uns leben in der Erkenntnis, die uns Christus mit dieser Geschichte gibt: Alle Menschen sind Gottes Kinder. Es sind nur welche, die sind schon umgekehrt, und welche, die müssen noch einen Weg gehen, ehe sie umkehren, ehe sie ihre Kaputtheit so fühlen, dass sie heimkommen wollen. Du musst dich selbst fragen, zu welchen du dich zählst. Die Geschichte ist nicht dazu da, dass wir andere daran messen.
Prägt euch diese Geschichte ein, denn es ist eine Geschichte von Gottes Geist, der unsere Herzen entzündet mit seiner Liebe - AMEN!
Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!