Predigt vom 04.10.1987 - Pastor Schnabel - Erntedankfest - Jesaja 58, 7-12
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Ihr Lieben!
Der Predigttext für diesen Erntedanktag steht im Alten Testament, im Buch des Propheten Jesaja im 58. Kapitel:
"Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entziehe dich nicht deinen Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen, und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der. Mittag. Und der HERR wird dich führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie am Wasser fehlt. Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen "Einer, der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne".
Gott segne an uns dieses Wort!
Liebe Gemeinde!
Das ist eine große Verheißung beim Propheten Jesaja. Sie ist lange vor Christus aufgeschrieben worden, und von Jesus wirklich gelebt worden
In Christus hat sich das wahr erwiesen, was da in der Bibel steht. Das ist ein verlockendes Wort schon deshalb, weil von uns Menschen wenig verlangt wird, und von Gott dafür viel gegeben wird.
Du wirst ja zunächst gefragt: Möchtest du ein Mensch sein, dem der Geist der Wahrheit wie ein Licht aufgeht? Möchtest du, dass die Wunden deiner Seele und die Schranmmen deines Lebens verheilen? Möchtest du, dass Gott dein Gebet erhört? Möchtest du, dass dich Gott auf Erden führt und du nichts fürchten musst? Möchtest du wie eine Quelle sein, aus der Lebenskraft strömt, und die das Leben um dich herum stark macht und zum Blühen und Fruchttragen bringt? Möchtest du, dass man von dir sagen kann: dieser Mensch ist einer, der die Welt bewohnbarer macht. Dieser Mensch ist einer, der Wege und Brücken zwischen Menschen baut.
Wenn du so sein möchtest, dann höre Gottes Anweisungen; sie sind einfach:
Brich dem Hungrigen dein Brot! Den Elenden führe ins Haus! Den Nackten sollst du kleiden. Du sollst keinen ausnützen, und keinen klein machen mit deiner Macht. Du sollst nicht abschätzig.auf andere Menschen mit Fingern zeigen und übel reden.
Wenn du so lebst, so sagt die Bibel, stellt sich das Heil von selbst ein.
Ich drehe das jetzt einmal herum, so wie man eine mathematische Gleichung umdrehen kann. Man kann nämlich jetzt auch sagen: Wenn dir kein Licht aufgeht; wenn die Wunden deiner Seele und die Schrammen deines Lebens nicht oder nur sehr zögernd verheilen; wenn Gott dein Gebet nicht annimmt: wenn du beliebig lebst und dir Gottes Führung im Leben nur noch eine religiöse Floskel ist; wenn du bis zur Erschöpfung arbeitest und doch nicht froh und satt dabei wirst; wenn in deiner Nähe das Leben anderer Menschen bedrückt wird und klein, und wenn du darum keine Freunde hast; wenn du Wege und Brücken zu anderen Menschen aus Rechthaberei und Habgier abbrichst und davon einsam wirst - dann stimmt etwas nicht mit deinem Leben.
Nun nennt Jesaja naive Beispiele, für uns naiv, weil wir seit mindestens 30 Jahren im Wohlstand leben.
"Brich dem Hungrigen dein Brot!" Vor drei Tagen lagen zwei Schulbrote auf dem Feldweg unter den Eichen, mit Butter und Salami drauf. Ich habe sie aufgehoben und wollte sie eigentlich hier auf den Altar legen, aber sie fingen schon zu stinken an.
Jesaja sagt: "Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn!" Aber die Kleidersäcke unserer Straßensammlungen sind gut gefüllt.
Gelegentlich kommt ein Tippelbruder, der auf der Durchreise ist, der klopft am Pfarrhaus an. Keiner von ihnen geht hungernd oder frierend weg.
Aber das alles ist mit Jesajas Zeiten nicht zu vergleichen. Die Hungernden und Frierenden leben nicht vor unserer Haustür; aber sie leben in einer Welt mit uns. Und darum ist das als Beispiel zu betrachten, was Jesaja da sagt, ehe er zusammenfasst: "Entziehe dich nicht deinem Fleisch und Blut!" Das heißt: du hast eine innere Verbindung mit allen Geschöpfen, mit allen Menschen; sie sind Kinder Gottes wie du.
Das ist die Pointe, die Grundhaltung, auf die es ankommt. Jesaja sagt; erkenne den Zusammenhang, in dem du gleichzeitig mit anderen Menschen auf dieser Erde lebst. Die alte Lebenshaltung, die die Bibel "Sünde" nennt, bestreitet genau diesen Zusammenhang.
Die Sünde ist auf Abgrenzung bedacht. Da sind die Menschen nicht Brüder, sondern Rivalen auf Leben und Tod. Sünde ist eine Grundhaltung, die uns einsam macht und am Ende unser Leben auffrisst. Die Sünde trennt den Zusammenhang mit den anderen und sagt: ich bin hier, mit meinen Vorräten, mit meinen Absicherungen, und ich baue eine Mauer darum gegen den Rest der Welt und gegen Gott. Und es gibt sogar eine Frömmigkeit, die hockt hinter diesen Mauern, und versucht mit Gott zu handeln; Punkte zu sammeln mit frommen Übungen.
Wer sich so einmauert, der erstickt am Ende selbst. Wer sich mit einem dicken Panzer umgibt, der kommt am Ende nicht mehr heraus. Wir umgeben unsere Seelen, unsere Herzen, mit Panzern. Wir machen uns unangreifbar gegen die anderen. Und wir kommen uns toll dabei vor. Und manchmal merken wir zu spät, dass da was nicht richtig sein kann; dass wir uns nämlich einsperren in unserer Unangreifbarkeit, dass wir zu Herzlichem nicht mehr fähig sind.
Jesus dagegen lebt diesen neuen Zusammenhang mit uns. Offen und frei und ungeschützt geht er auf die Menschen zu. Er teilt und hilft und schafft eine ganz neue Art, zu leben. Alle Menschen sind Kinder Gottes sagt er. Nicht zu Rivalen seid ihr bestimmt, sondern zu leben wie Schwestern und Brüder.
Und wenn du nun von diesem neuen Zusammenhang ausgehst, der ja noch gar nicht so lange auf der Welt zu finden ist, und noch gar nicht so lange gelebt wird, - Das sind ja erst die Anfänge, was sind denn zweitausend Jahre, angesichts der Weltgeschichte? - wenn du von diesem neuen Weltbild ausgehst, dann beginnst du in einer neuen Wirklichkeit zu leben, in der auch deine Arbeit und das, was du davon erntest, eine neue Bedeutung bekommt. Du erkennst nämlich plötzlich; alles, was du hast, ist zum Verbrauchen da,
Die Wirklichkeit, in der wir leben, hängt immer von unserer Sichtweise ab. Das ist nur ein billiger Materialismus, der uns ein verengtes Wirklichkeitsbild vorgaukelt. Die Wirklichkeit ist gar nicht absolut. Wie wir die Wirklichkeit sehen, so ist sie. Was wir mit den Dingen machen, das bekommt es an Bedeutung. Aber: an und für sich ist es noch nichts. Darum müssen wir zu Jesus in die Sehschule gehen, damit unser Leben neu werden kann, damit wir die Dinge neu sehen; das Vorhandene. Denn wir Menschen bereiten uns auf Erden die Hölle oder den Himmel; je nach Sichtweise. Je nach dem Gesetz, nach dem wir angetreten Sind.
Unsere eigene Sichtweise bereitet uns die Sachzwänge. Aber bedenkt immer; im Licht der Wahrheit Christi erkennen wir, dass Sachzwänge, keine Naturgesetze sind. Das Leben, ob himmlisch oder höllisch, ist von dem gleichen Material. Es sind nur verschiedene Sichtweisen, die verschieden umgehen mit diesem Leben und mit dieser Welt; zum Segen oder zum Fluch.
Ich will das Komplizierte jetzt nochmal ganz einfach sagen:
Die afrikanischen Christen, die erzählen ein sehr schönes Gleichnis, das ganz einfach darstellt, was uns nur so lange kompliziert erscheint, bis wir es nicht selbst leben. Die afrikanischen Brüder und Schwestern sagen: Himmel und Hölle sind wie zwei gleichgroße, runde Hütten. Innen, in diesen beiden Hütten, ist ein kleiner, runder Raum, so ähnlich wie ein Iglu.
In der Hölle sitzen die Menschen eng beieinander im Kreis. Sie haben Hunger. In der Mitte der Hölle steht ein Topf, in dem ist eine köstliche Suppe drin. Die Menschen im Kreis haben alle Hunger, es tropft ihnen der Zahn. Aber es gibt in dieser Hölle nur einen Löffel, und der ist fast so lang, wie der Durchmesser diese: kleine runden Raumes, in dem sie da im Kreis sitzen. So ein langer Löffel ist da drin (Pastor zeigt einen 1,50 m langen Löffel). Und darum ist in der Hölle ein schreckliches Geschrei zu hören, weil sie alle essen wollen, und nicht ran kommen. Jeder kämpft um den langen Löffel. Und wer den langen Löffel hat und die Suppe aus dem Topf holt, der kommt nicht dran, denn der lange Löffel ist so sperrig; er stößt ja an die Wand dieser Hütte. Und er versucht mühsam an die heiße Suppe zu kommen, aber die anderen reißen ihm diesen Löffel wieder weg und verschütten die Suppe. Und so kämpfen: sie in dieser Hölle; jeder gegen jeden. Und jeder versucht, an die Suppe zu kommen und versucht, sie aus dem Topf zu holen, aber keiner wird richtig satt. Das ist die Hölle. Da ist jeder allein, da gibt es keinen Zusammenhang da kämpft jeder gegen jeden um den langen Löffel. Aber sie werden nicht satt davon.
Und nun der Himmel. Der Himmel ist genau so ein kleiner, runder Raum, wie ein Iglu. Es ist alles gleich ausgestattet. In der Mitte die gleiche, köstliche Suppe. Und der Löffel ist genauso lang; dieser Löffel könnte aus dem Himmel oder aus der Hölle kommen. Nur, es sitzen andere Menschen in diesem Raum. Es sitzen da Menschen in dem Himmelsraum, die bei Jesus in die Sehschule gegangen sind. Sie haben grundsätzlich Neues gelernt. Und das können sie auch anwenden; sie wissen nämlich mit dem langen Löffel umzugehen. Da bekommt einer den langen Löffel, und der schöpft die Suppe und reicht sie dann dem, der ihm gegenüber sitzt, so z.B. (P. demonstriert an seinem Gegenüber). Und dann speist er ihn so lange, bis er satt ist und sagt: danke, ich habe genug, ich bin jetzt satt. Und dann kommt der Nächste, der nimmt den Löffel, und er schöpft von der Suppe in der Mitte und nährt den, der ihm gegenübersitzt. Und so geht der Löffel rum und jeder wird satt. Es gibt kein Ges.hrei, einer speist den anderen und sie reden und lachen,und leben wie Geschwister.
Ihr seht, das gleiche Material des Lebens kann zum Himmel oder zur Hölle werden; es kommt erst auf die Sichtweise an. Und von dieser neuen Sichtweise kann man es neu anwenden, dieses Leben.
Christus ist in die Welt gekommen, uns diese neue Sichtweise, die himmlische Sichtweise, zu lehren und vorzuleben. Und Jesus sagt nicht einfach: ihr müsst teilen, ihr müsst gut sein! Er ergeht sich gar nicht so sehr im moralischen Appellen, sondern er erfüllt uns mit seinem Geist, der uns die Augen öffnet, und uns diesen neuen Zusammenhang erkennen lässt, sodass uns die alte Form des Lebens geradezu widersinnig und überholt erscheint. Und daraus folgt dann das Teilen, das Brückenbauen wie von selbst. Sobald wir so leben, stellt sich das Heil dann von selbst ein. Schwer ist eigentlich nur der erste Schritt zu Jesus hin, weil wir denken, wir würden viel mehr verlieren, als gewinnen. Und in der Tat ist ein Schritt ins Neue ein gewisses Risiko, weil wir zwar noch die Ängste des Alten haben, aber noch nicht die Erfahrung des Neuen. Aber es ist nur ein kleiner Augenblick. So, wie wenn du vom Ufer in ein Boot steigst, und vorher nicht genau weißt; wird es tragen? Aber sobald du drin bist merkst du; es trägt dich.
Darum bitten wir im Namen Christi, dass er uns hinüberhilft, und dass er uns erlöst zu diesem neuen Zusammenhang seines Geistes und seiner Liebe, damit es endlich gut wird mit uns, damit wir zueinander finden. Damit die Wunden und Schrammen unseres Lebens und unserer Seele heilen, und dass wir einander heilen - AMEN!