Predigt vom 26.12.1987 - Pastor Schnabel - 2. Christtag - Offenb. 7, 9-17
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Liebe Gemeinde!
Wer sechs Jahre lang regelmäßig zum Gottesdienst geht, hört Predigten über etwa 360 verschiedene Bibeltexte. Die bringen auf verschiedene Weise das Evangelium zur Sprache. Sie stammen aus dem Alten und aus dem Neuen Testament.
In diesem Kirchenjahr werden wir öfters auch Texte aus dem Buch der Offenbarung des Johannes hören. Die Offenbarung des Johannes ist das einzige prophetische Buch des neuen Testaments.
Ihr wisst, dass in der alten, in der Urgemeinde, die prophetische Rede, die Visionen, die Auditionen, verbreitet waren. Wenn in Korinth die Gemeinde versammelt war, dann hat nicht nur der Pastor geredet, sondern da war im Ablauf des Gottesdienstes eine Zeit, wo jeder in der Gemeinde reden und die Gemeinde teilhaben lassen konnte an dem, was ihm offenbart wurde.
In unserer lutherischen Kirche ist die Gabe der prophetischen Rede etwas verkümmert. Man kann sowas nicht herbeizitieren, aber ich bin sicher, dass auch in unserer Gemeinde diese Gabe vorhanden ist, sie ist nur verschüttet. Es würde uns zunächst auch irritieren, wenn plötzlich jemand auf stünde und eine prophetische Rede führte.
Hört heute aus dem prophetischen Buch der Offenbarung des Johannes den Predigttext für diesen zweiten Christtag. In diesem Offenbarungsbuch gibt es zwei Gruppen von Visionen. Die eine Vision beschreibt, was ist. Und die andere Vision; was sein wird Christus spricht im Traum oder in einer Vision zu ihm. Johannes hat nie genau erklärt, wie das vor sich ging. Christus spricht zu ihm und er schreibt es auf, er tritt gleichsam als Medium auf. Aus dem zweiten Teil stammt der: Predigttext; wie es sein wird. Bilder der Endzeit und des Gerichtes; im siebten Kapitel der Offenbarung des Johannes:
"Ich sah eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stänmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmenzweigen in ihren Händen, und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei dem, der auf dem Thron sitzt, unserm Gott, und dem Lamm! Und alle Engel standen rings um den Thron und um die Ältesten, um die vier Gestalten und fielen nieder vor dem Thron auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sprachen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Und einer der Ältesten fing an und sprach zu mir: Wer sind diese, die mit den weiße Kleidern angetan sind, und woher sind sie gekommen? Und ich sprach zu ihm: Mein Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir: Diese sind’s, die gekommen sind aus der großen Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen, und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel; und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen.
Sie werden nicht mehr hungern und dürsten; es wird auch nicht in ihnen lasten die Sonne oder irgend eine Hitze; denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen des lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen."
Gott segne an uns dieses Wort!
Liebe Gemeinde!
Das Ende wird dargestellt. Am Ende wird die Tapferkeit belohnt; da ist alles klar. Da wird die Treue recht behalten gegen den Augenschein. Wir sehen sozusagen in den Himmel hinein durch diese Vision.
Die Erwählten und die Märtyrer stehen am Ende vor dem Thron, sie haben helle Kleider an; im Blut des Lammes gewaschen. Die Bewährten haben - wie man so sagt - eine weiße Weste an.
Jesus, das Lamm, weidet sie auf einer frischen Aue, führt sie zu einem klaren Wasser.
Das Leid und die Drangsal und die Bedrückung sind ausgestanden. Wo die Gerechten noch schluchzen und wo sie durch die Erinnerung an grauenhafte Erfahrungen zu Tränen gerührt werden, da wischt Gott selbst ihnen die Tränen von den Augen.
Wir wollen dieses Bild, diese Vision, nicht beiseite schieben, denn diese Vision ist für uns bestimmt.
Die Erwählten und Märtyrer sind nämlich nicht ferne Heilige, sondern Menschen, deren Geschichten uns ermutigen sollen. Es geht hier nicht darum, dass von jedem Menschen Großtaten verlangt werden, oder das, was wir für Großtaten halten. Wenn wir an einen Märtyrer denken, dann denken wir gleich an Folter. Nicht alle Menschen da um den Thron starben den Märtyrertod. Sie waren nicht alle gewalttätigen, bösen Herrschern ausgeliefert, wie in der ersten Zeit des Christentums. Es sind da auch Menschen zu finden, die innerhalb ihres Mietshauses, in dem sie wohnten, Frieden stifteten. Die einen Flüchtling aufnahmen. Die, von Jesu seist gerührt, etwas von seinen Reich in ihrer Umgebung bewirkten. Vielleicht Großeltern, die den Enkeln etwas vom Glauben mitteilten. Oder Vater oder Mutter, die in schweren Zeiten Familien zusammenhielten. Sei es, dass es Menschen waren, die nicht zurückschlugen und doch bei der Wahrheit blieben. Die da versammelt sind um den Thron, haben eine Übermacht von gängigen Anschauungen durchbrochen. Sie haben das Reich Gottes gelebt gegen eine allgemeine Anschauung, die dem Reich Gottes entgegensteht. Sie haben eine neue Wirklichkeit bezeugt.
Wo die Menschen normalerweise ihre Privatsphäre hart verteidigen - das ist ja eine unserer Heilslehren heute, die es aufzulösen gilt - wo Menschen ihre Privatsphäre hart verteidigen und längst unter dem Zement ihrer Vorurteile verhärten, da sind’s die Märtyrer, die eine neue Welt bezeugen, sie sind diejenigen, die anklopfen und versuchen, neues Leben in die Einöde zu bringen. Die Märtyrer waren Menschen, die zu Lebzeiten es nicht mit ansehen konnten, wie Menschen, die doch Kinder Gottes sind, vor die Hunde gehen im selbstgemachten Elend. Die Gerechten um den Thron, die sind bei Gott angekommen. Sie haben ein benütztes Leben hinter sich. Sie haben erkannt, dass kein Mensch für sich allein lebt, sondern dass Leben nur im Zusammenhang geht.
Die Gerechten haben eine weiße Weste. Und nicht deshalb, weil sie alles richtig gemacht haben, sondern weil sie darauf verzichtet haben, auf ihre Gerechtigkeit zu achten. Sie gaben sich hin, sie folgten nach. Sie warfen ihre Sorge auf Christus und lebten ohne Absicherung, ohne zu zögern, aus seinem Geist.
Die Gerechten am Tage des Gericht’s, die beneide ich. Die haben ein erfülltes Leben abzugeben. Sie kommen da an, so wird beschrieben, schmerzlich, auch mit Tränen, mit Freude, auch mit Schuld und Vergebung, aber ohne Absicherung haben sie gelebt.
Nur im Vertrauen auf Gott ließen sie sich führen; zerschunden und verbraucht, aber mit leuchtenden Augen kommen sie nach Hause zu Gott am Ende ihrer Zeit; ihrer irdischen Wanderung.
Wir wissen ja nicht, wer alles im Himmel sein wird von denen, die wir zu Lebzeiten kannten. Es gibt da diese augenzwinkernde Rede: Ich bin mal gespannt, wen ich im Himmel treffen werde. Mit dieser Redewendung verraten wir unsere Annahme, dass wir natürlich davon ausgehen, dass wir selbst zu den Gerechten gehören.
Aber - die Bibel erzählt diese Vision mit der Absicht, uns zu locken. Gegen den Augenschein sollen wir durchhalten. Es gibt soetwas wie ein Gericht, es gibt soetwas wie einen Himmel und wir werden uns zu verantworten haben.
Und wir sollen weiterbauen am Reich Gottes, auch da, wo es verloren Scheint; das ist Bewährung.
Der Kraft des Geistes und der Liebe und der Wahrheit unbedingt vertreten, darum geht es.
Dabei ist es wenigen zuteil geworden, Märtyrer zu sein unter Verfolgung und Folter. Die meisten Menschen haben Großes getan, indem sie der Mühsal ihres Alltags widerstanden und widersprachen, wo es nötig war und wo Sie die Kraft ihrer Liebe entfalteten, auch wo sie zunächst gar nicht wissen konnten, dass es zu einem Ziel führt. Da, wo sie die Trägheit überwanden und Feindbilder nicht übernahmen, und Christus gehorsam waren. Auch da, wo es nach menschlichem Ermessen eben so aussichtslos ist da sollen wir treu sein und liebevoll und beständig, und nicht hart und verbissen, den Weg Christi nachgehen.
Die Welt wollte ja Christus nicht in ihrer Nähe haben. Und darum wurde Christus in einem Stall geboren; im Abseits. Und Christus hat ganz klein angefangen. Vom Senfkorn, vom Sauerteig hat er gesprochen. Kleine Anfänge, die Großes bewirkten. Was er begann, war nach menschlichem Ermessen zum Scheitern verurteilt. Klein, wackelig, unbeständig schien es; und doch wurde etwas Großes draus.
In der Vision des Johannes stehen die Gerechten vor Gottes Thron; es hat sich gelohnt der Weg führte zum Ziel, sie sind angekommen.
Dieses berühmte Wort: "Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben!" - auch dieses Wort stammt aus der Vision des Johannes. Gott hat sich Verwiesen als der Beständige und Wahre, und der Weg Christi hat sich bewährt. Die Gerechten sind angekommen; sie stehen vor dem Thron.
Und die anderen, wir, die wir diese Vision von außen sehen, wir sagen; da wäre ich gern dabei gewesen.
Am Ende, wenn Gerichtstag gehalten wird, wären sie alle gern dabei gewesen. Sie sagen dann: Ach, hätte ich doch Ihm geglaubt, ach, wäre ich Ihm doch treu gewesen! Wie dumm war ich, dass ich mein Leben für so falsche Dinge eingesetzt habe! Warum habe ich nicht gehört, als Jesus zu mir sagte: "Sammelt nicht Sachen, die Motten und Rost fressen, denn wo euer Herz ist, da ist euer Gott!"
Ich möchte auch bei den Gerechten sein, die da Palmen in den Händen haben, wie es bildreich bei Johannes dargestellt wird. Das sind die Palmen, die dann später auf der Bildern auftauchen. Es sind die gleichen Palmen, die gekreuzt auf dem Sargwagen abgebildet sind. Man wünscht mit diesen Palmenzweigen den Toten, dass sie doch nun zu den Gerechten zählen. Die Palmenzweige bedeuten Sieg und Frieden. Friedensboten und Märtyrer tragen Palmenwedel in den Händen.
Die Gerechten haben ihren Lebensweg hinter sich; sie haben ihre Zeit gehabt, sie sind nun bei Gott versammelt.
Johannes sieht es in seiner Vision und schreibt es auf, den Lebenden zur Lehre; welchen, die noch umkehren können. Wir stehen noch nicht vor Gottes Thron. Wir leben noch in einer Welt, wo augenfällig all dieses religiöse Gerede vom Glauben am Rande nur steht; erst noch ganz klein heraufdämmert. Wir stehen noch nicht vor Gottes Thron, es ist noch nicht offenbar.
Wir werden ermutigt, treu und wachsam zu bleiben und mit diesem kleinen Anfang durch Leben zu gehen. Es kommt darauf an, auf diesem Sinn zu bleiben. Denn da brauchen wir gar nicht nach großen Taten Ausschau zu halten, die kommen von allein auf uns zu; die werden uns auf den Weg gelegt und daran haben wir uns zu bewähren. Sie ergeben sich, aber wir erkennen das nur, wenn wir im Glauben bleiben, wenn wir in Seinem Sinn und Geist leben und auf Sein Wort hören.
Das heißt Glauben; sich ganz und gar auf Gott zu verlassen und sich aus dieser Geborgenheit heraus auf Situationen einzulassen, von denen wir vorher noch nicht wissen, was dabei herauskommt. Nur dadurch haben wir auch die Kraft, auf andere Leute zuzugehen, ohne die Angst zu haben, dass wir vielleicht abgewiesen werden.
Darin erfahren wir Seine Kraft, dass wir geführt und gehalten werden, wo nach unserem Ermessen nichts mehr geht.
Jesus sagt an einer Stelle: Denkt dran, der Knecht ist nicht größer, als sein Herr. Das gilt für die Magd genau so.
Der Herr, der im Stall geboren ist, der hilft uns nicht auf Wegen, die wir eigenmächtig gehen. Aber er geht uns voran auf Wegen, die er selbst gegangen ist, und er führt uns durch Leid hindurch, wenn wir ihm nur treu sind und ihm folgen.
Paul Gerhard bringt es ganz dicht zusammen auf einige Zeilen: "Wohl dir, du Kind der Treue, du hast und trägst davon, mit Ruhm und Dankgeschreie, den Sieg und Ehrenkron." Da ist die Vision, der Blick in den Himmel: "Gott gibt dir selbst die Palmen, in deine rechte Hand. Und du singst Freudenpsalmen dem, der dein Leid gewandt."
Das ist ein Ausblick auf das, was hinter der Schwelle des Todes kommt; bis dahin sind wir noch unterwegs.
Darum sollen wir treu bleiben, dass wir am Ende zu den Gerechten gehören. Es soll sich sicher lohnen, Christus hat es uns verbürgt mit seinem Tod und mit seiner Auferstehung - AMEN!
Und der Friede Gottes, der höher ist, als all unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!