Predigt 602

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Predigt vom 10.01.1988 - Pastor Koch - Mk. 1, 15

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft seines Geistes seien unter uns allen gegenwärtig - AMEN!

Es war eine lange Nacht gewesen. Wenn sie an das Ergebnis ihrer Arbeit dachten, dann war das kein guter Arbeitstag gewesen. Denn der Arbeitstag begann abends und endete morgens. Und wenn sie am Morgen zurückkamen von der Fahrt auf den See hinaus, dann gab es Tage, an denen sie gerade soviel gefangen hatten, um ihre Familien ernähren zu können. An manchen Tagen war es mehr, da konnte.man etwas verkaufen und von dem Verkauften das wieder finanzieren, was man brauchte; Garn für die Netze, einen Flicken für das Segel und Leim und Holz für das Boot, um es zu reparieren. Viele Jahre machten sie es nun schon so und sie waren es gewohnt. Manchmal träumten sie davon, in eine große Stadt zu ziehen oder zu gehen. Einfach, um die große Stadt zu erleben und an dem Leben dort teilzuhaben. Manchmal hörten sie von einigen, die ihnen das erzählten, wie schön es doch war in der großen Stadt; was da los war, wie viel man da verdienen konnte. Aber sie träumten nur davon, denn dort in die große Stadt zu ziehen, das überstieg ihre Mittel. So waren sie zufrieden mit dem, was Alltag geworden war über viele Jahre hin und was sie von Kind auf kennen gelernt hatten.

Und dann geschah es.an einem Tag, an dem alles anders war als bisher. Da kam ein Mann und sie gingen mit ihm. Sie verließen nicht nur das, was sie bisher getan hatten, sondern sie kehrten allem den Rücken, das sie bisher in ihrem Leben gesehen, erlebt oder erfahren hatten. Sie drehten sich einfach um. Und dann lag es hinter ihnen. Das Fischerboot und der See und die bescheidene Hütte, in der sie lebten, und der Alltag. Sie machten das, was ER ihnen gesagt hatte; kehrt um! Jesus war es gewesen, der diesen Satz nicht nur ihnen sagte, sondern der über dem Markusevangelium steht. Am Anfang des Markusevangeliums, im 15. Vers des 1. Kapitels finden wir den Satz, der auch über diesem Jahr steht. Das haben wir gerade angefangen. Noch sagen wir zueinander : Ein gutes neues Jahr! Es ist noch gar nicht so alt, dieses Jahr. Einige Tage sind es und mehr als die Schule, liegen die Ferientage noch in unserem Bewusstsein.

"Kehrt um" steht in diesem Satz, und dann geht der Satz weiter: "und glaubt an das Evangelium!" Das machten sie, die Männer; umkehren. Dem Bisherigen den Rücken zuwenden und das Bisherige nicht mehr sehen; nicht mehr wahrhaben brauchen.

Umkehren? Am Ende des Jahres 1987 haben Menschen Bilanz gezogen und sie haben durchaus in vielerlei Weise dieses Umkehren für sich selbst auch entdeckt. Es gibt Menschen - wenn ich richtig gelesen und verstanden habe aus den vielfältigen Äußerungen, die in unserer Zeit möglich sind - die sich bewusst geworden sind, dass Umkehr wichtig ist, die sich nicht nur abkehren, sondern umkehren wollen, weil die Scham über das, was im letzten Jahr gewesen ist, ihnen nicht nur die Schamröte ins Gesicht getrieben hat, sondern die Enttäuschung. Weil das, was im Politischen möglich sein kann, ihnen gezeigt hat; diesen Weg kann man doch so nicht weitergehen! Weil all das, was wirtschaftspolitisch gegolten hat, zusammengebrochen ist unter den Anstürmen der letzten Wochen und Monate, und Menschen auf einmal auch in diesen Bereichen entdeckt haben; Umkehr ist das Wort der Zeit und die Tat der Zeit.

Und sind nicht all diejenigen bestätigt worden, die da gemahnt haben, gefragt haben, nicht aus Böswilligkeit, sondern einfach, weil die Wege in die Irre zu gehen schienen.

Umkehren, ja, das möchte man. Dazu sind viele bereit. Manche sind schon dabei, auf dem Absatz sich umzudrehen, um nach einem neuen Weg Ausschau zu halten.

Aber wie ist das, wenn man umkehrt? Wenn man dem, was bisher gewesen ist, den Rücken zukehren möchte? Dann möchte man wissen, wo man hingeht.

‘Da sind diese Männer, die deswegen ihrem bisherigen Leben den Rücken zukehren können, weil sie einen Weg wissen. Einen Weg? Weil Einer ist, der gesagt hat: Ich gehe vorweg! "Kehrt um und glaubt an das Evangelium!" So ist der gesamte Satz. Und dieses Evangelium ist der Hinweis auf den, dem sie nachfolgen.

Der erste Vers des Markusevangeliums beginnt damit, dass Markus uns sagt: Dies ist der Bericht von der guten Nachricht, von der frohen Botschaft, von dem Evangelium, von diesem Jesus Christus. Und er möchte allen, die das Evangelium lesen, dieses Buch lesen, diese gute Nachricht lesen, sagen: Hier, dieser Jesus Christus geht‚ durch dieses Buch mit den Menschen mit. Und sie vertrauen auf ihn, sie lassen sich von ihm begleiten, anführen. Einer der letzten, der sich in diesem Buch äußert, ist der römische Hauptmann unter dem Kreuz. Im Angesicht des Leidens, des Schreckens, des furchtbaren Sterbens eines Hingerichteten sagt er zu diesem Jesus: "In der Tat, er ist der Sohn Gottes!"

Umkehren? Den Weg mit diesem Jesus mitgehen können, das ist, wenn dann dieses Wort ein Motto auch ist, eine Aufforderung für alle, die Christen sein wollen, für unsere Kirche. Ein Wort, das uns ermutigt, diesen Jesus Menschen vertraut zu machen und den Menschen von diesem Jesus zu erzählen und den Menschen diesen Jesus so deutlich zu machen, dass sie merken; man kann sich auf ihn verlassen. Man kann es mit ihm ausprobieren, riskieren. Man kann den Weg einmal mit ihm versuchen.

Was ist das Besondere dieses Jesus, weshalb es sich lohnt, den Weg mit ihm zu gehen? Dieser Jesus, so merken seine Jünger - Jakobus und Johannes, Andreas und Petrus, die ersten vier - ist einer, der für uns in unserem Leben da sein will. Er spricht nicht nur den Verstand an. Er ist also nicht einer, der zu den herausragenden Gestalten intellektuellen Geschehens gehört. Er ist nicht Politphilosoph, Geisteswissenschaftler, sondern einer, der Menschen in Bewegung setzt mit ihrem Verstand, ihren Beinen, ihren Herzen und mit ihren Armen.

Ein ganzheitliches Leben ist auf einmal auf diesem neuen Weg möglich. Deswegen fühlen sie sich angesprochen. Und darüber hinaus noch andere, weil sie merken: Er, Jesus, kann uns mit seiner gesamten Person ansprechen. Wir fühlen uns mit allem, was zu uns gehört, in Anspruch genommen.

Ein Ganzheitliches? Dafür interessieren sich Menschen, das suchen heute Menschen, wenn sie vielleicht von der Kirche oder ihren Lebenserfahrungen enttäuscht, sich auf den Weg machen, um in anderen Religionen sich auszuprobieren. Und es sind ja nicht nur die fernöstlichen Religionen, die Menschen in ihren Bann ziehen mit der Meditation und den Übungen, den Körper in die Gewalt des Geistes zu bekommen, sondern es sind auch viele andere Wege, die Menschen heute gehen; von der weißen bis zur schwarzen Magie. Aber alle haben eines gemeinsam: Menschen interessieren sich für Religion da, wo sie ganzheitlich den Menschen in Anspruch nimmt. Nicht nur vom Verstand her, sondern auch vom Gefühl. Dass Menschen sich auf einmal umarmen können; angenommen wissen dadurch, dass ein Mensch ihnen die Arme gibt, um sie festzuhalten. Durch die Freundlichkeit des Lachens; die Möglichkeit, dass man weinen darf; dass man sich an die Hand genommen weiß; gestreichelt, wenn man krank ist und nicht allein gelassen, wenn man stirbt.

Mit diesem Jesus gehen sie mit. Sie spüren, da redet nicht nur einer, sondern da handelt einer. Da macht er Menschen heil, die da nicht nur wegen ihrer Sündenverfehlungen gekommen sind, wegen ihrer Ferne zu Gott, sondern wegen ihrer Gebrechen; der Blindheit, der Taubheit. Weil ihr Menschsein in Gefahr ist.

"In der Tat, dieser ist Gottes Sohn!" So sagt es der römische Hauptmann im Angesicht des Sterbens. Das spürt auf einmal einer, der vielleicht nicht durch die Brille irgendwelcher anderer Religionen sehen muss. Dass dieser Jesus sterben kann, leiden kann, weil er auch da nicht allein gelassen ist.

Dass Jesus die Menschen in ihrer Gesamtheit ansprechen, ernst nehmen und mitnehmen kann, ist nicht eine Leistung eines religiösen Übermenschen, sondern es ist das Geschenk Gottes, das dieser Jesus mitgebracht hat, mitnimmt und weitergibt.

Von diesem Geschenk lebt dieser Jesus und stirbt er. Dieses Geschenk Gottes bleibt bei ihm, unabhängig von allem, was im Leben geschieht.

"Dieser Mensch ist in der Tat Gottes Sohn!" Dieser Mensch ist in der Tat derjenige, der die Gegenwart Gottes ernst genommen und angenommen hat, und deswegen auch den Menschen annehmen kann so, wie er ist, in seiner Gesamtheit.

"Kehrt um und glaubt an das Evangelium!" Umkehren, .ja. An der Schwelle des Jahres sind es viel mehr, als wir ahnen, die umkehren möchten. Die aus ihrer Verfangenheit, den Teilwahrheiten des Lebens herauskommen, zu einer Gesamtheit dessen kommen möchten, was ihr Leben ist. Die nicht mehr sich mit Teilantworten zufrieden geben, sondern die. Ausschau halten nach der umfassenden Antwort.

Umkehren? Mit wem und zu wem hin? Man kann diesen Satz auch so anfangen: Glaubt an das Evangelium, an diesen Jesus Christus, dann könnt ihr umkehren, dann könnt ihr den Weg gehen.

Es ist sicher ein Angebot. Aber wäre das nicht eine Aufgabe einer

Kirche, dass sie Angebote machen kann; glaubwürdige? Denn wir glauben doch daran, dass Gott bei uns ist; heute und alle Tage. Dass er viele Geschenke bereithält für unser Leben. Dass er uns, wie Martin Luther es in seiner Erklärung zum 1. Artikel gesagt hat; mit aller Notdurft des Leibes und des Lebens versorgt.

Dass wir also von ihm durch die Zeit, auch dieses Jahres, umgeben und getragen sind und dass wir deswegen weitergeben können denen, die da fragen: Wohin umkehren? AMEN!