Predigt vom 24.01.1988 - Pastor Schnabel - 2. Könige 5, 1-19
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen - AMEN!
Liebe Gemeinde!
Es ist verheißen, dass Menschen von Osten und Westen und von Norden und Süden im Reich Gottes zu Tische sitzen werden.
In der Epistel haben wir heute gehört, wie Juden und Griechen zum Glauben kommen. Und im Evangelium steht, wie der Hauptmann von Kapernaum, ein Heide, Jesus aufs Wort glaubt. Jesus spricht zu ihm: "Dir geschehe, wie du geglaubt hast!" Und der Predigttext heute steht im Alten Testament. Es ist eine sehr alte, wundersame, kluge Geschichte davon, wie ein Außenstehender, also ein Heide, zu Gott findet.
Nordöstlich von Israel wohnen die Aramäer. Der König von Aram hält Israel in Schach. Er hat eine hervorragende Armee und einen besonders fähigen General. Um diesen General geht es heute in der Geschichte. Er heißt Naaman. Naaman ist der Oberkommandierende. Er hat noch jede Schlacht gewonnen. Der König zahlt ihm ein sagenhaft hohes Gehalt. Naaman ist der wichtigste Mann im Staat und unersetzlich für den König.
Eines Tages nach dem Baden, beim Abtrocknen, bemerkt Naaman einen Ausschlag auf seinem ganzen Körper. Und er schaut genau hin und sieht sofort; das ist Aussatz, Lepra. Er erkennt; ich bin unheilbar krank! Er sagt es dem König, der König ist bestürzt.
Er sagt es seiner Frau, die ist traurig. Keiner weiß Rat, keiner weiß einen Arzt, der helfen kann. Aber unter dem Personal des Hauses Naaman gibt es ein Dienstmädchen, das einmal von aramäischen Soldaten aus Israel verschleppt worden ist, und die weiß eine Adresse; der Prophet in Samarien, im Nordreich Israels. Sie sagt: Da ist ein Prophet, der könnte ihn heilen. Elisa heißt er, der Nachfolge von Elia. Naaman bricht auf und er begeht dabei dreimal einen Irrtum, bis er zu Gott findet.
Hört nun die Geschichte, wie sie in der Bibel steht; im 2. Buch der Könige im 5. Kapitel: "Naeman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und wert gehalten; denn durch ihn gab der Herr den Aramäern Sieg. Und er war ein gewaltiger Mann, jedoch aussätzig. Aber die Kriegsleute der Aramäer waren ausgezogen und hatten ein junges Mädchen weggeführt aus dem Lande Israel; die war im Dienst der Frau Naemans. Die sprach zu ihrer Herrin: Ach, dass mein Herr wäre bei dem Propheten in Samariea! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien. Da ging Naeman hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat das Mädchen aus dem Lande Israel geredet. Der König von Aram sprach: So zieh hin, ich will dem König von Israel einen Brief schreiben. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechstausend Goldgulden und zehn Feierkleider und brachte den Brief dem König von Israel; der lautete: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht Naeman zu dir gesandt, damit du ihn von seinem Aussatz befreist. Und als der König den Brief las, zerriss er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht!
Als Elisa, der Mann Gottes, hörte, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm und ließt ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn zu mir kommen, damit er innewerde, dass ein Prophet in Israel ist. So kam Naeman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas. Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden. Da wurde Naeman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und her treten und’den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien. Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Amana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, so dass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn. Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wieviel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein. Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes mit allen seinen Leuten. Und als er hinkam, trat er vor ihn hin und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht. Elisa aber sprach: So wahr der HERR lebt, vor dem ich stehe: ich nehme.es nicht. Und er nötigte ihn, dass er es nehme; aber er wollte nicht. Da sprach Naeman: Wenn nicht, so könnte doch deinem Knecht gegeben werden von dieser Erde eine Last, soviel zwei Maultiere tragen! Denn dein Knecht will nicht mehr anderen Göttern opfern und Brandopfer darbringen, sondern allein dem HERRN. Nur darin wolle der HERR deinem Knecht gnädig sein: wenn mein König in den Tempel Rimmons geht, um dort anzubeten, und er sich auf meinen Arm lehnt und ich auch anbete im Tempel Rimmons, dann möge der HERR deinem Knecht vergeben. Er sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden!"
Ihr Lieben!
Das ist eine lange Geschichte, schön erzählt in orientalischer Breite. Und es ist eine kluge Geschichte.
Naaman ist ein wichtiger Mann im Staat. Als der König von Aram hört, dass es Heilung für Naaman gibt, setzt er alle Hebel der Macht und der Diplomatie und des Geldes in Bewegung. Man merkt gleich; hier handelt eine Weltmacht, hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt. Naaman ist ein Macher. Zehn Zentner Silber, sechstausend Goldgulden und Gastgeschenke lässt er einpacken. Vier große Wagen mit Eskorte stehen bereit. Naaman hat ein Empfehlungsschreiben seines Königs bei sich; so reist er nach Israel. Und wo reist er da hin? Natürlich zum Königshof. Solche Herren gehen immer gleich in die Chefetage; die erste Adresse des Landes ist gerade gut genug. Wenn es Spezialisten gibt, denkt Naaman, dann sind sie am Hof des Königs zu finden. Das ist für Naaman gar keine Frage. Er fährt in Jerusalem beim König Joram vor, und hier erfährt er seinen ersten Irrtum. Über diese Krankheit hat auch der mächtige König keine Macht. Der König Joram in Jerusalem ist von dem Besuch Naamans so verwirrt, dass er denkt, es sei eine Falle und die Aramäer planten vielleicht einen Krieg.
(Später im Neuen Testament haben wir eine ähnliche Geschichte, wo die heiligen drei Könige auch erst mal zum glänzenden Königshof gehen, um dort das neu geborene Kindlein anzubeten, bis sie den Weg zum Stall finden.)
Elisa hört von dem Besuch Naamans und sendet eine Botschaft zum König: Lasst ihn zu mir kommen, damit er begreift, dass ein Prophet in Israel ist! Naaman bekommt Elisas Adresse und fährt mit seinem großen Reisewagen hin. Er merkt schon unterwegs, dass die Straßen immer enger werden. In einer einsamen Gegend, vor einem kleinen Reihenhaus, hält er an. Ihr müsst euch vorstellen, das ist so ähnlich, wie wenn der amerikanische Botschafter mit vier Straßenkreuzern nach Deutsch Evern käme und hier vielleicht im Lärchenweg einfahren würde. Naaman ist schon etwas mürrisch. Nach seinen Erfahrungen kann in so einem kleinen Häuschen kein Spezialist wohnen, denn, wer was kann, der hat auch Geld. Naaman bleibt verdrießlich in seinem Wagen sitzen.
Kaum hat er angehalten, da kommt ein Diener des Elisa heraus und teilt ihm durch’s Fenster mit, was der Prophet ihm sagen lässt: "Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wirst du rein werden!" Der Diener geht wieder in’s Haus, und Naaman sitzt in seinem Wagen. Er ist wütend. Er ist in seiner Ehre gekränkt. Er will geheilt werden von einem Spezialisten. Die teuersten Medikamente würde er gern bezahlen; die aufwendigste Heilmethode, das hat er erwartet. Und da kommt der Herr Prophete noch nicht mal selbst heraus und lässt nur durch einen Diener sagen, er solle sich im Jordan waschen. Waschen, denkt Naaman, kann ich mich auch zuhause, da haben wir in Aram bessere Bäder als hier in Israel. Ich reise ab!
Und das ist nun der zweite Irrtum von Naaman. Er ist zu stolz.
Solche mächtigen Männer haben’es ’schwer, demütig zu sein. Das ist etwas, was die kleinen Leute leichter können. Die müssen nämlich in ihrem Leben mit so viel Unrecht leben, und können sich gegen so viele Dinge gar nicht wehren.
Naamans Diener, das sind kleine Leute. Und die sind in diesem Augenblick klüger als ihr Herr. Sie überreden ihn nämlich, seinen Stolz zu besiegen. Und dann steigt er aus und badet im Jordan, wie es der Mann Gottes gesagt hat, und er wird heil. Und das verschlägt dem Naaman die Sprache. Er ist jetzt dem allmächtigen Gott begegnet. Naaman fährt zurück zu Elisa und will ihn bezahlen.
Und das ist der dritte Irrtum Naamans; denn Gott kann man nicht bezahlen und Elisa nimmt nichts an.
Naaman muss sich beschenken lassen von Gott. Dieser blitzgescheite, steinreiche Topmanager einer Weltmacht hat nichts, womit er Gott bezahlen kann.
Eilsa ist kein Spezialist, der seine Kunst gegen Honorar verkauft. Elisa ist ein Diener Gottes, und da sind die Maßstäbe ganz anders.
Gott handelt durch Elisa, und am Ende ist Naaman ein anderer Mensch.
Er ist bekehrt, er will auch ein Knecht dieses HERRN sein. Das erfahren wir daraus, dass er vier Körbe mit Erde des gelobten Landes mit nach Haus nehmen will. Und wir merken auch aus dieser Geschichte, dass es ihm ernst ist. Er hat die Konsequenzen bedacht. Zu Haus in Aram muss er nämlich an den Staatsgottesdiensten teilnehmen im Tempel. Wir haben gehört, dass der König sich dabei auf seinen Feldherrn stützt. Viele kleine Götter werden da verehrt. Der Gott Rimmon - man hört es schon am Wort, das ist der Donnergott, wie Donar bei den Germanen - der Gott Rimmon, der wird dort verehrt. Was soll ich bloss machen? Fragt er Elisa. "Der HERR möge mir vergeben!" Und Elisa sagt: "Ziehe hin mit Frieden!" Er überlässt ihn der Führung Gottes.
So endet diese Geschichte von einem, der auszog, geheilt zu werden. Viel Geld nahm er mit. Mit Macht und Empfehlungsschreiben kam er an. Im Schloss suchte er den berühmten Spezialisten; aber er fand ihn in einer kleinen Gasse, bei dem Mann Gottes, der kein Geld nahm. Demütig musste er selbst aus dem Wagen steigen, in den Jordan musste er selbst hinabtauchen. Aber so wurde er rein. Die Adresse Elisas verdankte er einem unscheinbaren Dienstmädchen aus Israel, das er vorher nicht beachtet hatte.
Seine Macht hat ihm nichts genützt; sein Geld hatte ihm nichts genützt; das Empfehlungsschreiben seines Königs hatte ihm nichts genützt.
Aber Gott hat an ihm gehandelt und als er nach Haus fährt, ist er ein neuer Mensch. Was ihm früher in seinem Leben den ersten Platz einnahmen, das ist jetzt zweitrangig geworden. Der eine Gott ist wichtig. Naaman will jetzt keine anderen Götter mehr haben neben IHM. Naaman ist geheilt!
Und die Wahrheit dieser Geschichte, die ist tausendfach bezeugt von Menschen, denen es ähnlich ergangen ist.
Wer von uns ist denn nicht - zumindest als Jugendlicher - ins Leben hinausgezogen, stolz und hochfahrend und auch selbstherrlich? Wer hat nicht schon mal in seinem Leben versucht, mit Gott zu handeln? Wir versuchen zeitweise alle, unseren Stolz vor Gott zu behaupten.
Aber heil werden wir erst, wenn wir erfahren, dass das gering Geachtete im Leben bedeutsam ist vor Gott. Dass die Dingen, die in der Welt groß gelten, sehr schnell, in einem Augenblick, belanglos werden können.
Wir lernen um Gottes Willen, dass es Wege gibt, die wir ganz allein gehen müssen, ohne Absicherung, wo uns unser Ansehen und unser Status nichts hilft. Wir lernen, dass wir Gott nicht bezahlen können; nicht mit Leistung und auch nicht mit Frömmigkeit.
Und wer diese Schwachheit demütig erfährt, der wird stark in Gott und dem wird es geschenkt, und der kann in Frieden die Straße seines Lebens ziehen - AMEN!
Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!