Predigt 608

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Predigt vom 21.02.1988 - Pastor Schnabel - 2. Kor. 6, 1-10

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, Und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!

Liebe Gemeinde!

Vor etwa 800 Jahren sitzt der deutsche Minnesänger Walther von der Vogelweide auf einem Stein. Er hat ein Bein über das andere geschlagen, darauf den Ellenbogen gestützt; den Kopf in die Hand geschmiegt.

Er denkt nach, wie man in dieser Welt zu leben habe. Und er zählt auf, drei Dinge möchte er haben: Ehre, Besitz und die Gnade Gottes. Und diese drei möchte er alle in das Gefäß seines Herzens tun; hineinstopfen. Aber wie er’s auch dreht und wendet - so erzählt er’s in seinem Gedicht - er merkt, dass es nicht geht, "dass Gut und weltlich Ehre - und Gottes Hulde mehre, zusammen in ein Herz kommen".

Ehre, Besitz und Gnade Gottes passen nicht zusammen in ein Menschenherz, da gibt es immer Spannungen.

Wir müssen auf Besitz und Ehre in der Welt verzichten, wenn die Gnade Gottes in unseren Herzen wohnen soll.

Großbesitz und Ehre bekommst du in der Welt nur, wenn du Macht hast. Lebst du aber ganz aus der Gnade Gottes, dann kannst du gar nicht reich und mächtig werden. Und darum wird man dir ohne Besitz und Macht auch die Ehre versagen.

Wie du es auch drehst und wendest, es passt nicht zusammen. Du bekommst nicht Ehre, Besitz und die Gnade Gottes in ein Herz hinein. Das Dasein in der Welt bringt es immer mit sich, dass du immer einen Mangel, immer einen Hunger, immer eine Sehnsucht verspüren wirst. Entscheidest du dich für Besitz und Ehre, dann lebst du vielleicht angesehen und bequem in den Ansichten der Mehrheit der Menschen, aber du spürst in bestimmten Augenblicken, dass dir etwas fehlt; dass deine Seele verhungert, dass es im Leben mehr als alles geben muss.

Ist umgekehrt aber dein Herz von der Gnade Gottes erfüllt, dann lebt deine Seele auf, dann erfährst du die Liebe Gottes. Dann stehst du schon mit einem Bein im Reich Gottes, in dem Neuen, was sicher kommt und was jetzt schon angebahnt ist. Aber im Zusammensein mit der Welt musst du damit rechnen, dass du auf Widerstand stößt, dass du verlacht wirst, dass du eine komische Figur machst.

Paulus ist so einer, der das in seinem Leben erfahren hat, weil er das wirklich gelebt hat. Und darum hört den Predigttext für diesen ersten Sonntag in der Passionszeit, wie er geschrieben steht im 2. Korintherbrief im 6. Kapitel:

"Als Mitarbeiter Gottes ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt. Denn er spricht: "Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heiles geholfen." Siehe, jetzt ist die Zeit de, Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde; sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsal, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, in Wachen, in Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, in Ehre und Schande; in guten und bösen Gerüchten; als Verführer, und doch wahrhaftig; als Unbekannte, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, die doch viele reich machen; als die, die nichts haben, und die doch alles haben."

Gott segne an uns dieses Wort!

Das sind merkwürdige Sätze. Für Paulus ist es natürlich ganz klar, warum die Gnade Gottes im Herzen, mit der Welt nicht zusammenpassen kann. Paulus beklagt sich nicht, sondern er beschreibt sehr treffend in einer langen Aufzählung den Zustand.

Christus ist gekreuzigt, gestorben, begraben, und er ist auferstanden von den Toten. Das heißt: Gott hat die Macht der Liebe bestätigt, auf die Jesus alles gesetzt hat. Es ist der Weg Jesu, der eine Weg, der zum Heil führt: Sein Reich kommt gewiss!

Noch will zwar das Alte unsere Herzen quälen, aber des Neue hat schon begonnen. Paulus zählt auf, die Mittel, die wir haben; die Lebensmittel. Lauterkeit, Erkenntnis, Freundlichkeit, ungefärbte Liebe.

Das ist die Kraft, die Christus uns verleiht, wenn wir auf seinem Weg gehen: Das Wort der Wahrheit, der Heilige Geist, die Waffen der Gerechtigkeit. Nur allein das hat Zukunft! Nur damit können wir kämpfen und leben und bestehen. Alles andere verdirbt uns, verdirbt die Welt, hat auch keine Zukunft, gehört eigentlich zu einer vergangenen Zeit, die jetzt nur noch in den letzten Zuckungen liegt.

So schlimm und wie grausig das auch manchmal aussieht; Paulus bezeichnet sehr deutlich, dass hier zwei verschiedene Welten zusammentreffen; dass sie sich miteinander reiben und beißen müssen.

Wir sind Arme, die doch viele reich machen. Wir haben nichts, und haben doch alles. Die Macht der Liebe und des Heiligen Geistes, die haben wir alle erst zu einem kleinen Teil erfahren; die ist viel gewaltiger, als wir denken. Wer sie noch nicht erfahren hat, der muss sie für armselig halten. Schon das Wort "Macht"; Macht der Liebe! Das erscheint uns so gegensätzlich, weil wir das Wort "Macht" in uns verbinden mit Begriffen von Unterdrückung und Beherrschung. Aber die Macht der Liebe ist eine Macht, die Menschen befreit, die die selbstgemachten Ketten zerbricht; die Gefängnisse aufschließt, in die sich Menschen selbst eingesperrt haben. Es ist eine Macht, die Mauern einreißt, mit denen sich Menschen voneinander abgrenzen.

Jesus hat nie daran gezweifelt, dass die Liebe die stärkste Macht ist; stärker als alle Waffen; stärker als der Tod. Und im festen Vertrauen auf diese Macht der Liebe Gottes ist Christus ans Kreuz gegangen, und Gott hat ihn auferweckt; hat sozusagen bestätigt durch die Auferstehung: Ja, das allein hat Zukunft und das gilt!

Natürlich erschienen die, die Christus gekreuzigt haben, im Augenblick als die Mächtigen. Sie wollten ihn tot machen. Sie wollten Gottes Idee aus der Welt räumen. Aber es hat alles nichts genützt; Gott hat ihn auferweckt von den Toten und er hat gesiegt; dieser Christus, den wir unseren HERRN nennen.

"Kann uns doch kein Tod nicht töten - sondern reißt unser’n Geist - aus viel tausend Nöten."

Paulus ermahnt uns - und das ist wichtig an dieser Stelle - doch etwas mehr zu wagen. Denn unser Leben geschieht jetzt, in der Gegenwart, und Christus hat uns verheißen, dass er geistig gegenwärtig sein will.

Wir erfahren die Kraft Gottes nur, wenn wir sie leben, wenn wir in seinem Geist etwas wagen.

Solange wir nur Dinge tun, die wir vorher genau berechnen können, wo wir uns mit unserer kleinen Macht absichern, solange werden wir nur kleine Dinge zustande bringen. Wo uns aber die Vision leitet, wo wir auf sein Wort hin auch über”s Meer gehen, Ja werden wir nicht untergehen, sondern da werden große Dinge geschehen.

Innerhalb einer Christengemeinde und auch gegenüber den Verächtern Gottes, können wir nur glaubwürdig sein, wenn wir uns auf die Macht der Liebe und auf den Geist Christi verlassen; wenn unser Herz von der Gnade Gottes erfüllt ist. Aber eben das erfahren wir nur, wenn wir’s leben.

Was Paulus da sagt, das erscheint ja sehr altertümlich. Und es ist eine lange Liste, die man beim einmaligen Anhören gar nicht behält. In anderen Worten klingt es vielleicht vertrauter.

Was Paulus sagt ist dies: Uneigennütziges, faires Verhalten, Beständigkeit in der Beziehung zu anderen Menschen, Toleranz, geschwisterliche Achtung Andersdenkender, das muss alles besonders dann zur Geltung kommen, wenn wir angegriffen werden.

Und wenn wir dann nicht nach der Macht schielen, nicht paktieren und intrigieren mit den Einflussreichen, sondern aufrichtig argumentieren im Geiste der Wahrheit, das soll unsere Stärke sein. Damit gewinnen wir zwar weder Ehre noch Besitz; damit erscheinen wir in den Augen der Welt sicherlich auch manchmal wie komische Gestalten, oder wir werden auch verfolgt, da, wo die Macht der Liebe um sich greift und Wirkung zeitigt und den Mächtigen dieser Welt das Geschäft verdirbt.

Aber auch in jeder Niederlage mit der Wahrheit erweist sich das Reich Gottes als unaufhaltsam. Während ein fadenscheiniger Sieg mit irdischer Gewalt keinen Bestand haben kann.

Als Jesus verhaftet wird, greift Petrus zum Schwert, will Jesus verteidigen, haut einem Kriegsknecht das Ohr ab. Und Jesus sagt: Petrus, steck das Schwert wieder weg! Meinst du nicht, Gott könnte mir über 12 Legionen Engel schicken? Petrus hat damals noch nicht erkannt, dass es Jesus eben darum geht, mit der Macht der Liebe die Welt zu retten. Jesus bückt sich, hebt das abgeschlagene Ohr auf, heilt es dem Malchus wieder an und lässt sich verhaften und geht den Weg an’s Kreuz.

Am Kreuz entmachtet Christus die alte Welt und da beginnt das Reich Gottes. Es dämmert herauf. Das Alte nimmt ab und das Neue nimmt zu. Das kann man sich vorstellen wie zwei Keile, die aufeinander liegen. Das Alte nimmt ab, wird immer kleiner; das Neue nimmt zu, wird immer größer. Und wir leben dazwischen.

Und darum stimmt es, was Paulus sagt. Darum erleben wir, dass so vieles in unserem Leben nicht zusammenpassen kann. Wir sind arm und reich. Wir sind traurig und fröhlich. Wir sind geduldig in Ängsten und haben Hoffnung. Wir haben Trübsal und haben Mut. Wir werden als Christen verachtet, aber man beschäftigt sich doch mit uns.

Das ist diese Zwischenzeit; das Alte nimmt ab, das Neue nimmt zu. Und darin sollen wir uns bewähren. Ohne Macht, mit leeren Händen, mit der Gnade Gottes im Herzen; mit dem Wort der Wahrheit allein.

Ich weiß, dass das hehre Worte sind, aber sie werden uns durch das Wort der Bibel vor Augen geführt.

Mit dem Wort der Wahrheit allein sollen wir die Welt orientieren und Zeichen setzen, und Salz der Erde und Licht der Welt sein.

Das können wir aus eigener Kraft nicht. Aber wenn wir die Gnade Gottes in unser Herz lassen, dann soll uns diese Macht gegeben werden - AMEN!

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!