Predigt 613 zum Ostersonntag

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Predigt vom 03.04.1988 - Pastor Schnabel - Ostersonntag - 1. Samuel 2, 1-2, 6-8a

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!

Liebe Gemeinde!

Unsere Konfirmanden heben gelernt, dass im Alten Testament Geschichten stehen vom Volk Israel und seinen Erfahrungen mit Gott.

Heute am Ostersonntag haben wir einen Predigttext aus dem Alten Testament. Es ist das Gebet der Hanna. Diese Hanna war die Mutter von Samuel, dem Propheten. Hanna hat eine bestimmte Gotteserfahrung gemacht, die so ähnlich ist wie das, was wir in der Ostergeschichte hören.

Hanna war lange ohne Kinder geblieben. Sie wurde deshalb verspottet und das machte sie so traurig, dass sie sterben wollte. Sie hat oft darum geweint und nichts gegessen. Du kriegst keine Kinder, sagten die anderen, mit dir stimmt etwas nicht! Trotz dieses jahrelangen Leidens und dieses Spottes hat die Hanna nicht resigniert; ist sie nicht bitter geworden. Sie geht weiter aufrecht, sie bleibt an der Seite ihres Mannes. Sie betet im Tempel so inbrünstig zu Gott, dass der Priester Eli denkt, sie wäre betrunken. Aber sie ist es nicht, sie bringt ihr Herzeleid vor Gott und gelobt: Wenn ich ein Kind bekomme, dann soll es Gott gehören! Und endlich wird sie erhört; sie wird schwanger und bringt den kleinen Samuel zur Welt, der später die Könige Saul und David salbt. Ihr könnt die Geschichte im 1. Buch des Samuel nachlesen.

Später, als ihr kleiner Sohn Samuel laufen kann, geht sie mit ihm zum Tempel. Dort betet sie. Ihr Gebet ist überliefert; es ist das große Zeugnis einer Gotteserfahrung.

Hört das Wort aus dem 1. Buch des Samuel im 2. Kapitel:

"Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn; mein Haupt ist erhöht in dem Herrn. Mein Mund ist weit aufgetan wider meine Feinde; denn ich freue mich deines Heils.

Es ist niemand heilig wie der Herr, außer dir ist keiner; und es ist kein Fels, wie unser Gott ist.

Der Herr tötet und er macht lebendig, er führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der Herr macht arm und reich; er erniedrigt und er erhöht.

Er hebt die Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre sie erben lasse."

Gott segne an uns dieses Wort!

Das ist Hannas Gotteserfahrung: Gott tötet und macht lebendig; er führt hinab in die Not, in die Missachtung, in die Anfechtung, und er führt wieder hinauf zu Leben und zu Glück.

Hanna preist in diesem Gebet Gott den anderen Menschen an. Sie sagt: Es ist kein anderer Gott neben ihm! Wie im 1. Gebot. Gott ist wie ein Fels, ist wie ein fester Grund, das hat sie erfahren.

Hanna hat gebetet, obwohl nach ihrem Ermessen die Dinge aussichtslos schienen.

Während man betet in der Not und sich nicht unterkriegen lässt, machen wir die Erfahrung, dass die Seele dabei reicher und fester wird.

Hanna redet dieses Gebet nicht leicht daher. Sie hat gelitten; sie wollte sterben. Aber Gott hat sie zu neuem Leben erweckt. Sie war in der Hölle, aber Gott hat sie herausgeführt. Sie war arm, aber Gott hat sie reich gemacht. Sie war erniedrigt, aber Gott hat sie erhöht. Hanna hat beides aus Gottes Hand erfahren. Ausdrücklich sagt sie; der Herr tötet, und er macht lebendig. Er erhöht den Armen aus der Asche.

Da ist die neue Bibelübersetzung geglättet übersetzt. Luther übersetzt viel drastischer, er sagt: "Aus dem Kot erhöht er die Armen". Und die Bibel ist im Originaltext noch drastischer.

Wir Menschen vergessen manchmal unsere blumige Sprache, wenn uns ein schwerer Schicksalsschlag trifft. Dann sagen wir einfach: Es ist alles Scheiße! Und das ist hier gemeint. Auch da hebt Gott heraus aus dieser Verzweiflung, wo du wirklich denkst: Es ist alles vergebens! Es ist alles kaputt und vorbei!

Hanna fragt nicht, warum das so ist. Sie bezeugt: So ist es, so habe ich es erfahren; der Herr führt hinab zu den Toten und wieder herauf.

Und dass wir dieses Wort nach der Ordnung unserer Kirche nun heute am Ostersonntag aufgegeben bekommen, das hängt damit zusammen, dass Hannas Gotteserfahrung, Hannas Weg, so ähnlich ist, wie später der Weg Jesu.

Hanna macht eine ähnliche Gotteserfahrung, so ähnlich wie Abraham vor ihr, der ins Ungewisse hinaus muss, in die völlige Unsicherheit, und erst nach einer langen, mühsamen Lebenserfahrung voller Zerbrochenheit und Enttäuschung das Ersehnte und Erbetene bekommt. Oder wie Mose, der verstoßen wird, der durch die Wüste ziehen muss, bis er das gelobte Land von ferne sieht. Oder wie Paulus, der hoch zu Ross auszieht und Gott verteidigen will und den der Blitz vom Himmel trifft. Er fällt vom Pferd und wird blind in die Stadt Damaskus geführt.

Gott führt hinab in den Nullpunkt, und dann führt er hinauf.

Der Weg Jesu war ein ständiger Abstieg. Im Stall geboren. Jesus bleibt fest in seiner Liebe. Er rettet und heilt und hilft. Und trotzdem; im Garten Gethsemane ist er verlassen. Die Jünger schlafen; begreifen nicht, was vor sich geht.

Es geht weiter hinab nach Golgatha - gekreuzigt, gestorben und begraben; gerichtet, verurteilt, gefoltert; gekreuzigt, gestorben und begraben an unserer Statt.

Gott lässt Jesus töten und erweckt ihn auf, und damit bekennt sich Gott zu Jesus und sagt: Da geht es hinauf!

Am dritten Tage auferstanden von den Toten! Das ist das, was wir heute feiern: Karfreitag, der erste Tag - der zweite Tag war gestern, Sonnabend - heute der dritte Tag ist Ostern; auferstanden von den Toten.

Gott macht mit der Erweckung des toten Christus alles absolut gültig, was Jesus gesagt, getan und gelebt hat für uns.

Sonst in unserer Welterfahrung schauen wir auf das Ende. Wenn einer auch noch So Gutes getan hat; wenn er am Ende zerbrochen ist, sagen wir: Na, da sehen wir’s wieder, es war nichts wert, diesen Weg lohnt es nicht zu gehen!

Hier ist Christus hinabgestiegen bis in die Hölle hinein, und Gott hat ihn auferweckt. Und daran erkennen wir, dass dieser Weg, der in den einzelnen Schritten so vergeblich scheint, doch gerade zu dem leuchtenden Ziel führt. Christus hat gerade auf dem Weg durch die Hölle ein neues Verhältnis zu Gott für uns angeknüpft. Und nun ist er wie ein großer Bruder für uns, der uns, die kleinen Geschwister, nach sich zieht.

Wir Christen sind die Nachfolger Christi, darum heißen wir so.

Und da Jesus zu Lebzeiten schon gesagt hat: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr, müssen wir uns klar sein, dass auch unser Weg hinab geht; dass wir im Glauben leben, und doch nichts beweisen können; dass wir nur bezeugen können so, wie die Hanna in ihrem Gebet.

Vergeblich scheint oft unsere Arbeit. Der Weg unseres Lebens führt durch Mühsal hindurch auf Hoffnung hin. Das Einzige, worin wir uns von anderen Menschen unterscheiden ist, dass wir beten, dass wir auf Gott schauen, dass wir immer wissen; es ist noch nicht aller Tage Abend. Wir müssen Spott und Missachtung ertragen, aber wir bleiben dran, weil wir ahnen; der Weg führt hinab und hinauf. Wenig Erfolg sehen wir, und doch ist uns verheißen, dass nichts umsonst ist, was der Glaube wirkt. Nichts ist umsonst, was ihr in Liebe tut. Die größte Bedrohung für unser Leben ist ja die, dass alles sinnlos ist. Die größte Bedrohung ist das Chaos. Wenn Menschen aus diesem Leben selbst gehen wollen, dann sind sie darin bedroht, dass sie : sagen: Es hat alles keinen Sinn; es ist alles ein Haufen Schutt; es macht keinen Sinn mehr; es läuft auf nichts hinaus!

Aber nun ist Christus in die Welt gekommen und hat gesagt: Durch diesen Weg von Schutt und Asche geht es hindurch in ein Neues!

Es kann vielleicht erst nach dem Tod das aufgehen, was du in deinem Leben säen durftest. Wo du oft dachtest, es wäre vergebens gewesen. Wir haben Menschen an unserem eigenen Lebensweg gehabt, die Gutes in uns setzten und gesät haben, und die das vielleicht nicht aufgehen sahen, diese Saat. Erst später ist es deutlich geworden, und da waren sie tot, wir konnten es ihnen nicht sagen. Aber es war nicht vergeblich.

Wir sind im Leben unterwegs und es ist noch nicht zu Ende. Vieles geht erst später auf, was uns jetzt verheißen ist.

Durch Spott und Verachtung kann der Weg gehen. Es kann sein, dass jemand auf seiner Arbeit sich zu Christus bekennt und von da an den Stempel weg hat: Das ist einer von diesen Frommen! Und eines Tages, so kann es sein, dass die Frau eines Kollegen stirbt, und dass dieser Kollege sich dann an den Spinner wendet, den frommen Spinner, weil er spürt; der hat etwas von Gott erfahren, der lebt von etwas, das über den Tod hinausgeht. Auch das ist ein Hinabführen in den Spott und in den Hohn, und ein Hinaufführen, dass etwas aufleuchten kann von dem, was uns verheißen ist.

Gott führt hinab und führt hinauf zu seiner Zeit!

Hanna bezeugt diese Gotteserfahrung, dass nichts ohne Plan und Sinn und Ziel geschieht; dass Gott dein Leben führt, hinab auf den Nullpunkt - wie Paulus z.B. - und hinauf in Seine Kraft, in Sein Reich, in Seine Herrlichkeit.

Das steht ja nicht umsonst am Ende des Vaterunsers, das Gebet, das Christus uns hinterlassen hat, wo es heißt: "… denn dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit!" Wir erleiden ja Schiffbruch mit dem, wo wir denken, unser sei die Kraft und unser sei die Herrlichkeit und es wäre unser Reich.

Abstieg, Tod und Auferstehung gehören zu dem Weg unseres Herrn. Und Jahrtausende lang haben Christen ihre notvollen, rätselhaften Schicksale durchlebt und wurden aus dem finsteren Tal hinaufgeführt in dieses neue Sein durch die Auferstehung, die nämlich in unserem Leben stattfindet.

Osterlieder, so werdet ihr merken, handeln immer von der Hölle und von dem Tod, der erlitten wird und der besiegt wurde. Ohne die Niederlage oder den Tod gibt es keine Auferstehung.

Vor allem werden wir geführt. Und nichts ist umsonst, auch wenn wir es nicht gleich erkennen; auch wenn wir durchs finstere Tal müssen.

Christus ist auferstanden, und das heißt: Es gibt auch am Ende des dunkelsten Tunnels immer ein Licht; und das Licht ist bei Gott.

Am Ende eines Bibeltextes frage ich mich immer; was sollen wir tun?

Wir sollen ausharren wie die Hanna und auf Gott vertrauen und bekennen: Gott ist unser Fels!

Wir wollen Gott bitten, das heißt; beten. Ruhig so töricht beten, wie die Hanna, die darum auch verlacht wurde.

Bitten und beten! Wir tun es zu wenig! Und wir wissen voneinander gar nicht, worum wir bitten. Und wenn wir gemeinsam laut beten würden, dann könnten wir uns treffen bei der einen Verheißung unseres Herrn.

Drittens: Wir wollen’s tun wie die Hanna; fröhlich sein und Gott rühmen. Christen lernen an der Hand ihres Herrn das Weinen und das Lachen, den Tod und die Auferstehung. Sie können mit der Not ihres Lebens besser umgehen, weil wir gar nicht unter dem Druck und der Verheißung stehen, dass unser Leben immer glatt sein muss.

Unser Weg führt durch die Niedrigkeit in die Höhe.

Öffentlich sollten wir unsere Gotteserfahrung bezeugen und von den Wundern erzählen, die wir selbst erlebt haben. Von den Wegen, die wir selbst gegangen sind in die Tiefe, und wo wir herausgeführt wurden aus der Dunkelheit.

Und das Kostbarste an Gaben, womit wir gesegnet sind, jeder einzelne von uns, das sollen wir nach Gottes Willen großzügig geben und ausgeben; so wie Hanna ihr Söhnlein Samuel nicht an sich gebunden hat, sondern ihn zu Gott brachte, dass er z.B. ein Prophet wurde.

Christus ist auferstanden in unsere Herzen und er hat uns etwas vorgemacht. Und alle theoretische Diskussion über naturwissenschaftlich beweisbare Möglichkeiten einer Auferstehung trifft den Kern gar nicht. Abgesehen davon, dass Geist und Materie ohnehin nur in unseren Köpfen getrennt ist; wir haben es auseinander gelegt, damit wir ein bisschen besser technisch damit umgehen können. Aber in unseren Herzen ahnen wir, dass alles eins ist mit Gott, wenn sein Geist uns ergreift.

Gott führt uns hinab und hinauf. Und da, wo wir eins sind mit Gott, da kann es uns gehen wie dem Apostel, der sagt: "Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder sterben, wir sind des Herrn!"

Gott führt hinab und Gott führt hinauf, das ist der Weg, auf dem uns Gott in die Auferstehung führt.

Christus ist uns vorausgegangen. Jeden Sonntag feiern wir seine Auferstehung. Der Weg ist frei, dass wir eins werden mit Gott - hinab und hinauf; der Weg, den wir geführt werden durch’s Leben, durch den Tod hindurch.

Im Grunde leuchtet diese Welt erst richtig auf im Lichte der Osterbotschaft.

Wir sollen mit Christus scheitern und siegen, wach sein und unterwegs bleiben. Es geht über den Tod hinaus. Es gibt ein Ziel. Gott hat uns dieses Ziel markiert in Christus, den er auferweckt hat.

Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, bis wir ankommen und eins sein werden mit IHM - AMEN!

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!