Predigt vom 16.04.1988 - Pastor Schnabel - Beichtgottesdienst für die Konfirmanden
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Ihr Lieben!
Wir haben gesungen: Ich bin auf dem Weg zum Himmel und weichen will ich nicht; ich will von diesem Weg nicht abweichen. Mit dem Refrain: "just like a tree, that’s standing by the water …": "So wie ein Baum, gepflanzt am guten Wasser …".
So steht es in der Bibel im 1. Psalm: "Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl." (Ps. 1, 3)
Wir sind hier zur Beichte versammelt und ich weiß, dass manche Protestanten ein bisschen erstaunt reagieren, dass wir eine Beichte halten. Beichte, heißt eigentlich nach einem alten deutschen Wortsinn; sagen und bekennen.
Wir können es uns leisten, zu beichten; zu sagen und zu bekennen, wo unsere Schuld ist. Es gibt die Ohrenbeichte. Ich habe den Konfirmanden davon erzählt. Deswegen steht der Pastor in der Pflicht, das Beichtgeheimnis zu wahren. Er darf nicht weitererzählen, was ihm da anvertraut ist.
Was wir hier halten, ist die allgemeine Beichte.
Wir können es uns leisten, zu beichten, denn Christus ist für uns gestorben und Gott liebt uns wie der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn, das Jesus erzählt hat, und das wir in Neetze nachgespielt haben.
Ihr wisst aus eurem eigenen Leben, was das für ein armseliges Bild ist von einem Menschen, der die Schuld nicht zugeben kann. Das ist so, wie in den Jangowitzen. Jango muss immer der Größte sein und er ist eigentlich doch so armselig. Er muss immer an seiner Fassade basteln; er muss immer besser sein als die anderen und immer größer und er kann seine Schuld nicht zugeben. Auch wenn es von außen sehr cool aussieht, innerlich ist er einsam und unselig.
Nun hat uns Christus zu einem neuen, seligen Leben miteinander bestimmt und er will, dass wir einander lieb haben, so wie Gott uns liebt. Die Gemeinschaft in Christus, die Gemeinschaft der Heiligen, wie wir im Glaubensbekenntnis sagen, ist etwas Besonderes. Das Besondere besteht darin, dass wir nicht mehr angeben müssen, dass wir die Freiheit haben, unsere Schuld zu bekennen, dass wir erfahren haben, dass wir trotzdem geliebt werden.
Nur aus der Vergebung Gottes heraus kann es besser werden mit uns.
Die Schuld bekennen, das bringt uns zueinander und macht uns frei. Und darum brauchen wir die Beichte zum Leben.
Denkt nur, wie armselig das ist, wenn jemand immer seine Schuld verdecken muss. Wenn er sie immer verhängen muss; wenn er sich immer tarnen muss. Wie er lügen muss und wie er sich mogeln muss durch’s Leben. Und alles nur, weil er nicht sagen kann: Ich bin schuld! Darum kann der, der sich nichts vergeben lassen kann, auch anderen schwer vergeben. Wer die Liebe Gottes in Christus nicht erfährt, der muss mogeln, muss angeben, denn er muss ja Angst haben: Wenn die anderen mich nicht mehr akzeptieren, dann breche ich zusammen! Bloß keine Schuld zugeben! Aber wie erlösend und befreiend ist das, wenn du zugeben kannst: Ich bin schuld, ich bin ein Sünder, Gott steh mir bei! Amen! Das macht dich stark. Die Beichte macht dich stark und eben nicht klein, wie manche Menschen meinen.
Wir beten: "Herr, im Lichte deiner Wahrheit erkenne ich …" - wie es um mich steht - "dass ich gesündigt habe in Gedanken, Worten und Werken".
Ihr habt einen Beichtspiegel in euren Konfirmändenmappen, da stehen Fragen drin, die an den Zehn Geboten entlanggehen. Die Gebote bringen uns in das Licht der Wahrheit.
Untreue erkennst du nur, wenn du einmal erfahren hast, was Treue ist. Und nur, wenn du weißt, wo du eigentlich zu hause bist, kannst du überhaupt erkennen, dass du dich verlaufen hast.
Die Zehn Gebote sind wie die Markierungspfosten unseres Lebens. Wir halten sie nicht alle, aber wir bezeugen sie; sie sind gültig! Und wir ändern nichts an der Tatsache, wenn wir sagen: Ach, mit den Zehn Geboten, das sehe ich nicht mehr so eng oder das nehme ich nicht mehr an. Sie stehen unverrückbar da, wir können drumherum gehen, aber sie bleiben da stehen und sie sind gültig. Und wir sind zur Beichte versammelt als eine Gemeinde, die gemeinsam auf die Zehn Gebote hört und ihr Leben damit vergleicht. Wir sind zusammengekommen um zu bekennen; Gottes Gebote sind gültig!
Das ist ein anderes wichtiges Merkmal der Christengemeinde, dass wir miteinander bekennen; die Gebote gelten! Ob wir sie halten oder nicht - sie gelten! Und an den Geboten erkennen wir dann: Ich bin zurückgeblieben, ich bin schuldig geworden.
Das ist die eine Seite. Und glaubt nur ja nicht, dass das zu verachten wäre. Das zu erkennen ist wichtig. Viele Menschen wissen nämlich gar nicht mehr, wo es langgeht. Sie leben beliebig, sie sagen: Kannst treu sein, kannst nicht treu sein; kannst töten oder nicht töten; kannst klauen, darfst dich nur nicht erwischen lassen. Es ist alles wurscht, es ist alles beliebig.
Glaubt mir: Ein Sünder, der überhaupt noch erkennt; ich bin ein Sünder, ich habe Schuld! Der ist besser dran als einer, der auf dem weiten Meer der Zeit treibt und gar keine Heimat mehr hat, gar keine Treue kennt und darum auch gar nicht weiß, wo er hingehört.
Gott sei Dank hat Gott jeden Menschen ausgestattet mit einem Gewissen, das ertönt wie ein Warnsignal. Entweder hören wir auf dies Signal und hören auf Gott und nehmen die Gebote ernst, oder wir tun’s wie der törichte Autofahrer, den ich neulichst traf. Bei dem blinkte immer die Ölwarnlampe auf und da hat er gedacht: Ich schraube einfach die Ölwarnlampe raus und dann ist das Problem gelöst.
Das hilft nichts. Wir müssen der Stimme unseres Gewissens nachgeben und die Zehn Gebote uns vor Augen halten lassen. Die Zehn Gebote, so hab ich euch immer gesagt, sind wie ein Spiegel, in dem du erkennst: So ist es um dich bestellt. Da erkennen wir, wer wir sind und auch, wer wir sein sollen.
Die andere Seite ist, dass du im Lichte der Wahrheit dein Leben klar siehst, dass du ganz gezielt siehst: Da und da bin ich schuldig geworden. Und du wirst merken, dass du gerade wenn du bekennst, dass du schuldig bist, trotzdem Gottes geliebtes Kind bleibst dass dir die Schuld vergeben wird. Dass sie aber erst festgestellt und dann vergeben wird. Es wird nicht leichtfertig gesagt: Ach, ist alles nicht so schlimm! Sondern ich bekenne, dass ich gesündigt habe in Gedanken, Worten und Werken. Und erkenne in dem Augenblick auch, dass ich trotzdem geliebt und behütet und festgehalten bin, ohne all mein Verdienst und Würdigkeit.
Viele innere Krankheit, viele Spannungen, auch viele körperliche Krankheiten kommen daher, dass wir unsere Schuld verdrängen, dass wir sie nicht rauslassen und vergeben lassen.
Christus vergibt uns die Schuld, und gerade darin erkennen wir, dass wir ihm kostbar sind und dass wir’s nicht verdienen können. Gottes Gebote gelten, auch wenn du sie nicht hältst. Die Liebe Christi, die gibt dir Kraft, deine. Schuld anzuerkennen, sie abzuladen und dann neu weiterzugehen.
Stark und frei und neu will uns Christus machen. Vergeben will er die Sünde, damit wir leben können und uns nicht zeitlebens an alten Schuldgefühlen, an alten Komplexer abschleppen müssen, wie mit einem schweren Sack. (Und wir müssen vor den anderen noch so tun, als ob es uns ganz leicht ist, aber im Grunde brechen wir darunter zusammen.)
Die Beichte ist etwas Wunderbares. Das ist, wie wenn du eine Treppe hochgehst mit einem schweren Sack, und du kommst an und lädst ihn ab und sagst: Da, nimm hin! Wenn man eine schwere Last getragen hat, dann geht man hinterher ganz leichtfüßig, weil die Last uns vorher gedrückt hat und nachher gibt’s uns das Gefühl der Leichtigkeit.
Ein Mensch kann dir durchaus helfen, deine Schuld zu bekennen, aber nur Christus kann sie vergeben.
Ihr kennt die Gebote, ihr habt den Beichtspiegel gelesen. Wir hören die Gebote, aber erst singen wir das Lied "Oh when the Saints go marchin’ in …", so, wie ihr es wolltet. Und auf der Rückseite steht der deutsche, singbare Text und da heißt es: Am Ende wollen wir dabei sein, wenn die Heiligen heim gehen zu Gott. Wenn Christus auf dem Thron sitzt und das Buch aufschlägt.
So steht es in der Bibel: Wir wollen dabei sein; "in that number …". Damit ist der letzte Akt unseres Lebens gemeint.
Darum bleibt Christus treu, denn wir waren ihm soviel wert, dass er für uns gestorben ist - AMEN!