Predigt vom 29.05.1988 - Pastor Schnabel - Epheser 1, 3-14
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Liebe Gemeinde!
Trinitatis ist das Fest der Dreifaltigkeit; Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Diese "Dreiheit" kommt immer wieder vor. Bei der Taufe heißt es: "Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!" Bei dem Segen heißt es: "Es segne und behüte euch Gott, der Allmächtige und Barmherzige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist!" Im Glaubensbekenntnis haben wir wieder diese "Drei- heit": "Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen … und an Jesus Christus … und an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche".
Das sind drei verschiedene Weisen, auf die uns Gott sucht; verschiedene Weisen, in denen uns Gott begegnet.
Vater, Sohn und Heiliger Geist, das ist wie ein Tisch mit drei Beinen, und keines dieser Beine darf fehlen, sonst kippt er um.
Das Wort, das wir heute aus dem Epheserbrief hören umreißt in zehn Sätzen, dicht gebündelt das ganze Evangelium. Und eben darin ist auch die Trinität bezeichnet.
Gott, der Vater, der uns als seine Kinder adoptiert wie verlorene Söhne, die heim- kommen und umarmt werden unter Tränen, noch ehe sie unter Beweis stellen können, daß sie sich geändert haben.
Der Sohn, Jesus Christus, wahrer Mensch, der sich hingibt zu unserer Erlösung, der uns ausdrücklich zusagt, daß wir seine Geschwister sind.
Und der Heilige Geist, der uns gegenwärtig erfaßt und uns überhaupt erst den Glau- ben ermöglicht.
Hört nun den Predigttext für diesen Sonntag Trinitatis aus dem Epheserbrief im 1. Kapitel:
"Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, daß wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weis- heit und Klugheit. Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluß, den er zuvor in Christus gefaßt hatte, um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, daß alles zusammengefaßt würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist.
In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluß seines Willens; damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. In ihm seid ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit - in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, ver- siegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unter- pfand unseres Erbes, zu unserer Erlösung, daß wir sein Eigentum würden zum Lobe seiner Herrlichkeit."
Gott segne an uns dieses Wort!
Ich habe das "in ihm" immer betont. Gott hat uns durch Christus gesegnet. In IHM hat er uns erwählt, in SEINER Liebe hat Gott wie ein Vater uns zu Kindern gemacht. Durch ‚Christus sind wir begnadigt nach seinem Willen. In IHM haben wir Erlösung durch sein Blut und Vergebung der Sünden. In Christus hat Gott uns das Geheimnis seines Willens wissen lassen. In Christus soll alles zusammen gefaßt werden im Himmel und auf Erden. In IHM sind wir zu Erben eingesetzt, damit wir etwas sind zum Lobe seiner Herrlichkeit. In IHM, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, seid ihr versiegelt mit dem Heiligen Geist, daß ihr sein Eigentum würdet.
Damit ist Christus als der Schatz der Gemeinde bezeichnet. Diesen Schatz schöpfen wir in einer Lebenszeit nicht aus.
Christus ist wie das große Fundament eines Brückenpfeilers, von dem man nur den kleineren Teil sieht. Aber die Tragfähigkeit, die ruht auf dem größeren Teil, der unter Wasser liegt.
Über Christus führt der Weg zu Gott!
Menschen können aus ihrer verbissenen Gottesferne heimkehren wie verlorene Söhne. Paulus schreibt an die Gemeinde in Ephesus: In Christus habt ihr einen Schatz. In - ihm habt ihr Weisheit und Klugheit. In Christus sollt ihr eine große Erbschaft machen. In Christus werdet ihr Gottes Kinder sein. Und diese Erbschaft wird bestätigt. Das ist ein notarielles Bild, das er da gebraucht: Durch das Siegel des Heiligen Geistes: mit Brief und Siegel ist euch gegeben durch den Glauben. Das schreibt Paulus an Ephesus.
Die Gemeinde in Ephesus aber lebt armselig wie ein Aschenputtel, das von seinem Glück noch nichts weiß.
Wenn man den Epheserbrief liest, dann erfährt man, wie es in dieser Gemeinde zugeht, und da merken wir, daß diese Gemeinde gar nicht das Idealbild einer Gemeinde Christi ist. In der Gemeinde gehen die Väter ihren Kindern auf die Nerven; Kapitel 6, Vers 1 In der Gemeinde wird buchstäblich gesoffen; Epheser 5, Vers 18. Ganz ausdrücklich schreibt der Apostel das. Da wird wahrscheinlich nicht nur aus Freude gesoffen, son- dern auch aus Not und Kummer. In der Gemeinde in Ephesus - Kapitel 5, Vers 5 - da ist Habgier und Unzucht in vielen Varianten zu finden. Darum wage ich dieses Bild; es ist eine Aschenputtelgemeinde.
Ihr kennt ja das Märchen vom Aschenputtel, das eben da in der Küche neben der Asche sitzt und dort die niedrigsten Arbeiten zu verrichten hat und noch nichts weiß von seinem Glück, daß der Königssohn es heiraten wird. Sie ist dem Königssohn als Braut bestimmt, aber sie sitzt noch in der Asche. Und so ist das auch mit der Ge- meinde.
Paulus nennt in seinem Brief - es sind etwa 6 DIN A 4-Seiten mit der Schreibmaschine geschrieben - das Vorläufige und Unfertige dieser Gemeinde beim Namen. Die Wirklich- keit der Gemeinde wird nicht mit billiger Gnade überspielt, aber gerade in dieser Nüchternheit erscheint die Erlösung durch Christus um so wunderbarer. Es ist tat- sächlich so, wie wenn ein Königssohn um das Aschenputtel wirbt.
In den letzten Sätzen der Bibel spricht Jesus ausdrücklich von einer Gemeinde im Gleichnis wie von einer Braut. Jesus schämt sich nicht, sich mit der Gemeinde zu verheiraten, die so armselig ist. Die Gemeinde, das ist eine Braut, die Runzeln hat, die auch nach anderen geschielt hat. Die Gemeinde ist eine Braut mit Vergangenheit, die manchmal treulos ist. Aber der Bräutigam liebt sie und läßt sie nicht los und wirbt um sie, dieses Aschenputtel. Und das Aschenputtel hat nur eine Chance schön zu werden; wenn es sich der Liebe des Bräutigams hingibt.
So, wie ich das unter Menschen erlebt habe, so ähnlich ist das auch zwischen Christu: und seiner Gemeinde.
Um ein unscheinbares Aschenputtel, dumm, aus kümmerlichen Verhältnissen, wirbt plötz- lich der strahlende Bräutigam, der Königssohn, klug und reich und schön und vornehm. Das Aschenputtel kommt sich erst veralbert vor. Es braucht erst mal Zeit, bis es begreift, daß es ernst gemeint ist: Der will mich wirklich heiraten; mit Brief und Siegel! Als sie das mit dem Herzen begreift, diese Brautgemeinde, da errötet sie, und sie wird schön und wächst über sich selbst hinaus; sie wächst hinauf zu dem Bräu- tigam. Die Liebe macht sie schön und reich und groß. Aber Aschenputel muß die Liebe annehmen. Und so, wie du nie eine Braut fragen sollst: Warum liebt er dich‘ so sollen wir auch nicht fragen: Warum liebt ER uns, die Gemeinde?
Liebe hat keinen Grund; Liebe ist der Grund selbst!
Solange Aschenputtel fragt: Warum liebt er mich, es ist doch nichts an mir? Solange ist sie mit ihrer Niedrigkeit beschäftigt; hat sie die Liebe nicht erfaßt. Liebt sie aber diesen strahlenden Bräutigam, dann wendet sie sich ganz dem Bräutigam zu und fragt nicht mehr nach Gründen, sondern gibt sich hin und wird frei von sich selbst, von der Zentriertheit um sich selbst und von ihrer eigenen Niedrigkeit.
Ihr erinnert euch doch an Aschenputtel?! Aschenputtel hat zwei Stiefschwestern. Die sind eingebildet und hochmütig und haben feine Kleider. Und sie sind überzeugt, daß sie die Liebe des Königssohnes vor allem verdient haben, denn sie sagen: Wir sind doch schön, wir haben doch feine Kleider! Aber diese eingebildeten Schwestern haben keine Chance.
Und so ist es auch mit einer Gemeinde. Wenn eine Gemeinde sich einbildet, sie hätte die Liebe Gottes in Christus verdient, dann ist sie wie so eine stolze Schwester, die sich viel zu sehr um sich selbst dreht und die gar nicht erfahren kann, was Liebe ist.
Wir wollen darum lieber eine Aschenputtelgemeinde sein. Wir sind es ja auch, aber wir wollen es auch klar sehen und bekennen. Wir wollen nüchtern bekennen, wie es um uns bestellt ist, um dann um so mehr zu erröten über die Liebe des Bräutigams.
Es ist ja wirklich unglaublich, was Gott mit uns vor hat. Und daß die- ser Christus, der Reine, der Liebes- und Geistesmächtige, sich für uns verlorengibt und den festen Glauben hat, daß aus dieser armseligen Braut eine schöne junge Frau werden kann - wir finden keine Grund da- für, warum das so ist, Es ist Gottes Erwählung; Gottes Liebe.
Es ist die Liebe, das ist alles!
Paulus hält sich darum in seinem Brief an die Epheser an keiner Stelle damit auf, über Verdienst und Würdigkeit zu diskutieren, sondern er fängt gleich diesen Brief mit dem Lobpreis Gottes an: Er hat euch erwählt, Er hat euch erlöst, Er liebt euch! Und nun lebt hinauf zu Ihm! Das Aschenputtelleben ist unter eurer Würde, so argu- mentiert Paulus. Nicht: Ihr müßt jetzt gut und würdig werden, damit der Königssohn verzückt in Liebe verfällt und um euch wirbt. Nein! Erst ist die Liebe des Königs- sohnes da und Paulus appelliert und sagt: Lebt hinauf zu Ihm! Im Lichte Seiner Wahr- heit, in der Wärme Seiner Liebe sollt ihr wachsen und reifen! Wacht auf! Schreibt er an anderer Stelle in diesem Brief. Ihr seid Gottes Nachfolger! Sagt er an wieder anderer Stelle; ihr seid seine geliebten Kinder! Lebt in der Liebe, wie Christus uns geliebt hat! Ihr wart früher in der Finsternis, aber nun seid ihr im Licht!
Wir kennen Aschenputtels Zögern, denn es gehört schon etwas dazu, diese Liebe anzu- nehmen und zu erwidern. Ich höre Aschenputtel, wie sie sagt: Aber ich bin doch nichts und wir haben doch nichts und ich bin unwürdig! Und ich kann die Liebe gar nicht erwidern! Es hat doch keinen Zweck, man kann mich nicht lieben! Sagt das rückfällige Aschenputtel.
Paulus kennt die arme Seele der Gemeinde und schreibt darum: Ihr seid versiegelt mit dem Heiligen Geist. Der Heilige Geist macht den Glauben gewiß. Der Heilige Geist ist mit dem Wort der Wahrheit verknüpft, er ist das Siegel, die Urkunde, die diesen Bund zwischen Christus und seiner Gemeinde gültig macht: Es gilt! Wir werden geliebt, "ohn all unser Verdienst und Würdigkeit".
Und weder ein neuer Kirchenbau, noch eine geschickte Öffentlichkeits- arbeit, noch ein blitzgescheites Angebot an Veranstaltungen, kann un- sere Aschenputtelgemeinde zum Erblühen bringen; das bringt es alles nicht. Sondern allein die Liebe Gottes, die unsere Herzen und Sinne in Christus regiert. Wenn wir die annehmen, wenn die sich in unsere Herzen ergießt, dann wächst daraus alles, was Er will und alles, was seinem Reiche dient - AMEN!
Und der Friede Gottes, der größer ist, als alle unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN