Predigt vom 03.09.1988 - Pastor Schnabel - Schützenfest - Mk. 10, 35-45
Ökumenischer deutsch/französischer Gottesdienst zusammen mit Abbé Tassel, Pasteur Christoph Desplanque, Kaplan Pawellek aus der Partnergemeinde Luneray.
Während Jesus noch bei seinen Jüngern ist, beginnen schon zwei von ihnen, Jakobus und Johannes, von Jesus die höchsten Posten im Reich Gottes zu erbitten. Sie wollen die Größten sein. Das hören die anderen Jünger und werden unwillig. Es ist das alte Spiel im Gange: Wer ist der Größte?
Da greift Jesus ein. Im Evangelium hören wir an anderer Stelle (Joh. 13) wie Jesus, ihr Herr und Meister, in so einem Streit nichts sagt, sondern ihnen schweigend die Füße wäscht. "Erinnert euch daran, wenn ich nicht mehr bei euch bin. Der Knecht ist nicht größer als sein Herr" sagt Jesus.
Hier nun beendet Jesus den Streit, indem er sagt: "Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener."
Jesus weiß, dass es in der Welt noch anders zugeht. Aber die Menschen gehen zugrunde an eben diesem Streit: Wer ist der Größte? Daraus folgen Gewalt und Größenwahn, Krieg und Feindschaft.
"So ist es unter euch nicht", sagt Jesus, "Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener".
Die Gaben (die Charismata), alles Große, was Gott uns ja tatsächlich gegeben hat, ist zum Dienen da und nicht zum Rühmen. Größe erweist sich im Dienst aneinander. Das hat Jesus bis zum Tode am Kreuz unbeirrt gelebt. Und in seine Auferstehung nimmt er uns hinein, dass wir auferstehen in seiner Wahrheit.
Wir leben in einer Zeit, wo jeder vernünftige Mensch in den meisten Bereichen des öffentlichen und des privaten Lebens erkennen kann, dass wir nur eine Zukunft miteinander haben. Zugleich verstehen wir auch wieder die alten Bilder der Apokalyptik vom Untergang der Welt. Gegeneinander haben wir keine Zukunft. Wer sein Glück mit dem Unglück der anderen erkaufen will, stürzt selbst in den Abgrund. Am Rande des Abgrundes erkennen wir, was wir an der Krippe von Bethlehem singen: Christ der Retter ist da. Seine Art zu leben, sein Geist, seine Liebe, sein Gehorsam zu Gott, sein Tod und seine Auferstehung, ist uns zur Rettung geschehen. Christus hat uns befreit von dem tödlichen Größenwahn. "Wer unter euch der Größte sein will, der sei euer Diener."
Mit Christus hat Gott eine neue Melodie in die Welt gebracht. Die konnten die Menschen nicht töten. Die Melodie des Heils kann an einem Ort der Welt vorübergehend sehr leise werden, aber sie kann nicht mehr verstummen.
Noch ist die Welt wie eine furchtbare Ansammlung verschiedener Instrumente. Da wollen viele hochmütig die erste Geige spielen. Zu viele hauen rechthaberisch auf die Pauke und dazwischen kreischen Posaunen und Hörner durcheinander. Aber einige haben Gottes Melodie gehört. Christus ist Gottes Schöpfungsmelodie, die aus den verschiedenen Instrumenten ein Orchester macht. Jedes Instrument macht die Symphonie reicher, wenn es sich auf Gottes Melodie einstimmen lässt.
Luneray und Deutsch Evern sind zwei Instrumente von vielen in der Welt. Die Protestanten und die Katholiken sind zwei Instrumente in der Vielfalt der weltweiten Christenheit. Es geht darum, dass wir uns einstimmen lassen auf Christus. Es geht nicht darum, dass wir unbedingt die erste Geige spielen.
Christus hat uns von dem Größenwahn und vom Minderwertigkeitswahn gleichermaßen befreit. Denn Christus macht uns gerecht und stimmt uns ein in Gottes Melodie. Das macht uns so frei, dass wir uns von Herzen darüber freuen können, wenn ein anderer den Ton genauer trifft als wir selbst.
Partner sind Teilhaber am Ganzen. So, wie jedes Instrument eines Orchesters teil hat an der Symphonie.
Unsere Partnerschaft, die heute wie ein kleines Pflänzchen in die Erde gebracht wird, darf nicht so sein, wie wenn sich zwei gegen den Rest der Welt verbünden, sondern es ist eine Partnerschaft, die wünscht, dass sich alle Menschen als Gottes Kinder begreifen und sich erkennen als Brüder und Schwestern. Darum wollen wir einander dienen. Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener - AMEN!