Predigt 637 zum Gottesdienst mit Kindern

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Predigt vom 06.11.1988 - Pastor Schnabel - Gottesdienst mit Kindern - Martinstag

Ihr Lieben!

Das Kirchenjahr geht zu Ende. Am Ende des Kirchenjahres bedenken wir besonders Gericht und Tod und die Wiederkunft Jesu. So, wie wir es im Glaubensbekenntnis sagen: "… von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten."

Das Kirchenjahr ist lang und ist anders, als das Kalenderjahr. Das Kalenderjahr fängt am ersten Januar an, aber das Kirchenjahr fängt am ersten Advent an.

Wenn ihr euch das mal vorstellt - wir können ja mal hier eine Linie ziehen - hier wäre das Kirchenjahr, dann wären hier die Adventssonntage: erster, zweiter, dritter, vierter Advent.

Was kommt danach? (Antwort: Weihnachten) Weihnachten, richtig! Und was feiern wir zu Weihnachten? (Antwort: Weihnachten) Ja! Eben Weihnachten! Da feiern wir den Geburtstag Jesu.

Und dann geht das so weiter, wie wir’s im Glaubensbekenntnis sagen: "Empfangen durch den Heiligen Geist" - Adventszeit. "Geboren von der Jungfrau Maria." - Weihnachten.

Dann kommt die schöne Weihnachtszeit, danach die Karnevalszeit bis zu Aschermittwoch. Dann fängt die Passionszeit an. Des Leiden Jesu gedenken wir, wie es im Glaubensbekenntnis heißt: "… gelitten unter Pontius Pilatus …" Dann geht die Passionszeit bis in die Woche vor Ostern. Dann kommt der Karfreitag: "… gekreuzigt, gestorben und begraben, am dritten Tage auferstanden …", da feiern wir Ostern. Der auferstandene Christus erscheint den Seinen. Dann kommt Himmelfahrt: "… aufgefahren gen Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten …." Und dann kommt das Fest des Heiligen Geistes, das Pfingstfest, der Geburtstag der Kirche.

Wir haben heute schon mit Liedern und Gebeten unserer Hoffnung Ausdruck gegeben, dass Gott uns seinen Geist geben wird.

Wenn Pfingsten vorbei ist, kommt die lange Sommerzeit, und dann der Herbst. Dann haben wir Erntedankfest, danach Reformationsfest. Und nun kommt der November. Das ist der trübe Monat. So, wie zu Ostern das Fest der Auferstehung gefeiert wird, wenn alles grünt und blüht, so ist der November im Herbst der trübe Monat. Da haben wir Volkstrauertag, Bußund Bettag und Totensonntag.

Aber wir haben noch was Wichtiges, wir haben nämlich den Martinstag. Und weil wir eine Martinuskirchengemeinde sind, wollen wir immer genau bedenken, wie das am 10., 11. November mit dem Heiligen Martin war.

Wir haben ja eigentlich zwei Martins: Martin von Tours, und Martin Luther; nach beiden ist unsere Kirche benannt.

Martin von Tours war ein römischer Offizier und ist dann Christus begegnet. Den soll die Sonja jetzt mal darstellen. Komm, stell dich mal hier auf diesen Stuhl. Viel größer wird der Martin von Tours auch nicht gewesen sein, denn damals waren die Menschen klein. Martin von Tours hatte einen Vater, der war Soldat, und er war ein Heide. Wie das so üblich war, wurde der Martin auch Soldat. Er war sehr tüchtig und geschickt, schon mit achtzehn Jahren war er Offizier. Er bekam vom römischen Kaiser einen Helm auf, und, was ganz kostbar war und woran man einen Offizier erkannte, er bekam einen roten Offiziersmantel. Den konnte sich damals kaum einer leisten.

Dieser Martin hat viel über sein Leben nachgedacht. Er war aber ganz nüchtern und sagte sich: mir wird Gott nicht begegnen! Sein Vater, der Heide, hielt davon sowieso nichts. Seine Mutter stand den Christen nahe und hat den kleinen Martin manchmal zum Kindergottes dienst geschickt. Da hatte er etwas von Jesus gehört. Er hörte, dass Jesus geistig gegenwärtig sei, konnte sich aber nicht vorstellen, was das eigentlich heißt.

So machte er seine Arbeit. Er war tüchtig und machte Karriere und war mit seiner Schwadron - seiner Reiterei - in Frankreich stationiert. Ein Schwert hatte er übrigens auch. Dies hier ist eigentlich das Schwert des Apostel Paulus, aber wir nehmen es jetzt mal für den Martin, so.

Martin reitet also mit seinem schönen warmen Offiziersmantel auf die Stadt Amiens zu. Hinter ihm reitet seine Schwadron, alles derbe Soldaten. Sie reiten und freuen sich auf die Stadt mit einem schönen warmen Quartier. Sie wissen: dann gibt es eine heiße Suppe und einen Schluck Wein.

Plötzlich ruft der Martin vorne: Halt! Absitzen! Die Soldaten sehen von hinten, dass der Martin vorne vom Pferd steigt und sich bückt. Sie steigen auch ab und umringen etwas, was da auf dem Boden liegt. Es liegt ein armseliges Bündel auf der Straße. Erst denken sie, es ist ein Haufen Lumpen. Und dann sehen sie, da ragt eine Hand raus - da liegt ein Bettler, ganz abgemagert, mit fiebrig glänzenden Augen. Er friert ganz furchtbar und hat nur ein zerrissenes Unterhemd an. Es ist schon kalt, es ist Frost, so ähnlich, wie in den letzten Tagen abends hier.

Martin beugt sich zu dem armen Bettler und sagt: wie kann ich dir helfen? Du kommst ja um, wenn du die ganze Nacht hier liegen bleibst.

Hilf mir, hab Erbarmen!, sagt der Bettler. Und da der Martin ja weiter reiten muss, und im Moment auch nichts bei sich hat, um ihm zu helfen, tut er geistesgegenwärtig das Nächstliegende: Er trennt mit seinem Schwert seinen Mantel halb durch und legt die eine Hälfte seines Mantels dem armen Bettler um.

Dieser Mantel war damals zugleich auch der Schlafsack. Damit deckten sich die Offiziere zu. So ein Mantel aus gutem Wollstoff war zu Martins Zeiten so teuer, wie heute ein Auto. Aber Martin dachte: Ich muss dem armen Kerl doch helfen.

Wer ist jetzt mal der arme Bettler? Der Bettler liegt hier unten am Boden und friere ganz furchtbar. (Ein Kind legt sich hin) Jetzt bückt sich Martin, so, teilt seinen Mantel und legt ihm den um. (P. und die Kinder spielen das durch)

Ach, jetzt freut sich der Bettler und sagt: Hab Dank, dass du mir deinen halben Mantel gegeben hast.

Der Martin reitet weiter, er ist müde. Die Soldaten hinter ihm sagen: nun guckt euch unseren komischen Offizier an, unseren Hauptmann, jetzt reitet er mit so einem halben Mantel herum. Das ist ja peinlich!

Das war damals so peinlich, wie wenn heute ein General mit Hosenträgern herumläuft (Gelächter in der Gemeinde).

Aber das stört den Martin gar nicht, denn er muss ja an den armen Bettler denken und sagt: Das ist schlimm, dass Menschen so viel Leid haben.

So reitet er mit dem halben Mantel abends in’s Quartier und legt sich auf seine Strohschütte. Weil er nun nur noch einen halben Mantel hat, muss er sich - wie man so sagt - nach der Decke strecken.

Er schläft ein und hat in dieser Nacht einen Traum, da begegnet ihm nämlich Christus. Christus sieht erst aus, wie der arme Bettler.

Der Martin liegt und schläft - so, halte mal den Mantel - da sieht er im Traum den Bettler. Er guckt genau hin - erkennt plötzlich Christus und sagt zu ihm: Christus, das ist doch mein Mantel! Ja, sagt Jesus, schau dir den Mantel gut an, das ist dein Mantel!

Und plötzlich entdeckt Martin: Christus, dann warst du ja der arme Bettler!?! Und da sagt Jesus zu ihm: "Ja Martin, was du einem der geringsten deiner Brüder getan hast, das hast du mir getan."

Als Martin am nächsten Morgen aufwacht, ist er ganz konfus, und dann erkennt er plötzlich: mir ist Christus begegnet in der Gestalt des armen Bettlers.

Und nun hat er eine Erleuchtung - ihm geht ein Licht auf und er sagt sich: Aha!, das ist der Sinn und das Ziel meines Lebens, das habe ich jetzt in Christus erkannt.

Eine Woche später geht Martin zu Kaiser Konstantin und sagt: Ich will von nun an einem Herrn dienen, der größer ist als du!

Das haben die großen Herren nicht so gern, und so sagt der Kaiser: Ein Herr, der größer ist als ich? Das gibt es gar nicht! Doch, sagt Martin, ich will von nun an Jesus Christus dienen! Ha ha, lacht der Kaiser, so einer, der am Kreuz hängt, dem willst du dienen? Guck mich doch mal an, ich bin ein großer, starker Kaiser, ich habe einen goldenen Helm. Ich kann dir Geld geben, und wenn du mal in Pension gehst, bekommst du ein großes Rittergut von mir. Nein, sagt der Martin, ich nehme Abschied, ich will nun Christus dienen, leb’ wohl, Kaiser!

So gibt er das Schwert und den Helm dem Kaiser zurück. Von nun an dient er Christus. Er geht zu den Armen. Er betet, er tröstet Menschen. Und weil er selber auch ein Heide gewesen ist, lässt er sich taufen und wird Christ. Immer wenn er von da an Heiden begegnet, sagt er nicht: haha, du bist ein Heide, und ich bin ein Christ! Sondern er sagt zu ihnen: Brüder und Schwestern, ich habe Gott gesucht und ihn in Christus gefunden. Ich führe euch zu Christus.

Das ist der Martin von Tours, der mit dem Bettler seinen Mantel geteilt hat und zu Gott gefunden hat. Als Martin von Tours starb, das war am elften November des Jahres 371, da war er Bischof von Tours geworden. Sie hatten ihm einen goldenen Thron in die Kirche gestellt, den man heute noch sehen kann. Aber Martin hat nie auf dem goldenen Thron gesessen. Er hatte eine kleine Holzfußbank, da hat er zu Füßen Christi gesessen.

Als Martin von Tours gestorben war, haben sie gesagt: Er war ein Heiliger! Er hat uns den Weg zu Christus gewiesen. Seitdem gibt es im November den Martinstag.

Nun kommen wir zu dem anderen Martin.

Einige hundert Jahre später wird in Thüringen, an der Grenze zu Sachsen, dem Bergmann Hans Luther und seiner Frau Magdalene ein kleiner Junge geboren - am 10. November.

Damals hat man ein Kind gleich am nächsten Tag nach der Geburt in die Kirche gebracht, um es taufen zu lassen. Das war der elfte November, da hat Vater Luther - die Mutter lag noch im Bette - den kleinen Jungen mit in die Kirche genommen, schön warm eingepackt. Der Priester hat gefragt, welchen Namen der Junge haben soll. Da hat Hans Luther gesagt: heute ist doch der Martinstag, also soll er Martin heißen. Und so hieß er fortan Martin Luther.

Dieser Martin durfte etwas ganz Besonderes, was ihr heute alle müsst, er durfte zur Schule gehen, weil seine Eltern reich waren. Er hat fleißig gelernt, war ein lustiger Student, der gerne Gitarre spielte. Er trank auch gern Bier. Zwischendurch aber war er immer wieder sehr schwermütig. Er fragte sich: was ist denn nun der Grund meines Lebens? Ich kann ja Gottes Gebote gar nicht erfüllen. Er versuchte, was wir heute auch noch tun: er versuchte gut zu werden dadurch, dass er gute Taten vollbrachte. Er versuchte, immer die besten Zensuren zu haben. Er versuchte, gut zu den anderen zu sein. Er behängte sich mit lauter guten Werken. Im Gebet stand er manchmal vor Gott und sagte: Lieber Gott, schau her, ich habe wieder Gute: getan, nimm mich doch in Gnaden an.

Aber er merkte: das reicht alles nicht, das ist immer so ein Eiertanz, das bringt nichts!

Dann ist Martin, als er so um die zwanzig Jahre alt war, in’s Kloster gegangen und hat gesagt: lieber Gott, ich weihe dir alles, mein ganzes Leben. Da wurde ihm hier oben so eine Tonsur geschnitten, die Haare wurden ausrasiert und er bekam so ein Käppi auf, hat eine Kutte an bekommen, hat gefastet und gebetet.

Aber irgendwie merkte er: Nein, das ist es auch nicht, es bringt’s nicht. Eines Tages hat er etwas entdeckt, was wir in jedem Gottesdienst benutzen, was damals aber ein bisschen verschollen war - er hat nämlich die Bibel entdeckt.

Überall, wo Martin Luther abgebildet ist, wird er mit der Bibel in der Hand gezeigt.

Er hat nämlich in der Bibel entdeckt: wir werden gar nicht gerecht durch unsere guten Werke, sondern allein durch unseren Glauben. Und so, wie ein Kind ja auch nicht die Liebe der Eltern verdienen kann, genauso, sagte Luther, können wir uns auch nicht die Liebe Gottes verdienen. Es wäre ja verrückt, wenn ein Kind fünfzig Mark spart und geht zur Mutter und sagt: Mama, hier hast du fünfzig Mark für deine Liebe.

Hört auf Christus, der gesagt hat, ihr sollt beten: "Vater unser im Himmel …." Also, wir sind Gottes Kinder.

Martin Luther ist dann Doktor der Theologie geworden. Die Doktoren trugen damals so ein schwarzes Gewand, wie ich es hier habe. Das heißt Talar, weil er bis an die Knöchel geht. Martin Luther hat die Bibel übersetzt und gesagt: Kinder müssen in die Schule gehen, damit sie lesen lernen und nachlesen können, was in der Bibel steht , welch gute Botschaft uns Gott in Jesus Christus gegeben hat. Das war ihm ganz wichtig.

Und so haben wir in unserer Martinuskirche den Martin von Tours und den Martin Luther miteinander verbunden. Das sind die beiden, die unserer Kirche den Namen gegeben haben. Vor fünf Jahren haben wir diese Kapelle "Martinuskapelle" genannt, weil das der fünfhundertste Geburtstag von Martin Luther war. Und Martin Luther wurde getauft am Tag des Heiligen Martin - so hängt das zusammen.

Jemand hat einmal gesagt: ihr Lutheraner, ihr Protestanten, ihr habt gar keine Heiligen. Das stimmt natürlich, wir haben keine Heiligen in dem Sinne. Wir beten zu Gott im Namen Jesu Christi.

Wir beten nicht zu Luther, wir sagen nicht: Du, Luther, ich bete zu dir, und weil du doch frommer bist als ich, bete du mal für mich zu Gott, ja? Leg mal ein gutes Wort für mich ein. Sondern wir beten im Namen Jesu Christi, wie es uns Christus gelehrt hat.

Aber trotzdem sind diese beiden Martins für uns Wegweiser zu Christus. Es waren zwei wichtige, fromme Menschen, denen ein Licht aufgegangen ist.

Wenn der Martin Luther jetzt hier hereinkäme, dann würde er lachen und sagen: Ach, stellt mich doch nicht auf so eine hohes Podest, es war alles Gnade, dass mir Christus begegnete in seinem Wort, ich habe es nicht verdient.

Im Katechismus hat Luther geschrieben: Ihr müsst euch immer sagen: alle Gnade und alle Freude, die wir in Gott haben, macht uns frei zum Tun. Wir brauchen nicht gute Taten, um gut zu werden, sondern Gott macht uns gut, damit wir Gutes tun können.

Weiter hat er gesagt: Ohne all unser Verdienst und Würdigkeit, allein aus der Liebe Gottes leben wir.

Und als Martin Luther gestorben ist, hat er vorher etwas auf seinen Schreibtisch geschrieben. Nach seinem Tod haben sie auf Martin Luthers Schreibtisch geguckt, da hatte er drauf geschrieben: "Wir sind Bettler, das ist wahr!"

Obwohl doch Martin Luther viel Gutes getan hat, hätte er vor Gott treten können und sagen: Lieber Gott, ich bin fromm gewesen, ich habe die ganze Bibel übersetzt. Schau her, lieber Gott, ich habe doch was getan.

Nein, Luther sagt: was immer wir tun, es ist Gottes Gnade allein, das Heil verdienen wir uns nicht.

Und ganz oft hat Luther das verglichen mit einem Baum. Er hat gesagt: wir Menschen sind wie Bäume. Er hat gesagt: Ihr Menschen, wenn ihr immer versucht, den großen Hansen zu machen, wenn ihr immer versucht, euch gegenseitig auszustechen, wenn ihr was gelten wollt, vor Gott oder den Menschen, dann wird euer Leben so krampfhaft. Lasst das Rechtfertigen sein, vertraut auf Gott allein. Ihr müsst ja gar nichts mehr beweisen, das ist ja Gottes Gnade allein.

Auch hat er immer gesagt: Wenn ihr immer Gutes tun wollt, um euch selber vor Gott und den anderen besser zu machen, seid ihr wie Leute, die schöne Äpfel an einen trockenen Baum hängen und sagen: guck mal, was für ein schöner Baum das ist. Aber wenn man genau hinguckt, sieht man, dass dieser struppige Baum gar keine Äpfel hervorbringen kann.

Der Baum spielt bei Luther immer wieder eine wichtige Rolle.

Er sagt: Ihr Menschen seid wie Bäume, und Gott muss euch gut machen. Und wenn Gott euch gut macht durch Jesus Christus, durch seinen Geist, dann wachsen die schönen Äpfel und die guten Taten von ganz alleine. Aber ein "Baum", den Gott gut gemacht hat, der wird nicht mehr sagen: Ätsch, schaut her, was ich für schöne Früchte bringe. Sondern der wird sagen: Gott hat mich geschaffen mit allem, was ich zu tun vermag, Gott allein sei geehrt.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu. AMEN!