Kinderpredigt vom 15.09.1985 - Pastor Schnabel - Trinitatis - Joh. 11
Liebe Kinder!
Wir haben auch am letzten Sonntag im Kindergottesdienst und in der Predigt die gleiche Geschichte aus dem Evangelium gehört. Und heute ist es genauso. Wir hören die Geschichte von der Auferweckung des Lazarus.
Ich muss da etwas vorausschicken: Die Kirche, zu der ich als Konfirmand gehörte, und in der ich getauft wurde, hieß "Betanienkirche". Betanien ist ein kleiner Ort etwa 5 Kilometer südöstlich von Jerusalem.
In Betanien lebten drei Geschwister; zwei Schwestern und ein Bruder. Die eine Schwester hieß Maria, die andere Marta. Der Bruder der beiden hieß Lazarus. Die Maria war nun nicht die Mutter von Jesus, sondern eine andere Maria. Es war die Maria, die einmal Jesus die Füße gewaschen und gesalbt hatte. Und den Lazarus darf man nicht verwechseln mit dem aus dem Gleichnis von reichen Mann und dem armen Lazarus. Es war ein anderer Lazarus.
In dieser Betanienkirche in Leipzig, in der ich konfirmiert wurde, ist neben dem Altar auf einem großen Mauerstück ein Bild gemalt. Es zeigt einen Kellereingang mit Stufen, die aus der Tiefe heraufführen. Rechts und links von diesem Kellereingang stehen zwei Frauen, die haben einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Ich habe das noch vor Augen, weil ich als Konfirmand manchmal der Predigt nicht folgen konnte und mir das Bild anschauen musste. Dieser Gesichtsausdruck ist so merkwürdig, weil die beiden Frauen verweinte Augen haben, aber trotzdem lachen. Sie helfen einem Mann in ihrer Mitte auf, an dem weiße Tücher herabhängen und dessen Haut gelblich-grünlich gemalt ist. Er steigt aus einem Grab an’s Licht. Man sieht, wie er noch taumelt, wie er noch schwach auf den Beinen ist. Dieser Mann, der da aus der Tiefe herauf kommt, ist Lazarus. Er blinzelt mit den Augen und seine Schwestern halten ihn.
Wir wissen aus der Bibel, dass er vier Tage lang tot in der Gruft lag und Jesus ihn auferweckt hat. Jesus steht am Eingang dieses Grabes. Auch Jesus lacht, obwohl er noch Tränen in den Augen hat. Jesus streckt die Hände zu Lazarus aus. Und Lazarus, noch im Totenhemd, geht mit ausgestreckten Händen auf Jesus zu.
Ich habe dieses Bild immer in meinem Sinn behalten. Es ist ein schönes Bild, weil da das Lachen über das Weinen, das Lachen über die Tränen siegt; das Leben über den Tod.
Die Bibel erzählt, dass Jesus davon gehört hat, dass Lazarus krank war. Aber er konnte aus irgendwelchen Gründen nicht gleich kommen. Er erfährt es durch die Schwestern, die es ihm ausrichten lassen. Es heißt da, dass sie ihm sagen lassen: "Herr, dein Freund, den du lieb hast, ist krank." Jesus ist dann hin gewandert. Und als er ankommt, ist Lazarus schon gestorben und beerdigt in einem Felsengrab. Nur die Freunde und die Familie waren noch zur Beerdigung da, die damals vier Tage dauerte. Und so stehen sie alle herum mit verweinten Augen. Die Schwestern Maria und Marta sehen Jesus an und sagen: Herr, wärest du hier gewesen, unser Bruder wäre nicht gestorben. Und Jesus sagt darauf: Er wird auferstehen am Jüngsten Tag. Und Marta sagt: Ja ja, ich weiß, ich weiß, er wird auferstehen am Jüngsten Tag. Und Jesus gibt dann diese merkwürdige Antwort: "Marta, ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt wird leben, auch wenn er stirbt." (Joh, 11,25) Sie haben dieses Wort nicht gleich verstanden. Sie sind dann alle zum Grab gegangen und haben geweint, so, wie wir ja auch weinen, wenn einer gestorben ist, den wir lieb hatten. Und dort am Eingang zu diesem Felsengrab hat Jesus zu Gott gebetet. Und dann hat er die einfachen Worte in diese Grabeshöhle hineingerufen: "Lazarus, komm heraus!" Und da geschah, was auf diesem Bild in der Betanienkirche abgebildet ist und von dem ich erzählte: Lazarus kommt aus dem Grab, aus der dunklen Tiefe, heraus.
Das Lachen siegt über die Tränen, das Leben siegt über den Tod. Diese Geschichte bringt uns die Botschaft davon, dass es eine Kraft gibt, die der Gewalt des Todes überlegen ist. Es gibt eine Kraft, die uns ins Leben zurück führt. Diese Kraft ist in Jesus Christus, unserem Herrn. Diese Kraft kommt von Gott. Und an dieser Kraft, die stärker ist, als der Tod, sollen wir alle teilhaben.
Lasst uns das Halleluja singen zur Ehre Gottes und zum Ausdruck unserer Freude, dass wir teilhaben sollen an dieser Kraft.