Kinderpredigt vom 03.11.1985 - Pastor Schnabel - Matthäus 18, 21-35
Liebe Kinder!
Im vergangenen Sommer haben sich an einem Nachmittag zwei Jungs auf der Straße getroffen. Nehmen wir mal an, der eine hieß Gottfried und der andere Helmut. Der Gottfried war vier Jahre alt und war mit seinem Dreirad gekommen. Der Helmut war fünf Jahre alt und hatte schon ein Fahrrad. Die beiden haben zusammen gespielt. Da hat plötzlich der Gottfried versehentlich das Fahrrad von dem Helmut umgeworfen. Dabei ist die Lampe verbogen. Gottfried hat einen Schreck bekommen und hat das Fahrrad von Helmut wieder aufgestellt. Dann hat er dem Helmut die Hand gereicht und hat gesagt: Entschuldige bitte, ich wollte das nicht! Erst hat der Helmut die Hand genommen und nichts gesagt, aber dann hat er vor Wut ausgeholt und dem Gottfried eine runter gehauen. Das war nicht gut.
Der Helmut hat dem Gottfried nicht vergeben. Der Gottfried hatte ihn um Vergebung gebeten, aber der Helmut hat ihm nicht vergeben. Das war nicht gut.
Jesus hat gesagt: Ihr sollt einander eure Schuld vergeben so, wie Gott euch die Schuld vergibt. Und dann hat Jesus eine Geschichte erzählt, ein Gleichnis, an dem das deutlich werden soll. Und das ist das Evangelium für diesen Sonntag und davon handeln die Predigten heute.
Jesus hat erzählt: Da war ein König, der besaß viele Güter. Und eines Tages sagte er:
Ich will jetzt abrechnen, mal sehen, wie meine Knechte gewirtschaftet haben. Und er kommt in einen großen Ort, ‚wo er ein großes Gut besitzt. Er ruft seinen Knecht, der das Gut verwaltet und sagt: Wo sind die Kassenbücher? Die Kassenbücher werden überprüft und es wird entdeckt: Der Knecht hat in die eigene Tasche gewirtschaftet. Es fehlen hundert Millionen Mark. Er hat eine große Schuld auf sich geladen.
Die Bibel übertreibt an dieser Stelle, aber es geht darum, dass es eine große Schuld ist. Diese Schuld schreibt der König auf und sagt: So, mein lieber Knecht, hundert Millionen Mark hast du unterschlagen, die schuldest du mir nun. Kannst du zahlen? Da wird der Knecht ängstlich und sagt: Ich kann es nicht zahlen, ich habe das Geld ausgegeben, ich habe nichts.
Damals, zu Jesu Zeiten, war es üblich: Wer so eine große Schuld hatte, der musste in die Sklaverei. Der Mann wurde also als Sklave verkauft und die ganze Familie gleich mit. Frau und Kinder - alle wurden als Sklaven verkauft und mussten schwer arbeiten bis an ihr Lebensende für nichts und wieder nichts, weil sie die Schuld abarbeiten sollten, obwohl diese Schuld so groß war, dass sie die gar nicht abarbeiten konnten. Diese Schuld bedeutete im Grunde die Vernichtung der ganzen Familie.
Und da tut der Knecht etwas Kluges: Er wirft sich auf die Knie und fleht den König an und sagt: Bitte, bitte, vergib mir doch meine Schuld! Ich kann das nie bezahlen und meine arme Familie auch nicht. Bitte vergib mir meine Schuld! Ich will es auch nie wieder tun!
Und der König ist ein guter Mensch, der vergeben kann. Der König sagt: Hundert Millionen Mark Schulden! Aber ich will sie dir erlassen! Und er reißt den Schuldschein entzwei und vergibt ihm die Schuld und sagt: Du bist frei!
Da hat sich der Knecht natürlich gefreut. Er ist nach Hause gerannt und hat gesagt: Wir sind frei, wir können neu anfangen. Es geht uns gut, der König hat diese schreckliche Schuld erlassen. Jetzt fühle ich mich auch wieder wohl, ich habe immer in Angst gelebt, dass es entdeckt wird. Jetzt sind wir frei, wir können ein neues Leben anfangen. Und die Familie hat sich gefreut.
Aber nun begeht der Knecht eine große Dummheit. Schon einen Tag später nämlich geht er auf der Straße lang und sieht da plötzlich einen anderen Knecht. Den packt er bei der Gurgel und sagt: Hör mal, du schuldest mir doch hundert Mark! Da sagt der andere Knecht: Ich kann nicht zahlen, hab doch kitte Geduld. Einen Monat noch, dann kriegst du’s von mir. Nein! Sagt der Knecht, hundert Mark schuldest du mir, her damit, oder ich lass dich in’s Gefängnis werfen. Der andere Knecht sagt: Warte doch bitte, hab doch ein bisschen Geduld. Nein, die hundert Mark brauche ich, die stehen mir zu, zahle! Aber der arme Nachbar kann nicht zahlen, und deswegen ruft er die Polizei. Der Name wird festgestellt und er bekommt einen Prozess an den Hals. Er muss büßen.
Und während das geschieht, stehen andere Menschen drumherum und sagen: Was geht denn hier vor sich? Ist das denn nicht der, dem der König so viel Schuld vergeben hat? Hundert Millionen Mark sind dem vergeben, und jetzt stellt er sich wegen hundert Mark so an? Das ist ja unglaublich! Sie gehen zum König und erzählen ihm, was vorgefallen ist. Da wird der König zornig und lässt seinen Knecht gefangen nehmen und sagt zu ihm: So, ich habe den Schuldschein zerrissen, ich habe dir vergeben, Aber du warst nicht bereit, einem anderen Knecht zu vergeben. Und deswegen werden wir die Schuld wieder hübsch zusammenrechnen und du wirst alles abbüßen, was du mir veruntreut hast.
Eine schlimme Geschichte. Sie fing so gut an und endete so böse.
Jesus hat die Geschichte erzählt und hat gesagt: Passt auf, dass es nicht so unter euch ist. Vergebt! Wenn einer den anderen um Entschuldigung bittet, dann entschuldigt und verzeiht. Und wenn du selbst Schuld auf dich geladen hast, dann geh zu dem anderen hin und reiche ihm die Hand und bitte um Vergebung. Denn Gott hat uns unsere große Schuld vergeben. Darum soll ein jeder seinem Nachbarn, seiner Schwester und seinem Bruder vergeben.
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. AMEN!