Predigt vom 02.03.1986 - Pastor Schnabel - Eph. 5, 1-8
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Der Predigttext für den Sonntag Okuli steht im Brief des Paulus an die Epheser im 5. Kapitel:
"So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Gott Götzendiener - ein Erbteil im Reiche Christi und Gottes hat. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn."
Gott segne an uns dieses Wort!
Liebe Gemeinde!
Der Apostel hält hier eindeutig eine Moralpredigt. Die Moralpredigten sind ganz aus der Mode gekommen, weil die meisten Menschen meinen, sie wüssten schon selbst, was anständig ist. Um anständig zu sein, braucht man nicht unbedingt an Gott zu glauben, oder die Geschichten von Jesus zu hören. Selbst die zehn Gebote, so sagte mit neulich eine Konfirmandenmutter, brauchte man im Konfirmandenunterricht eigentlich nur am Rande zu erwähnen; das wüsste ohnehin jeder. Und Gebote, wie das 6. Gebot; Ehebruch, das 3. Gebot; Feiertagsheiligung, das 1. und 2. Gebot; du sollst nicht andere Götter haben neben mir, und den Namen Gottes nicht missbrauchen, oder das 9. und 10. Gebot, das würde man heute alles nicht mehr so eng sehen.
So spricht der mündige Bürger. Und vom mündigen Christen war ja auch schon mal die Rede. Der mündige Mensch ist meistens erhaben über Gebote und Gehorsam. Er weiß selbst, was gut und richtig ist. Und während er sich in diesem Wahn verfängt, hat ihn der Teufel schon am Schlafittchen gepackt. Schnell werden wir dadurch nämlich die Opfer unserer eigenen Beliebigkeit. Die Wörter "Moral" und "Tugend" sind ja in letzter Zeit fast nur noch ironisch gebraucht worden. Man sagt; du Moralapostel, oder; du Tugendbold. Auf der anderen Seite hat sich unter uns doch ein scharfer Sinn für Moral erhalten, denn es beeindruckt uns schon, wenn jemand auch in unbeobachteten Augenblicken anständig bleibt und treu, und sich nicht schmieren lässt, obwohl er einen leichten Vorteil haben könnte. Es beeindruckt uns, wenn jemand nicht lügt für einen schnellen Vorteil, sondern bei der Wahrheit bleibt. Das nennen wir; eine gute Moral und ein anständiges Verhalten. Und das erwarten wir im Grunde von unseren Freunden. Eine Freundschaft geht nicht ohne Treue und Anständigkeit. Mich rührt es immer, wenn Menschen gerade auch im Verborgenen ehrlich und anständig leben; da, wo es keiner sieht. Wo Menschen auf einen Vorteil und auf Bequemlichkeit verzichten. Bequemlichkeiten, die sie sich leicht verschaffen könnten, wenn sie so lügen, oder zumindest mogeln würden wie alle anderen
Ihr merkt schon; Moral hat es mit Ehre und Gewissen zu tun, und vor allem auch mit Gott. Es hängt nämlich damit zusammen, wie wir unser Leben überhaupt begreifen. Ob wir einem Höheren gegenüber Verantwortung haben, oder ob uns alles beliebig ist.
Nun habe ich beobachtet, dass wir Menschen unter uns für die Moral viele Begründungen haben.
Fangen wir mal bei den armseligen und schlechten Begründungen für Moral an, die unter uns so gang und gäbe sind.
Eine Begründung lautet: Was sollen da die Leute denken? Das ist eine Begründung für Moral. Wenn das die Nachbarn oder Kollegen sehen! Das kannst du nicht machen, wenn das jemand sieht!
Wer Moral so begründet, der wird nur solange gut handeln, wie er beobachtet wird von den anderen, und da, wo es keiner sieht, lässt er dann die Sau raus.
Der Spruch: "Man darf alles machen, man darf sich nur nicht erwischen lassen", ist die Begründung für eine Sklavenmoral. Man nennt diese Moral auch eine "doppelte Moral". Hier gilt; und wenn’s keiner sieht, da kann man dann mogeln. Diese Moral, diese doppelte Moral, diese Slavenmoral, die taugt nichts, die ist verlogen.
Da gibt es noch eine andere schlechte Begründung für eine Moral. Da sagt ein Mensch: Die Anderen lügen und mogeln und betrügen, da komme ich nicht gegen an, und da mache ich eben mit; man muss eben mit den Wölfen heulen. Es hat doch keinen Zweck, den Märtyrer zu spielen.
Merkt ihr; hier spricht die Resignation. Wehmütig wird die Niederlage bekannt. Es kann aber auch sein, dass es Bequemlichkeit ist, die so redet. Dass man nichts einsetzen will, dass man eben den Schritt ins Ungewisse nicht gehen will, wie der Petrus über’s Wasser auf Sein Wort hin.
Und da gibt es noch eine schreckliche Begründung für Moral, die da lautet: Ich mache, was mir nützt. Alles, was mir nützt ist gut, und was mir schadet, ist schlecht. Totalitäre Staaten und Institutionen begründen ihre Moral mit dem Nutzen. Es klingt immer so harmlos, bis mal eben ein paar tausend Menschen ermordet werden müssen, oder eingesperrt, oder enteignet, weil es eben gerade nützt.
"Der Zweck heiligt die Mittel", so heißt das böse Sprichwort für diese schreckliche Moral. Diese Moral ist beliebig und willkürlich, und sie schafft die Hölle auf Erden. Die Sprüche, diese Merksätze, diese Weltweisheiten, die klingen immer so harmlos: "Der Zweck heiligt die Mittel" - "Man kann alles machen, man darf sich nur nicht erwischen lassen" - "Man muss mit den Wölfen heulen", aber wenn man die Konsequenzen bedenkt, sind es schreckliche Begründungen. Dabei wissen wir doch von Christus, dass es eben nichts Gutes gibt, wenn der Weg zum Guten selbst nicht schon gut ist.
Diese eben genannten Begründungen für eine schlechte Moral, die fließen natürlich ineinander und es gibt noch mehr davon. Aber sie haben alle eins gemeinsam; sie lassen Gott aus dem Spiel, und der Mensch macht sich zum Maß der Dinge.
Die Bibel spricht nun ganz anders als diese Weltweisheit.
Paulus begründet die Moral von Christus her und auf Christus hin. Paulus appelliert nämlich an die Würde der Christen. Er sagt: Christus hat euch lieb, ihr seid Gottes geliebte Kinder, und darum ist es einfach!unter eurer Würde, habgierig, schmutzig und zuchtlos zu leben.
So sind seine Worte in der Umkehrung: Es schickt sich für euch nicht wie Sklaven zu leben, die nur anständig handeln, wenn einer mit der Knute dahintersteht und ihnen eins überzieht, wenn sie aufmucken.
Moralisches, gutes Handeln muss von innen heraus kommen. Dass du gut und wahrhaftig handelst, hängt mit deiner Würde zusammen, die dir Gott gegeben hat. Und an diese Würde appelliert Paulus. Und ich bitte euch, appelliert auch bei euren Freunden und Nachbarn an diese Würde; das bleibt nämlich nicht erfolglos.
Ein Mensch zerstört sich selbst, wenn er Böses tut.
Diese Einsicht ist nach der Weltweisheit schwer zu fassen, weil das Lügen und das Mogeln und das Nicht-so-genau-nehmen kurzfristig eben immer Bequemlichkeit oder manchmal auch Süßigkeit beschert. Nur auf ‘lange Sicht ruiniert sich ein Mensch. Und gerade bei unseren Freunden, die wir lieb haben, sollen wir es so ähnlich tun wie Christus; dass wir ihnen das Mogeln nicht durchgehen lassen, gerade weil wir sie lieben und weil wir an ihre Würde appellieren.
Wer Gottes Gebote über sich gelten lässt, eckt an, und der warme Mief einer mogelnden Gesellschaft wird ihm selten zuteil werden.
Nach den Erfahrungen dieser Welt, die ja kurzfristig sind, zahlt sich Anständigkeit meistens nicht aus. Und doch lebt die Welt von denen, die anständig sind.
Paulus nennt ja das gute, moralische Handeln "das Leben im Licht". Er sagt: "Christus sagt: ihr seid das Licht der Welt". Durch euch will Gott die Welt erhellen und erleuchten. Das traut uns Christus zu, und das muss uns natürlich erst mal erschrecken. Trotzdem gilt es. Es gilt!
Nun weiß ich, wie einen die Welt belauert, wenn man soetwas ausspricht. Ich weiß schon, was viele in der Gemeinde an diesem Punkt denken, und manche sagen es auch hinter vorgehaltener Hand, wenn man so eine Moralpredigt hält. Sie sagen nämlich: Du Moralapostel, du kannst es ja selbst nicht! Oder sie zählen auf, was die Kirche alles Schlimmes getan hat. Oder sie zeigen einfach auf dich oder mich oder wer immer es ausspricht und sagen; schau dich selbst an, bei den leichtesten Geboten stolperst du, Versuchungen erliegst du. Und dann kommt immer der klassische Satz: "Und sowas will Christ sein, sowas will Kirchenvorsteher sein, oder sowas will Pastor sein; redet von der Moral und schafft es selber nicht!"
Ihr Lieben! Die Welt richtet sehr scharf diejenigen, die die Gültigkeit der Gebote bezeugen. Und das gilt es auszuhalten, dass wir die Gültigkeit der Gebote erst mal bezeugen. Unabhängig davon, ob wir’s schaffen, immer sie zu halten oder nicht; sie gelten! Auch wenn ich es nicht schaffe, sie zu halten, sie gelten, und das bezeuge ich. Und wenn du zu dem, der dich nun verklagt und sagt; aha, und sowas will Christ sein, wenn du zu dem sagst; Ja, Und wie ist das mit dir? Dann ziehen sich solche Leute zurück und sagen: Ich habe ja nicht gesagt, dass ich Christ bin, aber du sagst es, und nun rechtfertige dich vor mir und vor der Welt!
Das ist ein altes Problem. Paulus hat es schon erfahren. In einem Brief schreibt er davon. Und da hat sich Paulus nicht selbst verteidigt. Er hat sich auf diesen Streit gar nicht eingelassen, sondern er hat immer nur gesagt: Gott ist mein Richter. Die Gebote gelten. Und Christus ist für mich gestorben, und daran erkenne ich, wie sehr er mich geliebt hat, und dass er mich für wert gehalten hat, für mich zu sterben. Dass er bis zum Tode am Kreuz der festen Ansicht war; es lohnt sich.
Darauf hat sich Paulus berufen. Und darauf berufen wir uns auch. Christus hat uns das Menschenmögliche zugetraut; nämlich die Kraft, dass wir nicht dem momentanen Vorteil nachgeben, der Bequemlichkeit, der Süßigkeit des Augenblicks, sondern dass wir treu sind, dass wir auch Mühsal auf uns nehmen, einfach, weil das gute Verhalten uns ansteht, weil Christus uns für würdig befunden hat. Christus hat sein Leben für uns gelassen, dies zu zeigen. Zu zeigen; für so edel halte ich durch. So kostbar seid ihr mir. Und das traut Gott euch zu.
Christus hat eben nicht gemogelt und nicht ein Auge zugedrückt und gesagt; na ja, Die Menschen sind eben Schweinigel, und wenn sie sich so einigermaßen halten, dann ist ja Gott schon zufrieden. So spricht Christus gerade nicht. Und das lässt er gerade nicht durchgehen, weil er uns liebt und weil er an unsere Würde von Gottes Kindern glaubt.
Unsere Moral gründet sich nur darauf, dass Christus uns liebt. Dass er uns so geliebt hat, dass er für uns in den Tod gegangen ist. Darauf gründet sich unsere Würde und darauf sind wir getauft. Und aus eben diesem Zusammenhang ergibt sich unsere Moral. Böses tun ist unter unserer Würde, für jemanden, der von dem Gottessohn geliebt wird.
"Ihr seid das Licht der Welt", sagt Jesus. Und das ist eine Zumutung; wenn man diese armseligen Jünger sieht, die sich ja von uns gar nicht so sehr unterscheiden. Zu ihnen sagt er: "Ihr seid das Licht der Welt", und ich lasse euch nicht aus dieser Verheißung; an dieser Zumutung kommt ihr nicht vorbei!
Wir haben in der Kinderpredigt gehört, wie es dem Petrus möglich war, das Menschenunmögliche zu tun, auf Jesus zuzugehen auf einem Grund, der nach menschlichem Ermessen sicht tragen kann. Er schaut auf Jesus, Jesus traut es ihm zu, und das nach menschlichem Ermessen Unmögliche gelingt ihm. Und erst als er auf die Wogen und die Wellen schaut und merkt; das kann ich gar nicht schaffen, verliert er den Glauben, zweifelt und sinkt.
Er sinkt nur, weil er zweifelt.
Und auch da ist er nicht verloren, denn er kann beten. Er ruft: Herr, hilf mir! Und Jesus reicht ihm die Hand.
Wahrhaftig und gut im Leben zu handeln, moralisch gut und richtig, das ist so ähnlich, wie wenn man auf Christi Wort hin ein Schiff verlässt und über’s Wasser geht. Unmöglich scheint es nach menschlicher Kraft. Aber auf Sein Wort hin wollen wir so leben. Und auch wenn es nur ein paar Schritte weit gelingt, machen wir doch eine kostbare Erfahrung, dass es an Punkten gelingt und dass wir trotzdem nicht untergehen sollen.
Und ein Letztes noch: Gemeinsam sollen wir uns darin bestärken; untereinander sollen wir die Gültigkeit der Moral, die sich auf Christus gründet, bezeugen und leben. Die Gemeinde Jesu Christi ist nämlich keine Sympathiegruppe von welchen, die sich nun unentwegt streicheln müssen. Sondern es ist die Gemeinschaft derer, die Christus geadelt hat. Denen er ein neues, moralisches, gutes Verhalten zugemutet hat.
Und wenn wir das Abendmahl in Seinem Namen feiern, dann kommen wir zum Altar und bezeugen ohne Worte, einfach, indem wir hier zusammenstehen, um Christus herum, dass seine Liebe unserem Leben den Grund gibt, und dass seine Liebe gilt.
Und weil Er uns das zutraut, weil Er uns geliebt hat, werden wir auch die Kraft haben, hinauf zu leben zu Ihm - AMEN!
Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!