Predigt 548 zum Rogate

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Predigt vom 27.04.1986 - Pastor Schnabel - Rogate - Kol. 3, 12-17

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!

Liebe Gemeinde! Wir haben uns in der Kinderpredigt vor Augen geführt, was der Apostel Paulus da sagt in der Bibel: Die Tugenden machen einen Menschen schön. Die Tugend sollt ihr anziehen wie ein neues Kleid. Herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. Sicherlich gäbe es da noch mehr aufzuzählen. Alles gebündelt von dem Band der Vollkommenheit, und das ist die Liebe, die im Grunde mehr ist, als diese einzelnen, neuen Verhaltensweisen.

Das Wort "Tugend" ist selten geworden. Ursprünglich hatte Tugend eine große, wichtige, gute Bedeutung. Dann kam es in Verruf; du Tugendbold, sagte man, und das war abfällig gemeint; Einer, der mit seinem Verhalten angibt. Heute wird das Wort selten benutzt. Es kommt von taugen. Tugend kommt von taugen. Und was ein Mensch taugt, das kommt: in seinem Verhalten zum Ausdruck, in seinen Tugenden - seinen Taugenden. Die, die ihn schmücken, die ihn mit schönem Glanz umgeben. Oder in seinen Untugenden, die können nämlich einen Menschen entstellen und verunstalten. Tugend hat es immer auch mit der Bestimmung unseres Menschseins zu tun. Die Bestimmung, das, wozu Gott, der Schöpfer, seine Geschöpfe bestimmt hat. Auch Werkzeuge können eine Tugend haben, wenn sie etwas taugen. Eine Säge taugt etwas, wenn sie bei längerem Gebrauch nicht stumpf wird und auch nicht klemmt. Eine Säge kann taugen und kann eine Tugend haben, wenn sie das tut, wozu sie bestimmt ist.

Gott hat uns Menschen zu den Tugenden bestimmt, die die Bibel an vielen Stellen aufzählt. Leicht halten wir ja diese Tugenden; Erbarmen, Sanftmut, Demut, Liebe, Freundlichkeit, für eine schwächliche Gefühlsduselei. Und nur jemand, der diese Tugenden auch mal gelebt hat, jemand, der dieses neue Verhalten angezogen hat, der wird gemerkt haben, dass Tugend eine Kraft ist. Dass da eine Kraft zutage tritt, die alles andere übersteigt. Und dass die Liebe, das band der Vollkommenheit die stärkste Kraft überhaupt ist.

Jesus hat sich auf keine andere Kraft verlassen, als nur auf die Liebe. Und gerade in Christus erkennen wir, dass die Tugend etwas sehr Starkes und etwas sehr Bestimmendes ist..Es hängt alles an der Bestimmung, die Gott uns in Christus vorgespielt hat, beispielhaft. Wenn Christus unsere Herzen regiert, dann ergibt sich die Tugend ganz von selbst, denn jedes andere Verhalten wird erkannt als untugendhaft, als etwas, was einfach unter unserer Würde ist, was nicht unserer Bestimmung entspricht.

Darum ist es so wichtig, dass wir uns selbst und unseren Kindern immer wieder das Bild Jesu Christi einprägen und vorstellen. Denn es ist ein Bild des göttlichen Glanzes. Es gilt die Schönheit von Menschen vorzustellen. Die Schönheit eines Menschen, der singt und betet, der barmherzig ist, der freundlich ist, geduldig und liebevoll. Dieses Verhalten macht einen Menschen schön und stark. Und diese Schönheit ist im Grunde das Einzige, was bleibt im Leben und über den Tod hinaus. Die Tugend macht einen Menschen schön, denn es gibt ein Verhalten, das von innen heraus aus dem Herzen kommt, in dem Gott regiert.

Nun ist ganz wichtig hier anzumerken, dass die Tugend nicht ein Verhältnis ist, das auf Mann oder Frau, oder auf Junge oder Mädchen beschränkt ist. Wir leiden bis heute an diesem Missverständnis, dass Männer und Frauen ein besonderes Verhalten hätten. Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; über Jahrhunderte hinweg haben die Männer gemeint, das ist nur etwas für Frauen, das klingt weichlich, das hat mit Gefühl zu tun, das hat keine Kraft. Und da haben sich die Männer eingestellt auf Macht und auf Kampf. Wenn sie die Wahl hatten, dann waren sie lieber hochmütig, als demütig. Da waren sie lieber ungeduldig, als geduldig. Ein Mann, der muss lieber hart und stur sein, als sanftmütig und bedächtig. Andere Menschen müssen als Rivalen eingestuft werden und eingeschüchtert und beschimpft werden. Und es ist kaum jemand auf die Idee gekommen, dass im Grunde die größere Tapferkeit dazu gehört, die Tugend zu leben und Menschen in Güte zu überwinden und zu gewinnen.

Ich habe mir da gestern einen Versandthauskatalog gesucht, weil mir in Erinnerung war, dass die männlichen Modelle, die die neuen Kleidungen darstellen, meistens so einen merkwürdigen Gesichtszug haben.

Macht das heute mal, schaut mal die Seiten mit der Herrenmode an. Schaut mal den Männern ins Gesicht. Die meisten Männer, die gucken immer noch grimmig und hart, mit angespannten Backenmuskeln. Und wenn du im Lichte der Bibel diese Männer anguckst, dann musst du sagen; schau sie an, diese Armen, sie warten immer noch auf die Befreiung zur Sanftmut und zur Freundlichkeit. Aber ihr Frauen, die ihr jetzt gelacht habt, schaut euch auch mal die Seiten mit der Frauenmode an. Auch da ist es schon besser geworden. Aber auch da herrscht allzu oft noch das Image des dummen Puttchens vor, das so einen harten Tarzan anhimmelt. Auch diese Frauen warten auf die Befreiung zu einem neuen Leben. Und die Erlösung betrifft uns beide, Männer und Frauen. Uns muss beiden die Sanftmut, und die Geduld und die Freundlichkeit begegnen. Wir müssen alle uns dieses neue Verhalten anziehen. Für uns Menschen, für Männer und für Frauen kommt die Erlösung da, wo die Liebe die Rivalität und den Machtkampf überwunden hat. Wo die Liebe alle Tugenden umschließt als Band der Vollkommenheit. Wenn wir das schon mal als gültige Bestimmung über unser Leben erkannt haben, dann wirkt schon der Geist Christi in unseren Herzen. Dann bleibt zwar noch ein schmaler, steiler, weiter Weg zu gehen für uns alle. Und dann müssen wir - wie Paulus sagt - uns immer wieder ermuntern mit Danksagung, mit geistlichen Liedern. Was alles so paradiesisch klingt, das brauchen wir tatsächlich, um uns gegenseitig zu erinnern, um uns gegenseitig aufzutauen. Dann wissen wir schon mal, wozu wir taugen und was unsere Tugend ist. Dann vertrödeln wir nicht mehr unsere Zeit ohne jede Orientierung. Im Lichte der Wahrheit Gottes können wir dann an uns arbeiten, denn wir haben in Christus die Schönheit eines Menschen vor Augen, zu der wir selbst bestimmt sind.

Der Apostel hebt in seinem Brief zuletzt das Singen deutlich hervor, und deshalb haben wir diesen Text für den Sonntag Kantate; Singen. Er hebt das Singen hervor als eine Sache des Herzens, die Menschen zusammenbringt. Und hier ist unsere Sprache wieder hinreißend deutlich; das Singen stimmt ein. Und ihr wisst, dass das Wort "stimmen" so eine Doppelbedeutung hat. Wir sagen zum Beispiel auch; die Maße eines Schrankes, die stimmen nicht, das heißt; sie sind nicht im Einklang mit ihrer Bestimmung. Das Singen stimmt uns ein. Wenn wir nicht singen, dann stimmen wir nichts an, aber wenn wir singen, dann stimmen wir uns ein auf eine gemeinsame Melodie, die : unsere Herzen bestärkt und beflügelt. Wir unterschätzen das Singen. Und viele Menschen denken immer, das Singen, das wäre etwas Funktionales; der Plattenspieler kann’s viel besser. Natürlich kann er’s besser. Oder in einem Chor, das muss makellos sein. Natürlich ist ein trainierter Chor viel besser in der Stimme, als wenn wir uns z.B. in der Jugendgruppe oder in der Bibelstunde zusammensetzen und ‘singen. Aber das Singen hat ja eine größere Bedeutung. Unser Gesangbuch ist ein Schatz an Trost und Freude mit diesen frommen Liedern, denn sie sind wie gesegnete Gebete.

Und wer sich auf diese gesungenen Gebete einstimmt, der erlebt sich als Teil des Ganzen.

Manchmal geschieht es, dass ich Menschen überreden muss, z.B. bei einer Beerdigung doch zu singen. Dann sagen sie: Wir können nicht mehr singen, unsere Familie singt nicht. Aber ihr kennt das Wort: Singe, dann lernst du singen. Das gilt auch: Glaube, dann lernst du glauben.

Habt ihr denn vergessen, die Urerfahrungen, die wir als Kinder mit dem Singen gemacht haben? Könnt ihr euch entsinnen, wie wir auf dem Weg durch den dunklen Wald uns Mut an gesungen haben? Oder wer vielleicht nicht im Wald oder am Wald gelebt hat; könnt ihr euch erinnern, wie wir als Kinder sangen, wenn wir allein in den finsteren Keller mussten, um da Kohlen zu holen und Kartoffeln? Wie wir da tapfer gesungen haben, und wie wir nicht allein waren?

Ich kann mich entsinnen, einmal, als in einer Familie ein Mensch plötzlich starb und ich wurde gerufen. Und es war alles so plötzlich, und wir saßen im Wohnzimmer. Na gut, man redet dann noch, was der Arzt hätte machen können, oder dies und das. Aber plötzlich verstummt alles, weil alle merken; wir sind am Ende mit unseren Worten. Und in diese ratlose Stille hinein, haben wir die Gesangbücher genommen und zusammen gesungen. Lieder, die wir gemeinsam kannten; "Befiehl du deine Wege, und was dein Herze kränkt". Oder: "Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll, Gott sitzt im Regimente, und führet alles wohl". Oder: "Warum soll ich mich denn grämen, hab ich doch Christum noch, wer will mir den nehmen". Der Eine mit einer schütteren, tränenerstickten Stimme, und der Andere kräftiger, aber wir sangen zusammen. Und was wir da sangen, das stimmte plötzlich, das wirkte unter uns.

Wir können mit dem Singen dunkle Wege hell machen. Wir können mit dem Singen lange Wege kurz machen. Wir können uns auch mühsame Arbeit und schweres Schicksal leicht singen. Beim gemeinsamen Singen stimmen wir unsere Herzen ein auf Gott. Der Eine singt hoch, der Andere singt tief. Einer singt schräg, der Andere gerade, laut oder leise. Jeder singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Aber in dieser Verschiedenheit singen wir die gleiche Melodie. Und das ist so ähnlich wie im Orchester wo verschiedene Instrumente, verschiedene Stimmen spielen, manchmal auch verschlungene Wege gehen, aber es ranken sich alle um eine Leitmelodie. Und sie gehen alle auf ein gemeinsames Ziel zu. Und so soll es mit der Gemeinde sein.

Lieben und Singen, kann man nicht erzwingen. Das stimmt, Aber man soll das Lieben und das Singen auch nicht zurückhalten, denn ich glaube, dass uns viel öfter zum Singen zumute ist, als wir es dann nach außen bringen. Sei es aus Freude oder Dank, oder sei es aus Schmerz und Verlassenheit. Auch davon kann jeder ein Lied singen.

Gemeinsam wird uns das Singen zum Segen, sei es aus Freude oder aus Schmerz. Gemeinsam stimmen wir das Lied an, und dann stimmen wir uns ein, und dann stimmt das, was Christus über uns verheißen hat.

Hört diesmal am Ende noch die Worte vom Apostel Paulus: "Zieht nun an, als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. Und ertrage einer den anderen und vergebt euch untereinander. Wenn jemand Klage hat gegen den anderen, wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr. Und über alles zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi, zu dem ihr aufgerufen seid in einem - Leib, regiere in euren Herzen. Und seid dankbar. Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen; lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern. Singt Gott, dankbar in euren Herzen. Und alles, was ihr tut mit Worten oder Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch Ihn." AMEN!

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!