Predigt vom 08.06.1986 - Eph. 2, 17-22
Der Predigttext steht im Brief des Paulus an die Epheser im 2. Kapitel:
"Christus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt, euch, die ihr fern wart und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater! So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist".
Gott segne an uns dieses Wort! Liebe Gemeinde - ein Gleichnis vorweg:
Da lebten reiche Leute in einem großen Haus. Sie hatten zwei leibliche Kinder. Sie hätten gern mehr gehabt, aber sie bekamen nicht mehr.
Da adoptierten sie einige Jahre später noch einen Jungen und ein Mädchen. Diese vier Geschwister - die adoptierten und die leiblichen - wuchsen zusammen auf. Sie hatten eine schöne Kindheit, sie hatten Platz in dem Haus und sie wurden gleich geliebt von ihren Eltern.
Als sie größer waren, da starben die Eltern plötzlich, und man fand ein altes Testament aus der Zeit, als die Adoptivkinder noch gar nicht da waren. Es gab Streit, die leiblichen Kinder wollten die adoptierten Kinder los werden. Erst verdrängten sie sie in die Kellerwohung. Dann wollten sie, dass sie ganz ausziehen.
Gott sei Dank hatten die Adoptivkinder inzwischen so viel Selbstbewusstsein, dass sie sagten: Nein, wir gehen vors Gericht!
Und als man die Sache ausbreitete, fand sich ein neues Testament aus der späteren Zeit, als die Adoptivkinder schon da waren.
In diesem Testament stand klipp und klar; Alle vier Geschwister - die leiblichen und die adoptierten - sollten mit ihren Familien in diesem Haus wohnen bis zu ihrem Lebensende. Nicht als Gäste oder Fremde, sondern als Geschwister und Hausgenossen.
Mit diesem Gleichnis will ich noch einmal den Streit verdeutlichen, der in der frühen Kirche in den Gemeinde vor sich ging. Es war der Streit zwischen den Judenchristen und den Heidenchristen.
Die Judenchristen fühlen sich wie die leiblichen Kinder Gottes, und die Heidenchristen waren eben später dazugekommen. Der Apostel Paulus macht diesen Punkt noch einmal klar, und er sagt den Adoptivkindern; Fühlt euch genauso zu Hause wie die leiblichen Kinder, denn es ist Gottes Welt, und die Welt ist wie ein Haus, das unserem himmlischen Vater gehört. Er hat jedem Menschen die Daseinsberechtigung zugesprochen wie ein Wohnrecht. Wehe, wer einem anderen Menschen die Daseinsberechtigung streitig macht. Und sei es nur dadurch, dass er ihm zum Vorwurf macht, dass er alt ist oder krank oder nicht viel leistet.
Unfrieden und Hass in der Welt kommen daher, dass ein Mensch dem anderen die Daseinsberechtigung abspricht. Das gipfelt in den Worten; Du gehörst nicht hierher, hau ab, mach, dass du wegkommst!
An die Seite gedrängt werden Menschen, und das macht unseren Streit so schlimm!
Ehe man miteinander redet und die Sache überdenkt, droht man mit Gericht, mit Strafe, mit Druck, mit Erpressung, mit. Zerstörung. Darum können wir im Grunde so schlecht streiten. Dabei ist vielleicht gerade der gute, vitale Streit etwas, was wir dringend brauchen.
Wir verstehen unter Gemeinschaft allzu oft nur eine Gruppe von Menschen, die in einer kritiklosen Zustimmung leben. Und wenn dann einer mal Kritik übt oder Einspruch erhebt, dann wittern wir gleich Feindseligkeit, dann haben wir gleich Angst: da will uns einer ausschließen, da will uns einer die Grundlage und die Daseinsberechtigung entziehen. Und wenn man in diesem Fahrwasser ist, dann ist es nur noch eine Machtfrage, wer wen aus dem Nest drängt, wer wen ausschließt.
So geht das unselige Leben.
Und nun sagt Paulus; Christus hat im Evangelium Frieden verkündet, denen, die fern sind und denen, die nahe sind. Gottes Hausbewohner, Gottes Hausgenossen und Mitbürger der Heiligen sind wir Menschen. Und so verschieden wir sind, wir haben einen Zugang zum Vater.
Wir haben von Gott, und nur von Gott dem Sinn unseres Lebens und unsere Daseinsberechtigung und unser Wohnrecht auf Erden, das können wir nicht verdienen. Und dass wir es uns immer wieder verdienen wollen, das genau nennt die Bibel Sünde. Und das ist die alte Krankheit, die uns in den Knochen steckt, die uns das Leben schwer macht - auch das Zusammenleben.
Das ist Gottes Botschaft in Christus an uns: Kein Mensch hat das Recht, einem anderen Menschen die Daseinsberechtigung abzusprechen!
Man kann sich’s auch so vorstellen; Die Welt ist ein großes Haus, und da drinnen haben die Menschen ihre eigenen Machtmechanismen etabliert und darum schickt Gott seinen Sohn in dieses Haus, um eine neue Ordnung zu begründen.
Verständlich, dass diejenigen, die in diesem Haus die Macht haben, diejenigen, die auf Kosten der Anderen leben - auf die seelischen und geistigen Kosten - dass die von der neuen Ordnung nichts wissen wollen.
Darum haben sie Jesus gekreuzigt.
Und seitdem gibt es in dem großen Haus Gottes einige kleine Zimmerchen in denen sich Menschen versammeln wie wir hier, die immer wieder diese neue Botschaft hören, und die nicht müde werden von dieser Verheißung zu leben, das es eben anders geht.
Christus baut seine Gemeinde aus Menschen, die das als Minimalkonsens bekennen; Wir haben einen gemeinsamen Ursprung bei Gott, wir sind Kinder Gottes.
Und auf dieser Basis - wenn uns die von Herzen klar und fest ist - können wir uns dann streiten, können wir uns vertragen, wie Hausgenossen, die in einem großen Haus gemeinsam wohnen und die nie auf die Idee kommen, dass einer den anderen rausschmeißen will. Wenn man unter einem Dach lebt, muss vieles ausgehandelt werden.
Da müssen notfalls auch die Teller und die Tassen fliegen. Aber eines ist unantastbar: Das Wohnrecht in diesem Haus!
Wenn auf dieser Grundlage gestritten wird, dann kann jeder Streit auch Früchte bringen. Wenn von vornherein feststeht: Wir wohnen hier! Wir bleiben zusammen! Das Daseinsrecht ist von Gott, das ist unantastbar!
Auf dieser Basis gründet sich Gemeinde! Und Gemeinde geht nicht, wenn jemand anfängt zu erpressen, zu sagen: "Wenn ihr nicht macht, was ich sage, dann trete ich aus!" Das ist Erpressung an der Vereine menschliche Gemeinschaften, Ehen, kaputtgehen, wenn einer sagt: "Entweder so - oder ich gehe!"
In einer Gemeinde, die sich auf Christus gründet, fühlt sich jeder auch sicher zum Streiten, denn die Kritik geht dir nicht mehr ans Leder, die geht dir nicht mehr ans Herzblut, sondern Kritik geschieht auf dem Grund gemeinsamen Lebens. Keiner, der dich kritisiert, wird dir die Daseinsberechtigung absprechen, und das ist der grundlegende Unterschied.
Das ist die frohe Botschaft in Christus an uns.
Wir können auf dieser Grundlage wachsen und reifen und verändert werden, uns streiten, uns vertragen. Wir können auch schuldig werden und vergeben ohne daran zu zerbrechen. Immer, wenn wir Menschen handeln wollen, müssen wir das Risiko auch auf uns nehmen, dass es falsch und schief wird. Ein Mensch, der das nicht mehr wagen kann, der kann gar nichts mehr tun. Aber wir bleiben - wie es im Psalm 23 in der letzten Zeile heißt - wir bleiben im Hause des Herrn immerdar, als Hausgenossen, als Geschwister unseres himmlischen Vaters. Daran können wir Gott sei Dank nichts ändern. Und wer es dennoch tut, der schließt sich selbst aus, nicht die Anderen.
Der Apostel sagt sinngemäß: Fühlt euch also wie zu Hause, und lacht die Menschen und die Mächte aus, die sich auf Erden in Gottes Haus so aufspielen, als wären sie die Herren. Wer so größenwahnsinnig ist, der lasse sich zur Demut befreien. Und wenn er es mit sich geschehen lässt, dann wird er belohnt mit einer Gemeinde von Schwestern und Brüdern zu der er gehören darf. Der muss gar nicht mehr den großen Larry machen. Wer unter seiner Minderwertigkeit leidet, das ist das andere Extrem und auch aus der gleichen Wurzel, der nehme Christus nur beim Wort und bestehe darauf; Auch ich bin ein Mitbürger und Hausgenosse Gottes. Der wird zu einem neuen Leben finden, wenn er Christus beim Wort nimmt. Die Gemeinde aber soll eintreten für die, deren Dasein bedroht ist von den Mächten in dieser Welt.
Den Nahen und den Fernen hat Christus Frieden gebracht in der Gemeinde die er durch seinen Geist erbaut.
Christus ist der Baumeister, der fügt uns zusammen.
Verschiedene Steine, die alle in seinem Geiste ihren Zusammenhang finden. Darum ist es ein Glück, dass jeder von uns ein Teil vom Ganzen ist. Dass ER das Haupt ist und wir die Glieder. Dass ER der Baumeister ist, der uns erbaut. Dass wir in diesem Reich Gottes unseren Platz finden. Dass ER sich uns gibt in Brot und Wein. Durch IHN stehen wir in einem Zusammenhang. In IHM werden wir heil und ganz, verwoben durch SEINE Liebe zu Mitbürgern und Hausgenossen Gottes. AMEN!