Kinderpredigt 564 zum Ewigkeitssonntag

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Kinderpredigt vom 23.11.1986 - Pastor Schnabel - Ewigkeitssonntag

Liebe Kinder!

Heute ist der Ewigkeitssonntag. Als ich so alt war wie ihr, hieß er auch der "Totensonntag". Das ist immer der letzte Sonntag vor dem 1. Advent.

Heute geht das Kirchenjahr zu Ende. Und am Ende des Kirchenjahres ist auch von den letzten Dingen die Rede. Die letzten Dinge haben zu tun mit dem Tod und mit dem, was danach kommt.

Vielleicht habt ihr gesehen, dass viele, die ein Grab haben, dass sie das in der letzten Woche für den Winter fertig gemacht haben: die vertrockneten Blumen abgeschnitten und Tannenzweige drauf gedeckt haben.

Wenn ihr heute zum Friedhof geht, dann werdet ihr viele Menschen da treffen. Die gehen zum Grab eines lieben Menschen, erinnern sich und sprechen im Stillen ein Gebet am Grab und gehen dann nach Hause,

Und solltet ihr Kinder heute auch nach dem Friedhof gehen, dann bedenkt mal, dass jeder von euch zwei Eltern hat, die Gott sei Dank noch leben. Dann hat aber jeder von euch vier Großeltern und acht Urgroßeltern, von denen nicht mehr alle leben. Und manche von den Großeltern: und Urgroßeltern, die hätten euch sicherlich gerne noch kennengelernt. Aber sie sind früher gestorben. Aber die Großeltern und Urgroßeltern, die gehören zu euch, die sind ein Teil von eurer Geschichte.

Und so ist dieser Ewigkeitssonntag ein guter Anlass, mal zu fragen: Wie war das denn mit dem Opa? Was hat er denn gern getan? Was hat er geglaubt? Wie hat er gelebt?

Da gibt es manchmal lustige und fröhliche und ernste Geschichten. Dazu ist auch so ein Totensonntag da, dass wir uns erinnern. Wir gedenken der Toten, der Toten, die wir gekannt haben. Die Toten sind nämlich in unserem Leben auch gegenwärtig. Auch, wenn wir das vielleicht manchmal nicht wahrhaben wollen.

Heute am Ende des Gottesdienstes werden von der Kanzel die Namen verlesen von allen, die im Laufe des letzten Jahres aus unserer Gemeinde gestorben sind.

Bei den meisten Namen wird der eine oder der andere in der Gemeinde den Verstorbenen auch vor Augen haben. Sei es, dass er ihn gut gekannt hat oder verwandt mit ihm war, oder sei es auch nur, dass er gesehen hat: ach ja, wenn wir hier Gottesdienst feierten, dann saß er oder sie hier oder da. Und nun ist sie nicht mehr da.

Manchmal tut’s auch weh, sich an einen lieben Menschen zu erinnern, der nun tot ist. Denn die Toten sind leider unerreichbar.

Wenn wir uns an einen Menschen erinnern, dann vergegenwärtigen wir ihn.

In den letzten Wochen habt ihr vielleicht gesehen, dass da draußen vor dem Hinterausgang drei große Felssteine lagen. Aus zwei von den Felssteinen habe ich Grabsteine gemacht - auf dem einen stand der Name geschrieben, den ich da drauf gemalt hatte - der liegt jetzt auf dem Friedhof seit vorgestern. Da stand der Name "Gertrud [Name]" drauf, 1897 geboren in Ostpreußen und 1986 gestorben in Deutsch Evern. Sie ist also 98 Jahre alt geworden. Bei diesem Namen wird nun keiner von euch sich erinnern. Gertrud [Name] war nämlich eine alte Frau und lebte im Altersheim mit drei anderen Frauen in einem Zimmer. Und dort war alles, was sie besaß, ein Bett und ein Stuhl und ein kleiner Tisch und ein Nachtschränkchen.

Es war eine kleine, alte, magere Frau mit zittrigen Händen und mit blauen Augen. Frau [Name] hatte keine Angehörigen mehr. Und darum haben wir, weil sie zu unserer Gemeinde gehörte, diesen Stein auf ihr Grab gesetzt, damit sie nicht so schnell in Vergessenheit gerät.

Frau [Name] hatte im ersten Weltkrieg ihren Mann kennengelernt. Und noch ehe sie ihn heiraten konnte, war er gefallen. Und von ihm hatte sie einen Sohn Kurt, und den hatte sie sehr lieb, der erinnerte sie immer an ihren gefallenen Mann. Und der musste im zweiten Weltkrieg Soldat werden und wurde dort getötet. Mit 48 Jahren musste sie aus ihrer Heimat in Ostpreußen fliehen. Und so kam sie hier her am Ende nach Deutsch Evern und ist mit 98 Jahren gestorben. Zu ihrer Beerdigung haben wir einen Gottesdienst gehalten. Da waren nur vier Leute dabei, weil nur wenige sie kannten.

Merkt ihr? Mit dem, was ich eben erzählt habe, haben wir Frau Gertrud [Name] vergegenwärtigt, obwohl keiner von euch sie kannte. Da war eben, als ich von ihrem schweren Leben erzählte, etwas von ihrer Lebensgeschichte da. Und das ist eine traurige Geschichte, und eine Geschichte, die wir um Himmels willen erinnern wollen, denn da steckt eine tiefe Bedeutung drin. Wenn ihr demnächst mal auf den Friedhof geht, könnt ihr das Grab sehen. Ein großer, runder Felsstein, Gertrud [Name] steht drauf. Und ich habe auch ein silbernes Kreuz drauf gemalt, und das bedeutet, dass diese alte Frau als kleines Kind einmal getauft war auf den Namen unseres Herrn Jesus Christus. Mit dem Zeichen des Kreuzes ist sie gesegnet worden und das hat sie begleitet ein Leben lang. Und nun ist sie im Himmel bei Gott. Sie hat sicherlich in ihrem Leben viel geweint, und ihr Leben war schwer. Aber wir vertrauen darauf, was die Bibel sagt, dass das gilt, dass Gott abwischen wird alle unsere Tränen, und auch die Tränen dieser alten Frau. AMEN!