Predigt vom 08.02.1987 - Pastor Schnabel - 2. Mose 3, 1-10
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Mose begegnet Gott im brennenden Dornbusch und bekommt den Auftrag, Israel aus der Sklaverei ins gelobte Land zu führen.
Die Bibel erzählt, wie Mose darauf reagiert, nachdem er diesen Auf trag bekommen hat.
"Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten nach Ägypten? Er sprach: "Ich will mit dir sein, Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge Mose sprach zu Gott: "Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu auch gesandt! Und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name? Was soll ich ihnen sagen? Gott sprach zu Mose: "Ich werde sein, der ich sein werde“. Und sprach: So sollst du den Israeliten sagen: "Ich werde sein", der hat mich zu euch gesandt."
Mose steht vor zwei großen Aufgaben. Er muss einmal dieses verkommene, armselige Sklavenvolk Israel überzeugen, dass Gott handelt, dass Er der ist, mit dem seine Väter schon zu tun hatten. Er, dessen Name unbekannt ist, der aber erfahren wurde als eine lebensbestimmende Kraft. Wie soll er diesen Israeliten klar machen, dass Gott sie nicht vergessen hat?
Das ist die eine Seite der Aufgabe. Die andere; er muss vor den Pharao treten und mit ihm verhandeln. Und Gott sagt ihm gleich; er wird euch gutwillig nicht ziehen lassen. Mose, der Schafhirte, hat keine Macht. Er kann sich auf kein Amt berufen. Er hat nichts im Rücken. Er weiß noch nicht einmal den Namen Gottes. Und auf seine Frage antwortet Gott "Ich werde sein, der ich sein werde". Wenn sie dich fragen, dann säge: der "Ich werde sein", hat mich gesandt. Es ist der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.
Die eine Macht, die Himmel und Erde geschaffen hat, die den Vätern begegnet ist und sie herausführte aus dem Gewohnten, den Verheißungen und Träumen und Geschichten, in ein neues Leben und in ein neues Land, dieser Eine ist am Werk.
Nun ist Mose viel zu klug, um begeistert loszugehen und vielleicht vor den anderen noch zu protzen und zu sagen: "Hurra, ich bin erwählt! Schaut her, ich bin der Größte!" Er sieht sehr genau, in weicher Ohnmacht und Unsicherheit er diesen Auftrag ausführen soll. Und es ist dann interessant, in der Bibel zu lesen, wie er sich mit Gott streitet Er argumentiert mit Gott. Er sucht nach Ausreden, die darin gipfeln, dass er sagt: Herr ich habe eine schwere Zunge - das heißt; ich kann nicht gut reden - nimm einen anderen. Und Gott brüllt ihn an und sagst: "willst du wohl gehen!" "Ja, ich kann aber nicht reden." "Dann nimm den Aaron, der kann reden, dann seid ihr schon zu zweit." Mose weiß sehr genau, was man bis in die heutige Zeit erfahren kann; es ist nicht lustig, erwählt zu sein.
Von vielen Propheten in der Bibel wird erzählt, wie sie erst das Laufen bekommen, wie sie es mit der Angst zu tun bekommen, wenn Gott sie beruft. Mose soll sich auf den Weg machen ohne verfügbare Macht. Nur auf das Wort Gottes hin soll er vertrauen und handeln. Und Gott sagt: Geh los, meine Macht wird sich erweisen, du wirst sehen!
Aber es ist eben in allen diesen Geschichten dies Merkwürdige, dass immer dieser erste Schritt ins Ungewisse getan werden muss, dass vor diesem ersten Schritt eben nicht nachweisbar ist; hilft Er wirklich, gilt Sein Wort tatsächlich? Du weißt es vorher nie genau. Du erfährst es erst nach den ersten Schritten.
Auch Abraham lebt in seiner kuscheligen, gewohnten Umgebung, man könnte auch so sagen; in seinem behäbigen, warmen Mief. Und dieser Abraham bekommt das Wort des Herrn: Zieh aus in ein Land, das ich dir zeigen werde. Und er erlebt dann Merkwürdiges, Wundersames, ganz anders, als er es sich vorgestellt hat.
Genauso geht es Isaak, und genauso geht es Jakob. Und darum sind diese uralten Geschichten in der Bibel so urbildlich, weil sie einen inneren Vorgang deutlich machen, der uns Menschen trifft bis auf den heutigen Tag. Sie gehen alle los, auf Gottes Wort hin, ohne vorher genau zu wissen, wie es wird.
Und wir, im Rückblick, aus diesen erzählten Geschichten, wir lernen und hören natürlich, dass sie am Ende an das Ziel gekommen sind, das ihnen verheißen war. Aber der Weg dahin, der war immer ganz anders. Und der erste Schritt ins Ungewisse, das war immer der schwerste. Daher haben wir ja diese Redensart; der hat alle Zelte abgebrochen. Das kommt aus der Bibel, aus diesem Nomadenleben. Hinter dir die Zelte abgebrochen, heißt; es gibt kein Zurück. Und vor dir das Land, das Er dir zeigen will, was du aber noch nicht gesehen hast.
Das ist die Lage des Menschen, der auf Gott vertraut und aufbricht. Der hat keine Sicherheit. Der geht aus seiner Sicht ein Risiko ein. Der bewegt sich zwischen Vertrauen und Zweifel. Aber dafür ist ihm verheißen ein tiefes, weites, lebendiges, ewiges Leben, das der Tod nicht besiegen kann.
Mose weiß noch nicht, was ihn erwartet. Er weiß noch nichts vom Schilfmeer, von der Bedrohung, wo im letzten Augenblick die Rettung kommt. Von der Wüste, von dem Hunger. Ohne Wasser leben sie da, wo im letzten Augenblick die Rettung kommt, wo der Quell aus dem Felsen sprudelt.
Er weiß noch nichts von dieser Mühsal, von diesem murrenden Volk, mit diesen Sklavenseelen, die gar keine Freiheit wollen. Die sich unterwegs nach den Fleischtöpfen Ägyptens sehnen und sagen; gut, wir waren Sklaven, aber wir hatten wenigstens genug zu essen.
Aber er weiß eben auch noch nichts von der beglückenden Erfahrung, wie das Manna vom Himmel kommt. Wie Gott sie erhält. Wie sie immer wieder tiefes Leben erfahren. Da, wo die Not am größten ist, erfahren sie plötzlich auch die Hilfe am nächsten.
Er weiß noch nicht, wie sie die zehn Gebote am Berge Sinai bekommen. Den Bund mit Gott, der aus dieser verkommenen Horde überhaupt erst ein Volk macht.
Mose weiß das noch nicht. Wir wissen, er wird Todesangst und Rettung, er wird Zweifel und Erleuchtung erfahren. Und das neue, gelobte Land wird er am Ende seines Lebens nur von ferne sehen.
Gotteserfahrungen kann man nicht voraussehen. Sie sind immer anders. Gotteserfahrungen, so müssen wir auch hier lernen, sind nicht an eine Konfession gebunden, Gotteserfahrungen sind nicht evangelisch und nicht katholisch, sie sind auch nicht jüdisch oder mohamedanisch.
Gott ist gegenwärtig in der Geschichte der Menschen, immer auf andere Weise. Und vor allem ist es immer dies, dass Gott jeden Rahmen sprengt. Den Rahmen von Lehrsätzen, von Definitionen. Die kommen erst hinterher, nachdem Menschen etwas erlebt haben.
Gott ist unserer Vorstellung immer voraus, und es kommt immer ganz anders, als wir es berechnen. Das stört uns, weil wir es mit einer Macht zu tun bekommen, die uns nicht verfügbar ist. Aber genau das ist zugleich auch unsere Rettung, weil wir allein mit uns selbst in diesem Leben ersticken würden. Wir brauchen das Licht von draußen, sonst wird es nicht gut mit uns.
In der Geschichte der Kirche und der Christenheit ist diese Erfahrung immer vorhanden. Christus hat das Gesetz der Juden erfüllt, aber ganz anders, als es die Pharisäer berechnet hatten. Und darum haben sie ihn nicht erkannt. Die frühen Christengemeinden, die haben keine Kirchen gebaut, weil sie noch die Wiederkunft Christi erwarteten zu ihren Lebzeiten. Auch diese Erwartung wurde durchkreuzt, es kam ganz anders. Auf ungeahnte Weise und ganz anders hat seine Botschaft die Welt durchdrungen und verwandelt; anders, als man sich das damals vorstellte. Und immer geschieht es in der Geschichte durch Menschen, die den ersten Schritt tun im Vertrauen auf die Verheißung Gottes.
Sie brachen die Zelte hinter sich ab und taten den ersten Schritt auf dem Weg in das gelobte, neue Land, das noch keiner gesehen hat.
Gott ist immer nur auf diesem Weg gegenwärtig, da, wo wir den ersten Schritt tun. Er kommt ganz anders, auf eine Art und Weise, die wir noch nie vorher gekannt hatten. Es ist darum unwahrscheinlich, dass Gott wieder aus einem brennenden Dornbusch spricht. Aber das Wort "Engel" - die Engel kommen ja vor in diesem brennenden Dornbusch - das; Wort "Engel" heißt ja "Bote". Und die Botschaft Gottes, die kann auch durch Menschen zu uns kommen. Jeder hat die Erfahrung gemacht, dass, wenn wir uns in der Depression der Einsamkeit befinden, dass die Gegenwart von Menschen uns da herausreißen kann auch ohne, dass sich die sächlichen Zustände ändern. Es erscheint in einem neuen Licht und wird neu. Ein Mensch, der von außen in deine Einsamkeit dringt, der kann dich ermutigen, aufzubrechen in das neue, gelobte Land. Menschen sind Boten Gottes.
Gott hat sich aber auch ganz andere Boten erwählt. Auch dein Gewissen kann ein Bote Gottes sein. Oder das, was die Psychologie das "Unbewusste" nennt in dir. Im Gebet können dir die Flammen des Geistes entgegenschlagen. Das gleiche Feuer, von dem im Dornbusch die Rede ist. Das Feuer, das reinigt und nicht verzehrt. Alles Wissen kann dir zur Botschaft werden. Auch die Wissenschaft, wie Physik z.B., kann dir zur Offenbarung und zur Botschaft werden, und dich zum Aufbruch bringen in das neue Land, das Gott uns in Christus verheißen hat.
Nicht umsonst ist im Neuen Testament die Parallele gezogen worden zwischen Mose und Jesus. Unser Herr Jesus Christus ist Einer, der ohne Sicherheit, nur dem Geist und der Liebe Gottes vertrauend, aufgebrochen ist. Der die Welt bewegt und unsere Herzen erschüttert hat. Und der noch viel tiefer erlebt hat, was auch Mose erfahren musste; dass er am Kreuz in Leid und Qual nicht weit sehen konnte. Dass er erlebte, wie die ihn verrieten, die er liebte, die er in’s gelobte Land bringen wollte.
Er ist doch auf diesem Wege geblieben und hat auf Gottes Wort und Gottes Liebe ganz und gar vertraut.
Er wurde auferweckt und ist auferstanden, und hat den Weg gebahnt in das gelobte Land.
Dieser Herr ist bei uns in Wort und Sakrament. Und das müssen wir aus der Mosegeschichte lernen; Wort und Sakrament - die Botschaft des Geistes und der Liebe - ist eben nicht ein Sakrament, das wir hier besitzen und das wir verwalten, und auf dessen Wahrheit wir als Besitzer beharren könnten. Sondern es ist etwas für unterwegs.
Es ist etwas zum Aufbruch. Es ist nicht zum bleiben, sondern zum Unterwegssein zu Seinem Reich.
Und der längste Weg zu Ihm, zu Seinem Reich, beginnt mit dem ersten Schritt auf Sein Wort hin, ohne jede Sicherung. AMEN!
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu - AMEM!