Predigt vom 24.05.1987 - Pastor Schnabel - Sonntag Rogate - Lukas 11, 5 - 13
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen - AMEN!
Der Predigttext steht bei Lukas im 11. Kapitel: "Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und sprach zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann; und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf. Und ich sage euch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet der empfängt, und wer anklopft, dem wird aufgetan. Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn er ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch bietet oder ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!"
Gott segne an uns dieses Wort!
Liebe Gemeinde! Was Jesus da erzählt von diesem unwilligen, geizigen, verschlafenen Nachbarn, das ist eine Karikatur von der kleinen, kümmerlichen Gottesvorstellung Israels. Diese Gottesvorstellung ist einfach zu eng. Trotzdem knüpft Jesus daran an und sagt: Nehmen wir mal an, Gott wäre so, wie dieser unwillige Nachbar, selbst dieser unwillige Nachbar macht dann schließlich doch auf, weil ihm der Freund auf die Nerven geht. Wie viel größer aber ist Gott, wie viel mehr wird er helfen!
Mir hat mal ein Mann gesagt, er würde jetzt eigentlich auch gern mal zum Gottesdienst gehen, aber er sei ja all die Jahre nicht gegangen. Und das sagte er so, als würde Gott wie ein beleidigter, eingeschnappter, griesgrämiger Mensch reagieren der dann los keift und sagt: Ach, all die Jahre war ich dir nichts wert, aber jetzt kommst du, wo du mich brauchst! Wie kümmerlich, und leider wie verbreitet ist diese enge Gottesvorstellung.
Man höre doch nur mal die Geschichte vom verlorenen Sohn, wie der Vater, der zu Tränen gerührt den verlorenen Sohn in die Arme nimmt, weil er ihn liebt und weil er sich freut, dass er heimgekehrt ist.
Natürlich weiß dieser Vater, dass der verlorene Sohn das Erbe durchgebracht hat, dass er in der Gosse gelandet ist. Aber er liebt ihn, und seine Liebe ist größer als seine Gerechtigkeit.
Keine Vorwürfe, sondern liebevolle Umarmung erwartet den heimgekehrten Sohn. Und der Vater feiert ein Fest zur Heimkehr, und er schenkt dem Sohn einen neuen Siegelring zum Zeichen; der verlorene Sohn ist trotzdem mein geliebter Sohn und mein geliebtes Kind.
Mit solchen Geschichten will Jesus uns wachrütteln, will er uns an’s Herz gehen und sagen: Gott ist viel größer als eure engen Vorstellungen, als unsere Konfessionen und unsere Kirchen. Gott ist auch größer als das Christentum. Denn wir Christen selbst haben ja erst nur einen kleinen Teil verstanden von dem, was mit Jesus in die Welt gekommen ist.
Jeder Mensch kann suchen und finden und anklopfen. Und Gott lässt sich finden! Er lässt sich anbeten und öffnet seine Tore für alle Menschen. Nur, du musst Gott eben suchen, ihn bitten und bei ihm anklopfen!
Mir hat mal ein Mensch etwas spöttisch gesagt: Gott hat sich bei mir noch nicht vorgestellt! Und ich habe ihm gesagt, dass sich Gott bei ihm auch nicht vorstellen wird, solange er in dieser Haltung, mit verschränkten Armen, darauf wartet. Ich kam mit diesem Menschen übrigens dann doch noch ins Gespräch, und es stellte sich raus, dass der Mensch eigentlich gar nicht Gott meinte, sondern nur dem Pastor mal eine reinhauen wollte.
Wer Gott nicht sucht, der findet ihn nicht. Wer darauf wartet, dass sich Gott vorstellt, und ihm ein Angebot macht um mit ihm zu handeln, der wird ihn nicht finden; denn Gott ist größer.
Und wer Gott nicht bittet mir leeren Händen, der empfängt auch nichts.
Unsere Gottesvorstellungen sind zu klein und zu eng. Weil wir selbst kleinherzig und knauserig sind, sind unsere Gottesvorstellungen ebenso. Daraus kommt dann der Kleinglaube, der Gott nichts zutraut. Und darum trauen wir dann am Ende uns selbst auch nur noch Dinge zu, die in diesem kleinen Kästchen geschehen. Und daraus will uns ja Jesus gerade befreien; aus diesem Gefängnis.
Ich will es nochmal im Gleichnis sagen: Nach dem Krieg, als ich ein Kind war, hatten wir so große Einkaufstaschen. Es gab wenig zu essen und wenig zu kaufen. Wir trugen immer Taschen bei uns, für den Fall, dass es mal irgendwo was gab. Da gab’s Kartoffeln oder Rüben oder Heringen oder Fett oder Haferflocken. Wir kauften alles, nur damit wir überhaupt was zu essen hatten. Man nahm alles mit.
Ich kann mich entsinnen, im Nebenhaus wohnte die alte Henn, die lehnte immer zum Fenster raus, und die ließ keinen ohne Kommentar vorbeigehen. Wenn jemand vorbei kam, dann sagte sie dies oder das. Und eines Tages ging ich vorüber mit meiner großen Tasche, und da sagte die alte Henn: "Na, wo willst du denn mit der großen Tasche hin? Es gibt doch sowieso nichts zu kaufen!" Aber an diesem Tag hatte ich Glück, da ergatterte ich acht Pfund Heringsrogen, das sind die Eier von den Hering die dann abgelaicht werden. Das kann man braten, und wenn man Hunger hat, schmeckt das gut. Von diesen acht Pfund Heringsrogen haben wir dann drei Tage gelebt.
Da hatte sich die große Tasche gelohnt.
Als ich zurückkam mit meiner vollen Tasche, hing die alte Henn immer noch am Fenster und sagte: :"He, was hast du denn in der Tasche drin?" Nu, sagte ich, acht Pfund Heringsrogen! Was! Wo gibt’s denn das? Ja, sagte ich, in der 32, aber es ist nichts mehr da.
Diese alte Henn, die hatte eins richtig erkannt und es benannt. Sie hatte nämlich erkannt; wer mit so einer großen Tasche loszieht, der hat Hoffnung, der hält für möglich, dass es doch mal was Großes gibt. Und wenn es dann was gibt, und du hast die große Tasche dabei, dann kannst du sie aufhalten und dann kannst du viel mit nach Hause tragen. Wenn du natürlich keine Hoffnung hast, und nur so ein kleines Täschchen mithast, da passt nichts rein; da kannst du nichts nach Hause tragen.
Also, gehst du mit der kleinen Tasche los, dann hast du schon resigniert. Und wenn es dann was gibt, kannst du’s nicht fassen.
Ihr Lieben, das ist ein Gleichnis. Genauso ist das mit dem großen Glauben und mit dem kleinen Glauben.
Wer sich Gott als Knauser vorstellt, der nicht gern gibt, und wenn er gibt, dann nur kärglich, der geht nur mit der kleinen Tasche los.
Und es ist vielleicht auch so, dass er sagt: Na ja, für mich reicht’s, ich bin ja sowieso nichts wert. Das ist aber nicht das, was Jesus uns predigt. Wer sich Gott so kleinlich vorstellt, der soll nur auf Jesus hören. Und darum ist es so wichtig, die Bibel zu lesen.
Jesus macht Wasser zu Wein, bei der Hochzeit zu Kanaan; da war reichlich da. Jesus speist 5000 Menschen. Jesus heilt 10 Menschen, ohne nach der Rentabilität zu fragen.
Nur einer kehrt um und wird bekehrt.
Gut, Jesus tut es weiter. Er gibt, er segnet, er heilt kraftvoll und reichlich.
Und einmal sagt Jesus zu einem Menschen: "Dir geschehe, so wie du geglaubt hast!" Und dieses Wort hat es in sich. "Wie du geglaubt hast".
Hast du einen kleinen Glauben, bist du ein kleingläubiger Mensch, dann kannst du nur wenig empfangen.Auch wenn mehr da ist, kannst du es nicht fassen.
Hast du einen großen Glauben, dann kannst du viel empfangen.
Da gibt es in der Bibel die Geschichte von dem Hauptmann von Kapernaum. Er ist ein Römer; ein Nichtjude. Er hat einen kranken Diener, den er gern hat. Und er lässt zu Jesus schicken weil er weiß; ein vornehmer Jude geht nicht zu einem Heiden unter’s Dach. Und er sagt: Bitte hilf mir, mein Diener ist krank! Und da sagt Jesus: Ja, soll ich zu dir kommen? Und da sagt der. Hauptmann: Nein, sprich nur ein Wort, so wird mein Diener gesund. Sprich nur ein Wort, ich weiß, ich glaube ganz fest, nur ein Wort von dir reicht! Und Jesus spricht dieses Wort, und der Diener wird gesund, und anschließend sagt Jesus: "Guckt euch diesen Hauptmann an, so großen Glauben habe ich in ganz Israel nicht gefunden".
Der Hauptmann, der hatte einen Glauben, so groß wie diese Tasche, der konnte das fassen. Das ist ein Beispiel für einen großen Glauben.
Und ausgerechnet Petrus, dem Jesus dann die Leitung der Kirche anvertraut hat, der hatte in den Anfängen nur kleinen Glauben bewiesen.
Einmal, als Jesus in die Berge ging und in Ruhe beten wollte, sagte er zu seinen Jüngern: Nehmt das Boot und fahrt schon vor, ich komme nach! Die Jünger haben nicht geantwortet und haben sich gesagt: Na ja, wie er das nun machen will ist seine Sache, der Herr weiß es schon. Und als sie auf der Mitte des See’s waren - ihr kennt die Geschichte - kommt Jesus auf dem Wasser ihnen entgegen. Die Jünger reagieren so, wie wir Menschen auch, sie sehen ihn und denken; Es ist ein Gespenst! Und Petrus sitzt im Boot und sagt: Herr, du gehst ja auf dem Wasser! Tja, sagt Jesus, das tu ich. Und Petrus sagt: Das möchte ich auch können! Da sagt Jesus: Das kannst du auch, steig aus dem Boot und komm! Petrus geht, geht auf dem Wasser, solange er auf Christus schaut geht er auf dem Wasser! Und dann plötzlich schaut er zur Seite, und da sieht es die großen Wellen kommen, und da kriegt er es mit der Angst zu tun, da ist sein Glaube dahin - und prompt versinkt er und ruft: Herr, ich versinke! Und Jesus ergreift ihn, hält ihn und sagt: "Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?" "Du Kleingläubiger!"
Merkt ihr, diese Geschichte ist nicht eine Geschichte, die uns eine Lektion über Wasserski erteilen soll, sondern es ist eine Geschichte vom Glauben. "Du Kleingläubiger!" So lange er auf Christus schaut, ist ihm das Unmögliche möglich.
Wir leben oft in selbstgemachter, geistlicher Armut. Und wir gehen allzu oft mit den zu kleinen Taschen in den neuen Tag und wundern uns dann abends, wenn wir uns überhaupt noch wundern, dass da so wenig drin ist.
Und dabei ist das Leben voll Reichtum. Und wir nehmen gar nicht alles wahr.
Und dabei glauben wir doch an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erden!
Wir sehen doch jetzt da draußen den Überfluss und den Reichtum seiner Schöpfung. Wie reichlich der Samen ausgestreut wird. Wie reichlich es jetzt im Frühling blüht, ein Überfluss ist da zu sehen!
Auch das ist ein Gleichnis für Gott. Er hat mit dem griesgrämigen Nachbarn wenig gemein,
Wieviel mehr wird der Vater im Himmel denen an geistigen Gaben geben, die ihn bitten!
Der Glaube, mit dem wir jeden Tag neu ausziehen ins Leben, der kann gar nicht groß genug sein. Nehmt im Zweifelsfall immer die große Tasche des Glaubens mit, dann könnt ihr mehr empfangen.
Nur mit einem großen Glauben kann man Großes empfangen!
Das Große, das dann über uns kommt, das mag anders sein, als wir es erwarten, aber es wird uns jedenfalls zum Guten gereichen.
Vertraut darauf: kein Gebet verhallt ohne Wirkung. Jesus verspricht: Ihr werdet empfangen, wenn ihr bittet; ihr werdet finden, wenn ihr sucht; euch wird aufgetan, wenn ihr immer wieder anklopft.
Der große Glaube an den großen Gott, der macht uns groß und liebevoll und stark! AMEN!