Kinderpredigt vom 01.11.1987 - Pastor Schnabel - Predigttext Lied Nr. 239
Liebe Kinder!
Wir feiern heute das Reformationsfest. Das ist ein wichtiges Fest für unsere Kirche. Eine Kirche ruht auf zwei Dingen. Wenn die Kirche diese zwei Dinge nicht mehr hat, dann ist sie keine Kirche mehr. Eine Kirche kann viele verschiedene Dinge tun. Aber sie muss diese zwei Dinge haben: Das Wort und die Sakramente. Die sind wie zwei große, feste Säulen, auf denen die Kirche ruht.
Die eine Säule ist die Bibel; Gottes Wort. Wenn die Kirche die Bibel nicht mehr liest, und nicht mehr darauf hört, was hier drin überliefert ist, dann kippt die Kirche um.
Die andere Säule der Kirche, das sind die Sakramente. Ein Sakrament ist eine heilige Handlung, von Jesus Christus eingesetzt.
Mit einem Sakrament habt ihr Kinder schon zu tun gehabt, ihr werdet euch nur nicht erinnern; das war eure Taufe. Für das Sakrament der Taufe steht dort dieser Taufstein. Und das andere Sakrament, das kann man darstellen durch den Kelch: Das heilige Abendmahl.
Also die eine Säule, auf der die Kirche ruht, ist Taufe und Abendmahl, da ist Christus geistig gegenwärtig. Die andere Säule ist Gottes Wort; die Bibel. Und wenn die Kirche sich von beiden entfernt, dann ist eine Reformation nötig.
Reformation heißt: Du! Kirche! Komm aber schnell wieder dahin, wo du hingehörst; zu Wort und Sakrament!
In beidem ist Gott gegenwärtig durch Jesus Christus.
Ihr werdet heute im Kindergottesdienst Reformation spielen mit einer kleinen Geschichte, die andeutet, wie das mit der Reformation damals war, als Martin Luther lebte.
Stellt euch vor, da ist ein Vater, der hat viele Kinder, die er von Herzen liebt. Eines Tages muss er verreisen. Er schreibt einen Brief und schreibt: Liebe Kinder! Ich komme wieder. Solange ich nicht da bin, sollt ihr gut zueinander sein, sollt euch herzlich lieb haben, einer soll sich um den anderen sorgen. Das schreibt er in den Brief und legt den Brief auf den Tisch und verreist.
Die Kinder sind gerade in der Schule. Die Erste, die nach Hause kommt, ist die große Schwester. Die Schwester heißt Ecclesia. Und diese große Schwester kommt nach Hause, sieht den Brief, macht ihn auf und da steht drin: Keiner von euch soll der Größte sein, sondern ihr sollt wie Brüder und Schwestern zusammenleben und gut zueinander sein. Und da sagt sich die Ecclesia: Ach, ich werde das, was der Vater hier geschrieben hat, einfach verstecken. Und wenn die Kinder nach Hause kommen, werde ich sagen: Der Vater hat gesagt, ich soll über euch bestimmen. Und so versteckt sie den liebevollen Brief von dem Vater heimlich in einer Schublade.
Und als die anderen Kinder aus der Schule kommen und sagen: Hallo, wo ist denn der Vater? Was gibt es denn heute Mittag zu essen? Da sagt die Ecclesia: Der Vater? Das kann ich euch sagen, der ist verreist. Und er hat gesagt, ich soll die Größte sein und ich soll über euch bestimmen. Da sagen die Kinder: Merkwürdig, so kennen wir den Vater eigentlich gar nicht. Und als sich einige zusammenstellen und beraten und sagen: Nee, das können wir aber gar nicht glauben, da sagt die Ecclesia: Still da hinten, ihr sollt jetzt tun, was ich sage! Und sie fängt an zu bestimmen, und sie müssen tun, was die Ecclesia sagt.
Unter diesen Geschwistern ist ein kleiner Bruder. Dieser kleine Bruder, der fragt die große Schwester: Ecclesia, hat denn der Vater nicht vielleicht einen Brief hinterlassen? Nein, sagt sie, ihr sollt auch nicht so viel fragen, ich sage euch schon, was ihr tun sollt! Der kleine Bruder kann es sich aber nicht vorstellen.
Er denkt: Da stimmt doch was nicht! Unterdessen lernt der kleine Bruder Lesen und Schreiben. Und einmal, als die Ecclesia nicht aufpasst, denkt er: Ich muss mal nachgucken, ob irgendwo in dem Haus vielleicht doch noch ein Brief von dem guten Vater da ist. Und er sucht und findet plötzlich den Brief, macht ihn auf, und weil er ja nun lesen kann, liest er: Liebe Kinder! Ich komme bald wieder, bis dahin sollt ihr lieb zueinander sein und keiner soll den anderen beherrschen, sondern Güte und Barmherzigkeit sollen sein, woran man euch erkennt.
So eine Gemeinheit, denkt der kleine Bruder, das werde ich den anderen sagen! Und er steckt diesen Brief ein. Und als die anderen Geschwister nach Hause kommen, sagt er: Guckt mal, was ich gefunden habe! Der Vater hat gar nicht gesagt, dass die große Ecclesia über uns herrschen soll! Der Vater hat gesagt, dass wir gut zueinander sein sollen! Und so tun sie sich zusammen. Und als die Ecclesia plötzlich wieder aufpasst, sagt sie: Was habt ihr da für einen Brief, zeigt mal her! Da sagt der kleine Bruder: Nein! Hier steht, was Gott von uns will, hier steht, was der Vater von uns will. Wir sollen gut zueinander sein. Und er hat uns lieb, nicht dadurch, dass wir viel schaffen, sondern weil wir seine Kinder sind. Da fängt die Ecclesia erst an zu drohen und sie sagt: Gib jetzt den Zettel sofort her! Da sagt der kleine Bruder: Nein, ich habe ihn schon hundert Mal abgeschrieben und ich hab ihn ihn überall verteilt, du kannst ihn nicht mehr wieder zurück holen.
So ähnlich ist Reformation. Die Kirche hatte sich von Wort und Sakrament entfernt. Da gab es Leute in der Kirche, die haben gesagt: Kommt, ihr braucht das gar nicht zu lesen, das versteht ihr sowieso nicht. Und der kleine Bruder, so war Martin Luther; Bruder Martinus. Der hat tüchtig gelernt und hat’s nachgelesen und ist davon gerettet worden. Sein Glaube hat andere auch angesteckt, und er war froh, die Botschaft zu verbreiten.
Und zur gleichen Zeit wurde die Buchdruckerkunst erfunden. Es wurden viele Bibeln gedruckt.
Jeder Konfirmand in dieser Gemeinde hat eine Bibel.
Luther hat sich dafür eingesetzt, dass eine Schulpflicht eingeführt wird und dass alle lesen und schreiben lernen.
Dass sie nachlesen können, was Gott von uns will, das ist Reformation.
Reformation ist nicht zu Ende, die ist immer wieder nötig, weil wir Menschen immer in Gefahr leben, von Wort und Sakrament uns zu entfernen und Dinge zu treiben, die Gott gar nicht von uns will.