Predigt 596 zum Kirchweihfest

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Predigt vom 29.11.1987 - Pastor Schnabel - Kirchweihfest - Mk. 4, 30-32

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!

Liebe Gemeinde!

Wir haben’s im Evangelium gehört: Im Reich Gottes herrscht der König mit Liebe. Er appelliert an unsere Herzen und Sinne mit seinem Wort. Und sein Reich wird nicht herbeigezaubert, es ist nicht plötzlich da, sondern es wächst durch alle menschliche Schwachheit und Bosheit hindurch. Der Same seines Wortes geht auf.

Es ist für uns kaum zu glauben, aber Jesus glaubt selbst fest daran, dass es gut werden kann mit uns. Er hat so fest daran geglaubt, dass es gut werden kann mit uns, Ei sogar bereit war, dafür zu sterben. Darum glauben wir ihm, nicht uns selbst.

Es hat sich bereits bewahrheitet, was Jesus damals am Anfang zu einer Handvoll Leuten sagte; das Reich Gottes ist wie ein kleines Samenkorn. Klein und unscheinbar fällt es auf fruchtbaren Boden, und dort wächst es und wird zu einem Baum, der aber nicht zum Selbstzweck da ist, sondern der seine wunderbare Erfüllung darin findet, dass er Schatten bietet den vielfältigen, bunten Vögeln unter dem Himmel.

Das ist ein Gleichnis unseres Herrn, voll Dynamik und voll Kraft.

Die Eichen da draußen, die sind ohne unser Zutun gewachsen. Und nun stehen sie da. Im Sommer brüten dort bunte Vögel. Dort nisten Elstern, Kleiber und Eichelhäher. Da klopfen im Sommer die Spechte und die Meisen fliegen herum. Tauben lassen sich nieder in der flimmernden Sommerhitze. Da wachsen am Boden im Schatten der Zweige Pilze. Igel wohnen dort im Laub und halten jetzt gerade, wohlgenährt, ihren Winterschlaf. Und im Schutz dieser Bäume wachsen Büsche. Und im Schutz dieser Büsche treffen sich manchmal Jugendliche, die ein paar Büchsen Bier oder Limonade trinken und die lassen sie leer dort liegen. Und dort liegen sie, bis der Pastor sie aufhebt und in die Mülltonne schmeißt.

All das passiert unter solchen Bäumen. Das Reich Gottes ist wie ein Samenkorn. Wo es auf fruchtbaren Boden fällt, wird ein Baum draus, und in dessen Schatten wird das Leben gut.

Wir feiern heute den 1. Advent. Wir sehen es schon an den violetten Antependien; das ist die Farbe der Vorbereitung. Wir feiern die Ankunft Christi in der Menschheit, und die Adventszeit ist zur Vorbereitung da. Das ist so, wie wenn der Boden gelockert wird, ehe das Samenkorn hinein gestreut wird.

In dem Gleichnis, das wir gehört haben, ist Christus der Sämann und sein Wort ist der Same. Und der Same seines Wortes fällt in unsere Herzen und Sinne und erfasst uns und wächst unter uns wie ein Baum. Jesus stellt das Reich Gottes verlockend dar; als ein Baum, in dem bunte Vögel nisten. Da ist Leben und Freiheit.

Im Schatten dieses Baumes sammelt sich die Vielfalt menschlichen Lebens; so ist das Reich Gottes.

Das Reich Gottes begann mit einem kleinen Kind im Stall von Bethlehem. Und durch große Gefahr und durch die Stürme der Geschichte hindurch, durch Verfolgung, ist dieser Same aufgegangen und zu einem Baum geworden, dessen Zweige inzwischen selbst bis nach Deutsch Evern reichen.

Das Wort Gottes wird Seitdem weiter gesät.

Es fällt auf fruchtbaren Boden, oder auf harten Boden. Hier geht es gleich auf und dort muss es warten, dass ein Regen fällt, der den Samen befeuchtet.

In diesem Gottesdienst hier wird wieder der Same des Wortes ausgestreut. Ich kenne dein Herz nicht, aber vielleicht ist es heute gerade empfänglich für das Wort Gottes.

Damit Gottes Wort wie ein Samenkorn in den guten Boden deines Herzens eindringen kann, müssen manchmal auch falsche Vorstellungen ausgeräumt werden.

Da ist einmal die verbreitete falsche Ansicht im Wege, als müsse ein Mensch, wenn er Christus folgen will, sein Leben total verkirchlichen. Aber gerade das ist ein Irrtum. Gerade das hat Jesus nicht vor mit uns.

Eine total verkirchlichte Welt wäre schrecklich. Die wäre so schlimm, wie ein totaler Staat oder eine total verkabelte Welt.

Jesus hat gesagt, die Kirche soll Salz der Erde sein. Sie soll aber die Welt nicht versalzen. Und eine total verkirchlichte Welt wäre wie eine versalzene Suppe. Nein, von Salz müssen überall ein paar Körnchen hingestreut werden, damit der Geschmack herauskommt, den Gott seiner Schöpfung mitgegeben hat.

Das Reich Gottes ist kein religiöser Totalstaat, sondern, nach dem Wort Jesu, wie wir es heute hören, ist es vergleichbar mit einem Baum, in dem die vielfältigen Vögel des Himmels im freien Flug ankommen und Schatten und Heimat finden.

Neulich gab mir jemand ein anderes Vorurteil zu verstehen, das er vom Reich Gottes hatte. Er stellte sich das Reich Gottes vor, wie ein himmlisches Dasein, eben ein kampfloser Zustand, in dem nur Friede, Freude und Eierkuchen herrschen. Und um das zu unterstreichen, legte er schmunzelnd eine Schallplatte auf und spielte mir die Erzählung von dem Münchner im Himmel vor. In dieser Karikatur von einem Himmel muss der arme Mensch die Hälfte des Tages frohlocken und die andere Hälfte des Tages das Halleluja singen. Und darum langweilt er sich so furchtbar, dass er sich zu seinem Stammtisch sehnt, der im Hofbräuhaus zu München steht.

Auch so ein Himmel ist das Reich Gottes nicht. Wenn schon, dann würde das Reich Gottes wohl noch eher am Stammtisch wachsen.

Wo der Same des Reiches Gottes unter uns aufgeht, da fängt das wirkliche Leben eigentlich erst an. Da fallen die Krusten ab und dann wird dort geliebt und gestritten, vergeben und gefeiert, getröstet, gearbeitet, geweint und gelacht, da ist keineswegs schon alles in Ordnung. Aber das Leben geschieht dort auf eine ganz neue Art; im Lichte der Wahrheit Jesu Christi. Denn nur wenn wir erfahren, dass Gott uns grundlos liebt, können wir unsere Sünden zugeben.

Unter dem Baum des Reiches Gottes muss kein Mensch mehr sein Dasein krampfhaft rechtfertigen, und muss keiner dem anderen beweisen, dass er größer oder gar der Größte ist. Das Leben bleibt auch im Reich Gottes auf Erden Arbeit und Bewährung, Freude und Trost; auch da, wo das Reich Gottes nun angebrochen ist. Aber das Leben ist nun wesentlich geworden. Wir kommen zur Sache, denn wir begreifen in Christus den großen Zusammenhang, in dem unser Leben steht. Aus einer harten, verkrusteten, ängstlichen, absichernden Existenzform, kommen wir in ein lebendiges Leben hinein; nicht umsonst stellt es Christus dar,als einen Baum mit lebendigen Vögeln.

Wir erfahren in Christus das Licht der Wahrheit. Und in diesem Licht werden unsere Fassaden schmerzhaft vernichtet. Aber wir selbst werden dabei befreit zu einem neuen, wesentlichen Leben.

Unsere Kirche soll die Versammlung dieser befreiten Menschen sein. Christus hat sein Wort unter uns ausgesät. Es reift zur Ernte und wird dann zur neuen Saat. In einer Gemeinde soll es so sein, dass ein ständiges Säen und Reifen und Ernten unter uns in Gang ist. Das kann keiner allein. Ein Menschenherz für sich allein, ohne Gottes Wort, ist schon ein fruchtbarer Boden. Aber es wachsen auf die Dauer nur Dornen und Disteln, wenn kein guter Same drauf fällt.

Heute weiß ja jeder Landwirt, dass es wesentlich auf das Saatgut ankommt. Und wer die Diskussionen um die Gentechnik beim Saatgut verfolgt, der muss vermuten, Jesus hätte selbst diese Entwicklung in seinem Gleichnis vorweggenommen.

Die Kirche hat den Samen des Wortes Gottes auszusäen. Und ein Teil der Kirche sind wir hier. Wir, mit unseren Gotteserfahrungen, mit unseren Arbeits- und Leidenserfahrungen, mit unseren Lebenserfahrungen mit Christus.

Jeder Christ ist ja einmal in Berührung gekommen mit dem Wort Gottes. Jeder ist einem Menschen begegnet, der ihm Gottes Wort hin gesät hat durch Worte oder durch die Erscheinung seines Lebens. Das kann eine Großmutter sein, eine Tante, Eltern, Freunde, Nachbarn, Kollegen. Jemand, in dem etwas reifte von dem Wort Gottes und der es weitergab, bezeugte, und der dadurch auch in dir etwas bewirkte: dass es auf fruchtbaren Boden fiel.

Im Reich Gottes geht es mit rechten Dingen zu; es "wächst organisch. Es wird nicht gezaubert. Im Gottesdienst, in der Bibelstunde, in Gruppen und Kreisen, in der Familie, unter Freunden, da wird Gottes Wort gesät; direkt oder indirekt. Es geht auf, schafft neues Leben, wird reif und wird weiter gesät. Wir belehren und ermahnen einander, unsere Kinder im Kindergottesdienst, unsere Konfirmanden im Unterricht; es ist ein Weitersäen. Ob der Same allerdings dann aufgeht, das steht nicht in unserer Macht.

Wir wissen sehr genau, dass der Glaube nicht erblich ist. Jemand kann es bezeugen, er kann es leben, er kann mir seine Erfahrung mitteilen, aber es bleibt auch dann ein Samenkorn, bis es eingepflanzt wird in ein anderes Menschenleben.

Man sieht erst dann einem Samenkorn an, was in ihm steckt, wenn es eingepflanzt ist und wenn etwas daraus wächst.

Und ein Letztes noch: Ihr, die ihr etwas gereift seid, und die ihr etwas vom Glauben weiterzugeben habt; werdet nicht müde, weiter zu säen!

Und klagt nicht, wie manchmal die Bauern klagen, dass das Wetter und die Umstände und der schlechte Boden so hart wären, dass deshalb ja nichts wachsen könnte.

Sät weiter! Reiche und magere Ernten wechseln und unsere Zeit ist nicht ungünstiger als andere Zeiten. Freut euch dann auch an dem, was wächst, und sät und helft mit, dass in dieser Gemeinde der Same aufgeht, zu einem Baum wird und Schatten bietet und Heimat, auch für andere Teile des Lebens.

Zum Reich Gottes gehört die ganze Fülle des Lebens.

Wenn Jesus selbst das Reich Gottes mit einem Baum vergleicht, in dessen Schatten die Vögel wohnen, dann dürfen wir weder Vogelscheuchen aufstellen, noch dürfen wir selbst wie Vogelscheuchen sein.

Und wenn unsere neue Kirche von 1665 einmal hier unter den Eichen stehen wird und wir dann mehr Platz haben, als heute, dann soll unter diesem neuen Strohdach das Wort Gottes vor allem gesät werden. Aber es sollen auch unter diesem Dach die bunten Vögel Musik und Kunst, und die ganze Fülle menschlichen Geistes eine Heimat finden. Denn Christus selbst :gibt.’uns: den Mut, nicht ängstlich und geizig den Seist zu verwalten - das lässt sich der Geist ohnehin nicht gefallen, denn er weht dann woanders - sondern Jesus ermutigt uns mit seinem Gleichnis vom Baum und den Vögeln, dass wir liebevoll und großzügig weiter säen, was uns selbst ja geschenkt wurde.

Gott lasse in unseren Herzen und Sinnen sein Wort aufgehen wie ein Samenkorn, damit sein Reich komme und sein Wille geschehe an uns - AMEN!

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!