Predigt vom 13.12.1987 - Pastor Schnabel - 3. Advent - Matt. 3, 1-11
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!
Der Predigttext für diesen dritten Sonntag im Advent steht bei Matthäus im 3. Kapitel:
"Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste von Judäa und sprach Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Denn dieser ist’s, von dem der Prophet Jesaja gesprochen hat: "Es ist die Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg und macht eben seine Steige!" Er aber, Johannes, hatte ein Gewand aus Kamelhaaren an und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber waren Heuschrecken und wilder Honig. Da ging zu ihm hinaus die Stadt Jerusalem und ganz Judäa und alle Länder am Jordan, und ließen sich taufen von ihm im Jordan und bekannten ihre Sünden.
Als er nun viele Pharisäer und Sadduzäer zu seiner Taufe kommen sah, sprach er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße! Denkt nur nicht, dass ihr bei euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum: jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; aber der nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen; der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen."
Gott segne an uns dieses Wort!
Liebe Gemeinde!
Das waren damals geistlich schlaffe Zeiten, als Johannes der Täufer auftrat. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Und dieser grobe Keil war Johannes, ein Bußprediger, der unbestechlich mit der ganzen Härte des Gesetzes den Menschen ins Gewissen redete.
Er stellte ihnen vor Augen; der Geist Gottes ist nicht in euch! Böse und trüge seid ihr! Wie Peitschenhiebe trafen diese Worte des Rufers in der Wüste. Und keiner konnte seine Worte entkräften mit dem Hinweis: Und du, Johannes? An diesem Mann ist nichts vertraut Menschliches. Er lebt in der Einöde, mager und karg und ist nur die Stimme Gottes, und sonst nichts. Fanatisch, würden wir’s nennen. Aber er hat recht. Und das hat damals für Aufregung gesorgt; die Gemüter erregt. Aus dem ganzen jüdischen Land kamen die Menschen, um diesen Johannes zu hören; und sie lassen sich von seiner Predigt erschüttern.
Ja, er hat recht, sagen sie. Fast hat man den Eindruck, die Menschen lassen sich mit einer gewissen Lust erschüttern.
Einige, die sonst mit guten Taten angeben, die sind jetzt plötzlich die größten Büßer und geben mit ihrer Schlechtigkeit an. Sie springen bereitwillig in das Wasser des Jordan, lassen sich von Johannes mit dem Wasser seiner Taufe reinigen. Aber Johannes durchschaut sie sofort und sagt: Ändert euren Sinn, bessert euch! Gute Taten müssen guten Vorsätzen folgen! Macht keine Show aus der Buße! Gott sieht alles, er wird euch strafen!
Johannes' Predigt löst eine Erregung unter den Menschen aus. Das ist wie eine Massenbewegung. Einige erkennen die Sünde. Johannes erschüttert die Menschen. Er demütigt ihren leeren Hochmut. Aber - es ist ein Strohfeuer. Was kommt nach der Erschütterung?
Das Gesetz hat nicht die Kraft, die Sünde zu überwinden.
Es ist alles richtig, was Johannes sagt. Aber was soll denn ein Mensch tun, wenn er die Gemeinheit und Schlechtigkeit in seinem Herzen erkannt hat? Woher soll die Kraft zur Änderung kommen?
Ich habe in Erinnerung, dass es Lehrer gab, die uns immer sagten, wie faul und dumm wir waren; aber die uns nicht die Kraft und nicht den Mut gaben, da nun raus zu kommen. Und Johannes ist so ähnlich wie so ein Lehrer,er stellt genau, minutiös fest, wie es um sie bestellt ist. Und die meisten gehen auch mit den guten Vorsätzen nach Hause; Ja, ich muss mich wirklich ändern! Aber dann kommen sie nach Hause, und sie wissen nicht wie; es fehlt ihnen die Kraft.
Ich vermute, dass damals Einige verzweifelten. Aber die meisten griffen wahrscheinlich nach ein paar hilflosen Versuchen auf die alt bewährte, schlappe, mogelnde Lebensart zurück, um zu überleben. Denn in der ständigen Erkenntnis der eigenen Sünde kann keiner lange leben; das hält man gar nicht durch.
Theodor Fontane hat ein schönes Wort geprägt, das mich zeitlebens begleitet hat: "Wohl Keime wecken mag der Regen, der in die Scholle nieder bricht; doch golden Korn und Erntesegen, reift nur heran bei Sonnenlicht."
Johannes weckt mit seiner Predigt gute Vorsätze in den Menschen. Die sind wie Keime. Der Regen, der in die Scholle nieder bricht, das sind die Tränen unserer Buße. Es entstehen die guten Vorsätze, aber mehr nicht.
Einige mögen nach ihrer Wassertaufe später zu Johannes zurückgekehrt sein und ihm gesagt haben: Wir haben keine Kraft zum Guten! Johannes, jetzt sag uns, wie wir’s machen sollen!
Und dieser Johannes ist klug genug - und darin unterscheidet er sich von vielen Gesetzespredigern - er weiß genau, wie unzureichend die Wirkung ist, die von dieser Massenbewegung der Buße ausgeht, die er da entfesselt hat. Es fehlt einfach noch die Kraft von innen. Und Johannes sagt es klar: Von mir bekommt ihr die Kraft nicht!
Johannes der Täufer, von Matthias Grünewald mit dem langen Zeigefinger gemalt, er verweist immer auf Jesus: Es kommt Einer, der euch die Kraft gibt, er ist größer und stärker als ich. Ich bin nicht würdig, ihm die Schuhe nachzutragen. Ich kann euch nur mit Wasser taufen; tut Buße! Aber Er wird euch mit dem Geist erfüllen, dass ihr die Kraft habt, diese guten Vorsätze durchzuführen.
Ohne Jesus wäre die Predigt des Johannes ohne Wirkung verhallt. Aber auf dem Hintergrund seiner Gesetzespredigten leuchtet Christus nun um so klarer hervor.
Jesus Christus predigt nämlich anders als Johannes. Er weckt die Liebe in uns. Er sucht das Verlorene. Er geht zu den Unwürdigen.
Vater Bodelschwingh aus Bethel, von dem ich vorhin sprach, der hat einmal sehr klug gesagt: Man muss den Leuten gar nicht ihre Sünde noch kräftig unter die Nase reiben, sie wissen eigentlich schon selbst, dass sie Sünder sind und warten auf Erlösung.
Christus baut uns auf. Er erinnert uns daran, dass wir Kinder Gottes sind; dass sich Seine Liebe im täglichen Leben erweist.
Wir Menschen werden von innen belebt und gestärkt durch das, was Christus uns zutraut, wenn er uns Schwestern und Brüder und Kinder Gottes nennt.
Ja, wir sind Sünder, das verschweigt Jesus in keinem Fall. Aber wir werden geliebt. So, wie der Vater, der den verlorenen Sohn in die Arme schließt. Er weiß: Ja, er ist ein Sünder, er ist selbstherrlich falsche Wege gegangen; aber er liebt ihn und weint Freudentränen.
Das ist eben nicht diese Erregung, diese Massenbewegung, die die Bußpredigt auslöst. Sondern was Christi Liebe in uns bewirkt, das erweist sich im bürgerlichen Leben, in der Zivilcourage, in der Geduld, in der Liebe zu deinem Nächsten. Die guten Vorsätze sollen sein,; aber nicht wie ein Gesetz, das uns entmutigt und das uns täglich sagt: Du bist klein und du bleibst klein und du schaffst es nicht! Sondern die guten Vorsätze, die sind durch Jesus in uns angeregt wie ein Spalier, wie das Spalier für einen Obstbaum; daran sollen wir emporwachsen.
Christus führt uns die menschliche Güte vor Augen, die erreichbar ist dem, der ihm glaubt.
Johannes predigt das harte Gesetz und beschreibt den alten Zustand. Jesus aber predigt die Liebe Gottes und gibt uns die Kraft zum neuen Leben. Und nur wo beides in uns nachklingt, begreifen wir Gottes gute Botschaft in unseren Herzen.
Die Erregung, die nur aus der Gesetzespredigt kommt, die ist wie ein Strohfeuer, ein Moralismus, der nur schlechtes Gewissen macht. Eine Mode, die die Massen erregt, die zu Kreuzzügen aller Art führen kann, zu kurzen Erweckungen, zur Sektenbildung. Wo plötzlich viele Menschen zu So einem Punkt hindrängen und sich plötzlich im Hauruckverfahren aus eigener Kraft ändern wollen, da sollte man skeptisch sein; da ist selten das Werk des Friedens in Gang. Das endet nämlich meistens entweder in der alten Trägheit oder in einem neuen, frommen Hochmut, und beides führt nicht zu einer wirklichen Änderung, zu einem neuen Leben. Wenn ein Mensch aus einem geistig schlaffen Leben erwacht und überspringt in ein moralistisches, gesetzliches, fanatisch religiöses Leben, da ist das nur so, wie wenn er von einem Traum in einen anderen versinkt; von einem Extrem ins andere. Grundlegend neu wird dadurch nichts.
Nein, ihr Lieben, wo das Reich Gottes gebaut wird, da ist es anders. Da geht es leise zu, da werden Menschen im Geringen treu erfunden (Luk. 16, 10), da ist das liebevolle Wesen Jesu Christi geistig gegenwärtig und da wirkt es untereinander. Da werden vorhandene Beziehungen zu Menschen nicht abgebrochen, sondern da bekommen sie eine neue Qualität. Und da wird uns die Kraft zuteil, das Gute aneinander zu tun und miteinander zu wachsen.
Das Reich Gottes ist nicht eine neue Methode, die der alte Sünder anwendet, sondern es ist ein neuer geistiger Zusammenhang mit Christus in dem die alten Sünder ihr Leben neu begreifen.
Einer, der wirklich erweckt ist, der erwacht aus einem bösen Traum in ein neues Leben, wo sein Herz fest wird und die Kraft des Geistes von innen nach außen Früchte trägt.
Und das gebe Gott uns allen - AMEN!
Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!