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Predigt vom 06.03.1988 - Pastor Schnabel - 1. Petrus 1, 18-21

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!

Im 1, Brief des Petrus im 1. Kapitel in den Versen 18 bis 21 steht der Predigttext für diesen Sonntag Okuli. Da schreibt der Apostel:

Ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wur de, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen; die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt."

Gott segne an uns dieses Wort!

Nicht mit Silber oder Gold, sondern mit dem teuren Blut Jesu Christi sind wir erlöst von dem "nichtigen Wandel nach der Väter Weise". Nach der Väter Weise, das ist die Lebensart vor der Taufe; vor der Begegnung mit Christus. Und so redet der Apostel zu Christen, die vorher Heiden waren; die angekettet waren an Götzen und Dämonen; die ihren Glauben auf eine brüchige und hinfällige und selbstgemachte Gerechtigkeit gründen mussten. Ihr wisst doch, sagt der Apostel, erinnert euch doch mal! Und er rüttelt sie wach.

Nicht mit Silber oder Gold, das heißt: Hier hat nicht eine mit Geld bezahlbare Reform des Lebens stattgefunden, sondern mit dem teuren Blut Christi, als eines unbefleckten, unschuldigen Lammes, wurden wir erlöst und befreit zu einem neuen, gemeinsamen Leben. Blut ist ein besonderer Saft; Blut ist Lebenskraft. Und Christus hat mit dem Blut sozusagen seine Lebenskraft für uns vergossen.

Warum starb Christus für uns am Kreuz?

Die Christen aus verschiedenen Zeiten, aus verschiedenen Kulturkreisen haben mit Bildern und Gleichnissen darauf geantwortet, wie es ihnen zu Gebote stand, wie es ihnen ihre Sprache und Kultur ermöglichte. Sie haben darauf geantwortet mit dem Bekenntnis ihres Glaubens in den Denkformen, die ihnen gegeben waren. Die Judenchristen haben Jesus mit dem Passahlamm verglichen. Das waren Menschen, die eine lange Opfertradition hinter sich hatten, die bis in die Steinzeit zurückreichte, und die ähnlich war der, unserer Vorfahren. Zwischen dem weißen Hengst, der hier von unseren Vorfahren auf dem Hengstberg im Frühjahr geopfert wurde, und zwischen den Opfertieren im alten Israel bei Kain und Abel, oder den Ziegen, von denen Herr [Name] mal erzählt hat, aus Nepal, die da zu bestimmten Anlässen geopfert werden, da besteht kein großer Unterschied. Da muss Blut fließen, da ist ein Opfertier, das die Schuld der Menschen übernimmt und für die Menschen stellvertretend stirbt. Das Opferlamm, das die Sünde wegträgt durch seinen Tod. Der Mensch, der den Tod wegen seiner Schuld verdient hat, überträgt die Schuld auf das Tier. Der Priester legt die Hand des Schuldigen auf den Kopf des Opferlammes, die Schuld wird übertragen und das Tier stirbt, damit der Mensch leben kann. Ein Opferlamm, um die Schuld zu lösen; ein Lösegeld, um von den Banden zu befreien. Da tritt dann später ein anderes Bild auf, das Bild von den Sklaven, für die Christus das Lösegeld bezahlt hat, damit die Ketten aufgeschlossen werden, damit die Sklaven frei werden zu neuem Leben.

Die Bibel beschreibt unsere Erlösung mit vielen verschiedenen Bildern. Christus, das Blutopfer für den schuldigen Menschen, dass er neu wird; Christus, das Lösegeld für den Sklaven, dass er frei wird. Unsere Vorfahren, die Germanen, hatten ein anderes Bild, das wir gar nicht in der Bibel finden, das aber oft in alten Kirchen abgebildet ist. Die Germanen nahmen den Pelikan als Zeichen für Christus, den Heiland, der seine Jungen mit seinem Herzblut speist, sich hingibt, damit die Jungen leben können.

Es gibt auch das Bild von einem Vogel, der sich im Netz des Fallenstellers verstrickt hat und ängstlich zappelt. Und da kommt Jesus und zerreißt das Netz der Schuld und der Mensch ist frei, wie ein Vogel, der freigelassen wird; aus dem engen Netz kann er sich in die Lüfte erheben. "Strick ist entzwei, Vogel ist frei".

Da ist meine Seele dargestellt wie eine Lerche, die sich singend in die Luft erhebt; ein Bild der Erlösung.

Ich zähle diese Bilder auf, um zu zeigen, dass sie gar nicht absolut für sich ‚selbst stehen, sondern dass sie auf ein tiefes Geschehen unter uns und in der Menschheitsgeschichte verweisen. Ein tiefes Geschehen, das Jesus bewirkt hat und das Menschen zu allen Zeiten nur in ihrer Sprachform darstellen können. Da ist etwas, das Jesus bewirkt hat und das wir dann bildhaft darstellen.

Jesus ist das letzte Opfer. Das heißt: Er hat am Kreuz mit der Opferei endgültig Schluss gemacht. Er hat uns von der Opferei erlöst. Und ich möchte euch ermutigen, ruhig selbst Gleichnisse aus eurer Welt zu finden, mit denen ihr anderen von eurer Erlösung erzählen könnt. Wir werden allerdings auf die alten Bilder nicht verzichten können, denn sie sind einprägsam und treffend und gehen tief.

Natürlich trägt keiner von uns Ketten um Hals oder um Füße, wie ein Galeerensklave im alten Rom. Und doch sind wir die Sklaven unserer Sachzwänge und haben unsichtbare Ketten. Und unsichtbare Ketten tun genauso weh, wie sichtbare. Wir glauben natürlich - aufgeklärt - nicht mehr an Dämonen. Aber wenn du das Wort "Dämon" mal mit dem modernen Wort "Sachzwang" übersetzt, dann wird dir manches deutlich.

In ein Netz von Zwängen sind wir eingespannt, in eine Hackordnung, die zu Minderwertigkeitsgefühl oder Größenwahn führt. Das sind Ketten, die uns hindern, das neue, verheißene Leben der Liebe zu führen. Wir trauen uns ja oft gar nicht, wahrhaftig zu sein, und haben auf fatale Weise unsere Ketten manchmal sogar liebgewonnen. So, wie die Sklaven, die sich gar nicht gleich gern befreien lassen, weil sie den Wert der Freiheit noch nicht kennen. So, wie das Volk, das Christus sieht und "Kreuzige!" ruft. Zwei Tage vorher rief es "Hosianna!" Sie haben ihre Ketten liebgewonnen, so wie Israel, das aus der Sklaverei befreit wird und unterwegs in der Wüste murrt.

Christus ist der Mann ohne Ketten, der sich nicht erpressen lässt durch den Tod. Der rücksichtslos auf der Liebe besteht und sich kreuzigen lässt und den Gott auferweckt hat von den Toten, der ist für dich und für mich gestorben. Und im übertragenen Sinne könnten wir alle einander die Spuren zeigen, die die Ketten der Zwänge in unserem Leben hinterlassen haben.

Christen sind Freigelassene, sind Erlöste, die gemeinsam diesen Jesus als ihren Erlöser bezeugen und anderen aus ihren Ketten heraushelfen sollen. Wie es in dem Lied heißt: "...Er hilft aus aller Not, errett' von Sünd und Schanden, von Ketten und von Banden, und wenn’s auch wär der Tod." (283, 2)

Den eisernen Ketten unserer Zwänge, diesen harten, zerstörerischen Mächten dieser Welt, an denen wir selbst Schuld und Anteil haben, denen steht gegenüber Jesus Christus, und nun bezeichnenderweise verglichen mit einem Lamm. Wir hatten einmal zu Ostern so ein kleines Osterlämmchen hier, richtig lebend; ein kleines, zitterndes, zartes Wesen. "Christi, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt". So anfällig und so ohnmächtig sieht die Liebe in dieser Welt aus; wie so ein zitterndes Lamm.

"Christi, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser!" Es ist ja nicht zufällig, dass Christus zum Passahfest gekreuzigt wird. An dem Tag, als Israel die Befreiung aus der Sklaverei feiert mit dem Osterlamm, mit dem Passahlamm, da setzt Christus das Abendmahl ein. Da beginnt der Aufbruch in das gelobte Land, nach dem Fest. Und da beginnt zugleich auch der Aufbruch in das Reich "Gottes, in die-Freiheit, zu der wir erlöst sind durch Christus.

Es ist ein ungleiches Bild; hier das Opferlamm und da die Raubtiere. Und das Opferlamm scheint schwach, wie die Liebe in der Welt schwach erscheint. Es wird getötet und erlöst die Welt und siegt. Und wir haben das noch gar nicht begriffen und erkannt, was die Liebe für eine Macht sein kann. Sie haben Jesus getötet. Aber - wie Luther sagt - die Hölle wollte Jesus verschlingen, aber der Brocken war zu groß, sie konnten ihn nicht halten.

"Christi Leib, für dich gegeben; Christi Blut, für dich vergossen!"

Er hat sich für uns hingegeben, wir nehmen die Lebenskraft Seines Geistes und Seiner Liebe in uns auf in der Gestalt von Brot und Mein, damit wir Glauben und Hoffnung haben, erlöst von uns selbst und füreinander - AMEN!

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!