Predigt 630

Zurück Kinderpredigt 630

Predigt vom 21.08.1988 - Pastor Schnabel - Apostelgesch. 3, 1-10

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen - AMEN!

Der Predigttext für diesen Sonntag steht in der Apostelgeschichte im 3. Kapitel in den 1. zehn Versen:

"Petrus und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. Und es wurde ein Mann herbeigetragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang auf, konnte gehen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben. Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor der Schönen Tür des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war."

Gott segne an uns dieses Wort!

Ihr Lieben!

Kranke Leute durften damals nicht in den Tempel, weil die Krankheit im Altertum ein offensichtliches Zeichen dafür war, dass eine Schuld vorlag, die Gott mit der Krankheit bestrafte.

Wenn wir es recht bedenken, steckt uns diese archaische Vorstellung ja auch selbst noch tief in den Knochen. Wir fragen uns, warum gerade ich? Wenn uns eine Krankheit widerfährt.

Der Kranke durfte nicht in den Tempel rein. Mit ihm stimmte etwas nicht. Es hatte Schon seinen Grund, warum der krank war. Dieses wird gelöst. Im Namen Jesu Christi wird diese Verstrickung gelöst.

Um Almosen bittet der Lahme. Die Almosen spielen eine wichtige Rolle in dieser Geschichte. "Elemosyne" ist das griechische Wort, von dem das Wort Almosen herkommt. Und das heißt eigentlich "Erbarmen"; eine Wohltat, die du anderen tust. Gar nicht auf’s Geld beschränkt. Das ist dann im Sprachgebrauch daraus geworden, dass wir Almosen auf Geld beschränkten, oder auf ein Stück Brot; auf eine kleine Gabe, die schon fast in Verruf gekommen ist. Ich will keine Almosen! Sagt ein Mensch trotzig. So wie er sagt: Ich will nichts geschenkt, ich habe einen Rechtsanspruch auf dies und auf das!

Vermutlich würden wir alle mehr vom Evangelium begreifen, wenn wir einmal in unserem Leben hätten betteln müssen. So wie die Liebe zu Gott, und zu deinem Nächsten, und zu dir selbst, miteinander zusammenhängen, so hängt auch das Bitten zusammen, das Bitten zu Gott und das Bitten zu unserem Nächsten. Ich habe erfahren, dass, wer Gott bittet, auch andere Menschen bitten kann. Und wer von Gott Almosen annehmen kann und nicht zu stolz dazu ist, der kann auch von anderen Menschen Almosen annehmen; Wohltaten. Das Handeln, der Austausch von Geld gegen Waren und Leistungen, ist uns geläufig. Aber viel weniger geläufig ist uns das Bitten und Empfangen, oder das Gebetenwerden und das Geben. Das ist uns weniger vertraut. Und so leben wir in dem Wahn, als ob in unserem Leben dieser Handel und dieser Austausch das Selbstverständliche wäre und als gäbe es darüber hinaus nichts.

Früher sagte man, wenn einer dem anderen eine Wohltat angedeihen ließ; vergelt’s Gott! Das heißt: Vergelte es dir Gott, ich kann es nicht vergelten. Ich nehme es als dein Geschenkt, Gott vergelte es dir. Später kam es dann in Mode zu sagen: "Ich mach’s mal wieder recht!" Das heißt: "Ich zahl dir’s zurück, ich will es nicht geschenkt". "Das kann ich doch nicht annehmen!"

Wir leben in einer Gesellschaft, in der das meiste durch Rechtsansprüche abgesichert ist. Da braucht keiner zu bitten und zu danken. Da scheint alles käuflich zu sein. Und darum wird leicht vernachlässigt und gering geachtet, was sich mit Bezahlung und Rechtsansprüchen eben nicht fassen lässt.

Der lahme Bettler vor der Tempeltür findet nicht nur keine Arbeit, sondern er kann noch nicht einmal ohne fremde Hilfe betteln. Man muss ihn zum Betteln tragen. Und was er erwartet sind Almosen, Almosen im engsten, verkürzesten Sinn; ein paar Groschen. Eine tiefgreifende Hilfe erwartet er gar nicht. Er bettelt um Geld, egal von wen.

Die Bibel erzählt ausdrücklich, dass er vor sich hinguckt. Er guckt gar nicht mehr die Geber an, sondern er sitzt da so und starrt in seinen Hut, wo schon ein paar Groschen liegen. Er schaut auf die Münzen. Da könnte irgend ein Mensch vorbeikommen. Da könnte die öffentliche Hand auf zwei Beinen vorbeikommen und da irgendwelches Geld mit dem Fließband rein werfen, das würde er gar nicht merken.

Aber Petrus und Johannes bleiben stehen, sie schauen dem lahmen Bettler ins Gesicht. Petrus sagt: "Sieh mich an!" Und jetzt schauen sich Menschen an. Damit ist ein wichtiger Schritt zum neuen Leben getan. Und Petrus erkennt geistesgegenwärtig: Hier geht es nicht um Geld. "Aber was ich habe, das gebe ich dir." Im Namen Jesu Christi von Nazareth spricht er das mächtige Wort, das seine Lähmung so löst, dass er nicht nur aufstehen, sondern auch umherspringen kann. Neu geboren ist der Mann durch dieses Wort. Er wollte eigentlich nur Geld, aber er bekam viel mehr; er wurde gerettet durch eine Wohltat, ein Almosen im weitesten Sinne des Wortes.

Wichtig an dieser Geschichte ist ja auch, dass Petrus nicht einfach sagt: Okay, du willst Geld, nun kriegst du Geld. Sondern er enttäuscht ja die erste Erwartung des Bettlers, indem er ihm nicht gibt, was er will, sondern indem er ihm viel mehr gibt. Im Namen Jesu löst er die Lähmung mit einer Kraft, aus der der Petrus selbst lebt.

Ich weiß, dass wir mit solchen Geschichten Schwierigkeiten haben, weil wir immer denken, wenn das damals ging, muss es heute auch gehen, dann muss es wiederholbar sein. Es ereignen sich auch heute Heilswunder, aber nicht in der Art der Anwendung, wie wir sie aus Naturwissenschaft und Technik kennen.

Natürlich werden wir bei dieser Geschichte gleich erinnert an die Heilung Jesu. Jesus in Kapernaum. Da lassen sie den Lahmen durch die Decke herab, weil sie anders keinen Weg zu ihm finden. Auf Biegen und Brechen kommen sie zu ihm und er heilt ihn. Und wie Christus, so lassen sich nach dieser Heilung auch die Christen Petrus und Johannes nicht selbst verherrlichen, sondern sie verweisen auf Gott; von IHM haben wir die Kraft! Nicht eine neue Abhängigkeit vom Wunderheiler, zu dem man ständig hinlaufen muss, sondern von IHM haben wir die Kraft. Auch vor unserem Kapellentor, bildlich gesprochen, sind gelähmte Menschen, die um Almosen bitten. Viele Menschen erwarten von uns Christen Heilung. Auch wenn sie das manchmal verbissen sagen, oder negativ ausdrücken. Viel Zorn kommt aus enttäuschten Erwartungen. Sie erwarten, dass wir von dem etwas weitergeben, wovon wir selbst leben. Und wenn einer zu dir kommt und dich bittet, vielleicht um ein Almosen, ganz falsch verstanden vielleicht, dann kannst du davon ausgehen, dass er doch das Gefühl hat, du hättest etwas weiterzugeben von dem, was du selbst empfangen hast. Und dann brauchst du einen wachen Blick für den, der dich bittet. Denk an diese Geschichte: Du musst nicht unbedingt die Erwartung erfüllen, die er an dich richtet.

Manchmal bitten Menschen im Vorbeigehen von dir um ein Almosen im engsten Sinn. Dem musst du nicht unbedingt nachgeben, wenn du besseres hast, als das, was der Mensch erbittet. Wenn ein Mensch vom Herzen aus heil werden kann, dann soll man ihm doch nicht ein Betäubungsmittel geben. Wir wissen doch inzwischen, dass das erlösende Wort Gottes viel schwerer zu bekommen ist, als ein Kredit auf der Bank.

Der Geist Christi, der Geist der Wahrheit, ist mehr als Silber und Gold. Und der Schatz der Kirche, wenn die Kirche reich ist, ist immer das Wort Gottes, aus dem alles kommt, und nichts anderes.

Das ist das Eine, was menschliche Lähmung lösen kann. Wie immer die Sachen zu anderen Zeiten gewesen sein mögen, heute ist das Wort Gottes eine Kostbarkeit geworden. Und es ist merkwürdig, dass wir so befangen sind, dass uns manchmal die Kinder das vormachen müssen, das Wort weiterzusagen.

Wir unterschätzen die Wirkung des Wortes und die Wegweisung im Namen Jesu Christi. Wir fliehen oft viel zu schnell in soziale Aktionen, wo wir mit Hauruck und Geld dem Nächsten helfen wollen. Aber wir haben doch gerade in den letzten Jahrzehnten auch lernen müssen, dass das Geld verpufft, da, wo Gottes Wort fehlt. Und wir haben umgekehrt erfahren, dass da, wo das Wort Gottes in Jesus Christus unsere Mitte ist, das Geld zu: beschaffen dann kein Problem mehr ist.

Ein erneuertes Herz schafft neues Leben. Und manchmal bittet dich jemand vordergründig um Silber, Gold, oder um etwas Materielles. Aber wenn du genau hinhörst und hinsiehst, dann erwartet er von dir eigentlich nicht diese engen Almosen, sondern Gottes Wort, das sein Herz erneuern könnte, das ihn rettet.

So, wie Menschen ja auch alle möglichen Hobbys betreiben und alle möglichen äußeren Dinge anfangen, weil sie insgeheim hoffen, dadurch neue Menschen zu werden. Gottes Wort erneuert unsere Herzen, das alleine kann uns retten. Die Kirche hat im Namen Jesu Christi das Wort auszusprechen. Sie soll nicht eine Almosenanstalt sein, sondern eine Rettungsanstalt.

"Was ich habe, gebe ich dir!" sagt Petrus. Und dann sagt er das Wort "Im Namen Jesu Christi", und das löst die Lähmung.

Im Namen Jesu Christi etwas tun, ist eben nicht "in meinem Namen und auf meine Rechnung", sondern heißt: Im Sinn und Geist Jesu Christi zu handeln. Und das ist eben etwas anderes. Das ist auch eine große Entlastung, das trage ich nämlich nicht allein auf meinem Rücken, sondern das tue ich gleichsam - ich, ein Mensch, wie ein Umschlagplatz, durch den Gottes Kraft hindurchgeht. Das verantworte ich auch nicht mehr allein.

"Was ich habe, gebe ich dir!"

Aber ich kann eben nur geben, was ich habe. Manchmal habe ich nichts. Aber wo wir nicht vereinzelt sind, sondern wo wir die “Gemeinschaft der Heiligen" sind, da haben wir dies, dass Christus geistig gegenwärtig ist. Wenn wir singen: "Kyrie eleison", das ist ja die Bitte: Herr, sei jetzt geistig gegenwärtig mit Wort und Sakrament!

Wir haben die Kraft des Gebetes, wir haben Gottes Wort, aus dem wir leben. Das haben wir zu geben, und das haben wir auch weiterzugeben zur Rettung, weil Christus unsere Rettung ist. Weniger dürfen wir nicht geben, auch wenn’s bequem erscheint. Denn wir sind ja selbst Geheilte, die Gott loben. Ich habe mir das mal so vorgestellt, wenn man als körperlich Gelähmter da so am Boden sitzt und dann aufspringt. Wir unterscheiden uns ja nicht von dem gelähmten Bettler. Die Heilswunder sind ja an uns geschehen. Die Heilswunder sind immer Zeichen und Wegweiser auf die Kraft, aus der die Heilung kommt.

Wenn ein Kranker mich bittet um eine Medizin für den Schaden seines Lebens, dann muss ich ihm Jesus Christus nennen, der meiner Seele Schaden geheilt hat. Wenn ich ihm weniger gebe, dann verachte ich ihn.

Es ist schwer, das weiterzusagen. Aber wir sollen es tun im Namen Christi. Es ist leider oft so; manchmal rauscht eine Situation, wie da im Tempel, an mir vorüber, und hinterher fällt mir ein; das hättest du sagen sollen, aber die Situation ist vorbei.

Ich bin davon ergriffen, wenn der Petrus da langgeht und sieht geistesgegenwärtig und tut und erkennt: Das ist es jetzt! Da trifft das Wort und wirkt und schlägt Wellen und erneuert den Menschen. Es ist leider oft so, dass wir solche Situationen zu spät erkennen. Gott sei Dank wissen wir aus der Geschichte des Petrus, dass auch bei ihm manches daneben gegangen ist. Manches ist schlimm. daneben gegangen, und darum hoffe ich, dass ich vielleicht auch gebraucht werden kann, trotz dieser mangelnden Geistesgegenwart manchmal.

Vielleicht bist du besonders heilsbedürftig selbst zu Zeiten, oder vielleicht bist du erschöpft, oder du hast gerade zu viel gearbeitet und zu wenig gebetet. Dann sollst du dem, der dich um Hilfe bittet wenigstens sagen; ich gebe dir jetzt dies oder das als Hilfe, aber ich weiß genau, es ist nur ein Almosen, die Rettung ist es nicht; die liegt allein in Christus begründet. Und dann wirst du sogar in dieser Schwachheit noch Christus bezeugen als die Kraft Gottes, aus der unser Heil kommt.

Nicht in unserem Namen geschehen Wunder, sondern im Namen Jesu Christi. Das ist die Kraft, aus der wir leben und die wir mitzuteilen haben - AMEN!

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christu Jesu - AMEN!