Predigt vom 07.09.1986 - 1. Petr. 5, 5c-11
Liebe Gemeinde! Wenn man formal sagen soll, was eigentlich in der Bibel steht, dann müssen wir sagen; es sind Geschichten, in denen Menschen auf verschiedene Weise erzählen, welche Erfahrungen sie mit Gott und mit Jesus Christus gemacht haben.
Heute hören wir einen Abschnitt aus den Briefen - auch Epistel genannt - und das ist der Predigttext. Da heißt es:
"Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöht, wenn die Zeit gekommen ist. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann. Dem widersteht, fest im Glauben, weil ihr wisst, dass dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gekommen sind.
Der Gott aller Gnade, der euch zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus berufen hat, der wird euch, die ihr eine kurze Zeit leiden müsst, aufrichten, stärken, kräftigen und auf einen festen Grund stellen. Sein ist die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen."
Gott segne an uns dieses Wort!
Liebe Gemeinde! Zu Gott finden Menschen nur, wenn sie demütig sind.
Das ist wie ein Zimmer mit einer niedrigen Tür, mit einer schmalen Pforte. Wenn du da mit stolz erhobenem Haupt durch die Tür zu Gott gehen willst, dann rennst du dir den Schädel ein. Demütige Menschen finden den Weg zu Gott. Und demütige Menschen senken den Kopf und kommen durch die niedrige Pforte zu Gott. Nicht zufällig senken wir beim Gebet den Kopf, oder wir knien nieder.
Paulus schreibt von dem Zusammenhang von Demut und Sorge. Das scheint zunächst etwas ungereimt. Nur demütig findest du zu Gott. Aus deiner Demut folgt: Du kannst das Sorgen Gott überlassen. Du kannst die Sorge abladen und wirst leicht und frei davon. Du bist gerade durch die Demut vor Gott erst in der Lage, mutig den Menschen gegenüber zu sein. Denn du hast gleichsam einen festen Grund, von dem aus du leben und handeln kannst. Du hast alle Sinne frei zum Leben, weil du nicht mehr sorgen musst; denn wer sorgt, der eilt immer in die Zukunft. Oder die Vergangenheit frisst an ihm. Er verpasst den Augenblick, die Gegenwart. Er hat keinen Blick mehr für das, was sich im Augenblick ereignet.
In einer niedersächsischen Kreisstadt lebt ein praktischer Arzt, der hat den Spruch aus unserem Predigttext, groß geschrieben in einem Rahmen, über seinem Schreibtisch im Sprechzimmer seiner Praxis hängen:
"Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch."
Dieser Arzt ist tüchtig, er arbeitet so gewissenhaft wie möglich. Er nutzt alle Mittel der medizinischen Wissenschaft, um die Krankheiten der Menschen, die zu ihm kommen, zu behandeln. Aber er ist demütig dabei. Das ist der Sinn, warum er den Spruch über dem Schreibtisch hat; er weiß nämlich, dass er nicht Herr über Leben und Tod ist. Er freut sich natürlich, wenn seine Patienten gesund werden. Er freut sich, wenn er Schmerzen lindern kann. Aber er verzweifelt auch nicht, wenn ein Patient stirbt. Und er muss auch nicht hochmütig die Medizin als allmächtige Wissenschaft verteidigen.
Dieser Arzt neigt natürlich‚ genauso wie jeder von uns, zum Sorgen. Wenn ein Mensch gestorben ist, fragt er sich auch: Habe ich wirklich alles getan? Habe ich einen Fehler gemacht? Habe ich mir genug Zeit genommen? Gerade weil er darin ein Mensch ist, der sich sorgt, hat er sich das Wort aus der Bibel dahin gehängt, um sich immer zu erinnern: "Alle eure Sorge werfet auf ihn; denn er sorgt für euch."
Ich wünschte, dass wir uns alle dieses Wort zu Herzen nehmen, dass wir es uns an den Küchenschrank hängen oder auf den Schreibtisch stellen. Dass alle Eltern, die sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machen, dieses Wort vor Augen halten: "Alle eure Sorge werft auf ihn." Dass alle Schüler, die Mühe haben, zu Hause, oder in der Schule, dass die sich zu Herzen nehmen: "Alle eure Sorgen werfet auf ihn."
Denn zur Demut gehört auch, dass wir uns im Gebet vergegenwärtigen und vergewissern, dass wir nicht die Herren unseres Lebens sind, dass wir Geschöpfe sind.
Paulus vergleicht das Sorgen mit eben diesem brüllenden Löwen, der Menschen frisst. Wenn du sorgst, dann lebst du nicht. Dann eilst du in die Zukunft, und in der Gegenwart kannst du nicht das Nächstliegende tun. Ihr wisst, wenn man sich sorgt, da bauen sich Berge vor dir auf, Berge von Schularbeiten, Berge von Sachen, die wir erledigen müssen. Und wir haben plötzlich das Gefühl; das schaffst du nie! Nur noch so wenig Zeit bis zu diesem oder jenem Termin! Das muss ich tun, ich muss es schaffen, ich muss es leisten, es hängt ja alles an mir! Ich muss immer der Beste und der Größte und der Tüchtigste sein!
Wer so sorgt, der kommt in einen Teufelskreis. Und das ist nicht zufällig, dass wir Menschen das einen Teufelskreis nennen. Da ist wieder dieser Teufel, der wie ein brüllender Löwe hinter uns her tigert und genau weiß; solange der aus diesem Circulus vitiosus nicht aussteigt, ist das meine nächste, sichere Beute.
Wer sorgt, der lebt nämlich in dem Größenwahn, dass er meint, er müsste alles besorgen, er könnte alles besorgen. Der wird leicht hart und geizig und einsam, und dreht sich am Ende nur noch um sich selbst und um seine Sorge.
Und dann ist er - wieder so ein Ausdruck - in Teufels Küche. Dann hat ihn bald der Widersacher, von dem die Bibel redet, gefressen.
Wer aber demütig zu Gott betet, der ist eben nicht allein, der dreht sich nicht um sich selbst, sondern der streckt seine Hände zu Gott aus und lässt sich führen, und er weiß; mein Leben ist in Gottes Hand - sein ist die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit - wie es da in der Bibel heißt.
Wir laufen, wie wir es vorhin in der Kinderpredigt gehört haben, wie die Küken zu Gott. Wir sind festgemacht bei ihm. Unter den bergenden Flügeln seines Geistes und seiner Liebe können uns die Sorgen nichts anhaben. Damit sind die Probleme noch nicht gelöst, aber dadurch haben wir Abstand und können viel besser die Dinge angehen, als wenn wir uns hetzen lassen. Wir sind dann auch tüchtig, wir geben uns Mühe. Wir sollen das Leben beherzt und kräftig und intelligent anpacken. Aber wir müssen nicht damit unserem leben einen Sinn geben, denn Gott allein ist es, der unserem Leben Sinn und Grund gibt.
Gott ist unser Fels, unsere feste Burg.
Bei ihm sind wir sicher vor den Sorgen und Ängsten. Und wenn die Welt voll Teufel wäre, wir gehören zu Gott und sind in seiner Hand.
Wir sind Sünder und vergessen das immer wieder. Deswegen brauchen wir immer wieder den Zuspruch, das Gebet und den Gottesdienst.
Solange wir uns nicht von seiner Hand losreißen und immer wieder die Hand zu ihm ausstrecken, kann uns nichts schaden, im Leben nicht und auch nicht im Tod. AMEN!