Predigt vom 04.09.1987 - Pastor Schnabel - Beginn des Schützenfestes
Liebe Christen, liebe Mitbürger, liebe Mitchristen!
Gestern hat mich jemand gefragt: Was hat Gott mit dem Schützenfest zu tun? Nun, ich meine, alles Leben hat mit Gott zu tun; denn Gott hat uns durch Jesus Christus aufeinander verwiesen.
Kein Mensch lebt für sich selber. Kein Mensch kann Segen nur für sich selbst bewahren.
Wir leben in einem großen Zusammenhang, und klug ist, wer das nie vergisst.
Wir leben an diesem Ort miteinander, weil wir hier unsere Wohnung haben. Wir werden älter. Wir sehen unsere hübschen Kinder wachsen und freuen uns daran. Und wir erkennen dabei auch, dass wir selbst nur für eine bestimmte Weile auf Erden sind. Wer das mit Gelassenheit bedenkt, dem wird die Zeit kostbar. Dem ist die Zeit zu schade für enges und kleinliches und misstrauisches Leben. Wer das wirklich bedenkt, der streckt leichter die Hand aus zu seinen Nachbarn. Der nimmt die Gelegenheit so einen Festes wahr, die Hand auszustrecken zu jemandem, der sonst vielleicht nur im Auto an ihm vorbeirauscht. Jedes Fest gibt uns die Gelegenheit zur Gemeinschaft, zum Feiern und zum Gutzueinandersein.
Andacht heißt, daran denken, dass unser Leben in Gottes Hand ist.
Schützenvereine haben in unseren Gemeinden eine große Tradition bürgerlicher Gesellschaft. Diese Tradition reicht sehr weit zurück. Darum will ich eine Geschichte von den Anfängen erzählen.
Im siebten Jahrhundert - das war zur gleichen Zeit, als unsere Vorfahren da oben auf dem Hengstberg noch den weißen Hengst geopfert haben - zur gleichen Zeit lebte in Burgund ein tüchtiger, junger Mann. Der war tapfer und erfolgreich, und darum stieg er auf in der Gunst seines Landesherrn und bekam ein hohes Amt. Dieser junge Mann war ein guter Schütze; er ging gern zur Jagd. Mit 23 Jahren heiratete er Floribana von Löwen, eine schöne Frau, die er sehr lieb hatte. Aber schon kurze Zeit nach der Hochzeit starb sie bei der Geburt ihres ersten Kindes. Diesen Kummer konnte der Mann nur schwer verwinden. Er zog sich zurück von den Menschen. Er wollte allein mit dem Leben fertig werden; um seinen Kummer zu vergessen, ging er tagelang allein auf die Jagd. Sein Leben steckte in einer Krise.
Eines Sonntags hörte er die Glocke läuten, die zum Gottesdienst rief. Aber er wandte sich ab, nahm seine Pfeile und den Bogen und ging auf Jagd. Und es schien zunächst, als hätte er an diesem Sonntag auch besonderes Glück. Er spürte einen kapitalen Hirsch auf, kam nahe an diesen Hirsch heran, spannte den Bogen und wollte ihn erlegen. Aber in diesem Augenblick wandte der Hirsch sich um. Der Jäger ließ den Bogen sinken und fiel auf die Knie, denn dieser mächtige Hirsch, mit dem großen Geweih, hatte mitten zwischen den Geweihstangen ein blinkendes, goldenes Kreuz. Es war das Kreuz Jesu Christi.
Und in dem Augenblick erkannte der Schütze; ich darf über den Dingen der Welt Gott nicht vergessen. Christus ruft mich zurück in die Gemeinschaft.
Euch Schützen ist natürlich längst klar, wie dieser Mann geheißen hat. Ihr wisst, dass ich von Hubertus rede, dem Schutzpatron aller Schützen.
Hubertus hat dann später ein neues Leben begonnen, weil Christus ihm begegnet war. Später wurde er Bischof von Lüttich, und als solcher übrigens der Nachfolger von Lambertus, dem in Lüneburg eine Kirche geweiht war, die dort stand, wo heute der Lambertiplatz ist.
Ihr lieben Schützen, von Hubertus habt ihr die grüne Farbe eurer Röcke. Ihr steht damit in einer großen Tradition. Ich weiß wohl, dass Traditionen manchmal vergessen werden. Aber ich weiß auch, dass sie nicht verloren gehen. Denn immer, wenn Menschen in eine Krise geraten, fragen sie: Was soll das? Wozu das alles? Und dann klopfen wir mit unseren Fragen die Traditionen ab, so wie man einen alten Holzkasten abklopft, um zu sehen, ob da noch was drin ist.
Ihr lieben Schützen, ich kann euch versichern; der Kasten eurer Tradition ist gut gefüllt. Macht diesen Kasten auf, und nehmt die Tradition beim Wort. Lasst euch daran erinnern, dass es Schützen waren, die die Bürgerschaft verteidigten gegen Übergriffe von Adel und Fürsten. Die Schützen zogen nie aus, um anderen etwas wegzunehmen, sondern sie blieben am Ort und verteidigten die Habe der Schwachen.
Und es waren Schützen, die für die bürgerliche Freiheit kämpften, die uns heute eher geläufig ist.
Auch Wilhelm Tell gehört in diese Tradition. Es ist eine Tradition der Schützen, die immer abzielte auf das gemeinsame Leben der Bürger am Ort.
Wir sind heute Abend herzlich eingeladen worden von unseren Schützen zu diesem Fest. Wir wollen mit gutem Willen und guten Worten und Taten beitragen, dass dieses Fest gelingt. Denn wir wissen ja alle, dass ein heiteres Fest zurückwirkt in den Alltag und das Leben besser macht.
Dieser Feierabend ist eben ein Abend zum Feiern; ein Abend zum Händereichen, zum Tanzen und zum Singen. Und lasst uns darum jetzt das Lied miteinander singen, was auf dem Papier steht. Lasst uns dieses Lied singen, als ein Gebet für alle Menschen, die an diesem Ort leben, als ein Gebet auch zum Dank für alles, womit uns Gott gesegnet hat.
(Gemeinde singt: "Brüder, singt ein Lied der Freude… "]
Und nun geht hin in Frieden des HERRN! Es segne und behüte euch Gott, der Allmächtige und Barmherzige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist -
AMEN!